Kasseler Friedensratschlag

Friedenspolitische Forderungen 2016

Wir dokumentieren im Folgenden einen Auszug aus einem Papier, in dem der Bundesausschuss Friedensratschlag Forderungen für 2016 zusammengestellt hat.

Die weltpolitische Lage hat sich 2015 dramatisch zugespitzt: So viele Menschen wie noch nie seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs – über 60 Millionen - sind auf der Flucht. Angriffskriege von NATO-Staaten, „Stellvertreterkriege“, wirtschaftliche Ausbeutung, „Freihandel“ und globale Erderwärmung sind Ursachen dafür. Waffenexporte – auch aus Deutschland – schufen erst die Voraussetzung, um Konflikte in den Ländern des Südens gewaltsam austragen zu können. Die Menschen fliehen vor Krieg und Verfolgung, aus Not und Perspektivlosigkeit.

Ergebnis der von westlichen Staaten geführten Kriege wie in Afghanistan, Irak, Libyen und Syrien ist die Zunahme terroristischer Anschläge weltweit. Rache als Triebfeder einer militärischen Reaktion auf die verbrecherischen Anschläge in Paris ist jedoch ein schlechter Ratgeber. Sie führt zur Eskalation von Gewalt, wo intensive Polizeiarbeit und Strafverfolgung nötig sind. Der bedeutende eigene Anteil „des Westens“ an den Zerstörungen muslimischer Gesellschaften verschwindet hinter der Nebelwand von Hysterie und Kriegsgeschrei.

Die westlich-russischen Beziehungen stecken trotz der Annäherungen im Iran und Syrien weiter in einer tiefen Krise. Mit ihrer ökonomischen und militärischen Übermacht versuchen die NATO-Staaten, Russland ihre Politik aufzuoktroyieren. Statt Kooperation zu üben, droht weiterhin die Konfrontation. ...

Neben unseren traditionellen Aktivitäten unterstützen wir Aktionen anderer gesellschaftlicher Bewegungen, wie den Kampf gegen die sogenannten Freihandelsabkommen, gegen Demokratieabbau, Neofaschismus und Rassismus sowie für Solidarität mit MigrantInnen. Wir unterstützen jährlich wiederkehrende Aktionen, wie die Ostermärsche, die Hiroshima- und Antikriegstage sowie die Proteste und Gegenveranstaltungen zur „Münchener Sicherheitskonferenz“. ...

 

Unsere Themen und Forderungen in 2016

A. Kriege stoppen und Konfliktpotenziale entschärfen

A.1 Die Einkreisung Russlands und militärische Drohungen beenden

Wir fordern den Stopp neuer Waffenprogramme wie z.B. das Raketenabwehrsystem gegen Osteuropa und Verhandlungen über atomare und konventionelle Abrüstung mit Russland. Das konventionell überlegene Kriegsbündnis NATO muss dabei in Vorleistung treten. Für die Lösung des Ukraine-Konfliktes ist es notwendig, alle Seiten des Konflikts - auch die Vertreter „der gesonderten Kreise der Gebiete Donezk und Lugansk der Ukraine“ - in die Lösung mit einzubeziehen. Hier kann nur eine Demokratisierung, die Einrichtung föderaler Strukturen und soziale Gerechtigkeit zu einer dauerhaften Lösung führen. Die Bundesregierung muss sich für den Erhalt des Neutralitätsstatus der Ukraine einsetzen.

A.2 Den Flächenbrand im Nahen Osten stoppen

Wir fordern die Bundesregierung auf, durch Druck auf die Türkei, den Handel mit dem IS sowie den Zustrom von Kämpfern und Geld in das Gebiet des IS zu kappen und Verhandlungslösungen mit allen Konfliktbeteiligten anstelle militärischer Interventionen zu unterstützen. Keine Beteiligung der Bundeswehr am Krieg in Syrien! Ziel muss es sein, föderale Strukturen und demokratische Entwicklungen in den bestehenden Staatsgrenzen Syriens und Iraks zu etablieren, sowie, in Umsetzung der Wiener Vereinbarungen, die Einheit, Unabhängigkeit und den säkularen Charakter des syrischen Staates zu erhalten.

A.3 Die Duldung der israelischen Besatzungs- und Außenpolitik beenden

Die Bundesregierung muss von Israel den Stopp der Siedlungspolitik, den gesicherten Zugang zum Gazastreifen und die Aufhebung der Wirtschaftsblockade fordern. Nur unter diesen Voraussetzungen sind Verhandlungen möglich. Rüstungsexporte an Israel sind sofort zu stoppen. Die Bundesregierung soll die Konferenz für eine von Massenvernichtungswaffen freie Zone im Nahen und Mittleren Osten aktiv unterstützen und sich für die Umsetzung der Friedensinitiative der Arabischen Liga einsetzen, welche eine Normalisierung ihrer Beziehungen mit Israel vorsieht.

A.4 Für staatliche Souveränität statt Ressourcen-Ausbeutung

Die weltweit verfügbaren Ressourcen müssen menschengerecht, ökologisch, sozialverträglich und nachhaltig genutzt werden. Dabei ist vor allem dem Klimaschutz und den Bedürfnissen der Erzeugerländer nach Unabhängigkeit von den Zwängen des Welthandels Rechnung zu tragen. Nur so können Konflikte und Kriegsursachen sowohl regional als auch global beseitigt werden. Entwicklungshilfe muss ohne „zivil-militärische Zusammenarbeit“ gezahlt werden.

A.5 Gegen wirtschaftliche Dominanz und Erpressung mit „Freihandel“

Die TTIP und TISA-Verhandlungen sind zu stoppen. Das bereits ausgehandelte CETA-Abkommen darf nicht von der EU abgesegnet werden.

B. Deutsche Beteiligung an weltweiten Kriegen beenden

B.1 Keine Interventionsarmee - Bundeswehr abrüsten! Austritt aus den militärischen NATO-Strukturen

Die Auslandseinsätze der Bundeswehr und die Transformation der Bundeswehr in eine „Armee im Einsatz“ ist zu beenden. Bewaffnungs- und Ausrüstungsprogramme zur Herstellung weltweiter Interventionsfähigkeit sind zu stoppen. Da die Bundesrepublik Deutschland militärisch nicht bedroht wird, fordern wir die drastische Abrüstung der Bundeswehr mit der Perspektive ihrer Abschaffung. Die Bundesrepublik soll aus den militärischen Strukturen des NATO-Pakts austreten.

B.2 Keine Militärunion und EU-Armee

Der „Bündnisfall“ der EU ist aufzuheben, ihre Militarisierung ist auf Null zurückzufahren und die schnellen Eingreiftruppen sind aufzulösen. Europäische Rüstungsprojekte sind einzustellen und die „Europäische Verteidigungsagentur“ ist aufzulösen. Stattdessen ist die EU auf eine strikt zivile Außenpolitik und zum Rückzug ihres Militärs aus dem Mittelmeer im Rahmen der Abschottung gegen Fremde zu verpflichten.

B.3 Konversion der Rüstungsindustrie anstatt Rüstungsexporte

Waffenexporte müssen geächtet und gesetzlich verboten werden. Zwischenziele auf dem Weg zu einem umfassenden Verbot können sein: ein Exportverbot für Kleinwaffen, ihrer Munition und Waffenfabriken sowie keine Lieferung schwerer Waffen in Länder außerhalb von NATO und EU, strikte Endverbleibkontrolle, keine Hermesbürgschaften und die Abschaffung der Militärattachés an deutschen Botschaften. Die Umstellung von Rüstungsproduktion auf zivile Produkte muss programmatisch und finanziell gefördert werden.

C. Deutsche Innenpolitik dem Frieden verpflichten

C.1 Kein Bundeswehreinsatz im Innern

Die zivil-militärische Zusammenarbeit im Inneren als „Heimatschutz“ ist zu beenden und die Kommandostrukturen der Bundeswehr zur Intervention in den Kommunen und Regionen sind aufzulösen. Wir fordern den Einsatz der Bundeswehr im Inneren generell zu verbieten. Als Antwort auf Attentate von Terrorgruppen fordern wir eine auf dem Grundgesetz und der Verfassung basierende Polizeiarbeit, ausgerichtet auf Deeskalation und Verständigung innerhalb der unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen.

C.2 Gegen die Militarisierung von Bildungswesen und Gesellschaft

Kooperationsverträge Bundeswehr-Schule auf Länderebene sind aufzuheben, Zivilklauseln an Hochschulen sind flächendeckend einzufordern und dort, wo sie bereits existieren, durchzusetzen. Kooperationen mit Rüstungsunternehmen (z.B. über Stiftungsprofessuren) sind zu beenden. Dagegen sind Friedenserziehung – und -forschung zu fördern. Jeglicher öffentlichen Werbung für Bundeswehr und Kriegsdienst ist entgegen zu treten.

C.3 Für Solidarität mit MigrantInnen und eine humane Flüchtlingspolitik

Respektierung der Menschenrechte Geflüchteter. Nicht Flüchtlinge bekämpfen, sondern Fluchtursachen. Eine von Solidarität getragene Wirtschafts-, Handels- Außen- und Entwicklungspolitik muss die Grundlagen dafür schaffen, dass die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Menschen in der Dritten Welt verbessert werden.

C.4 Nazis verbieten und faschistische Ideologie bekämpfen!

Neonazi-Aktivitäten sind zu unterbinden und die Rolle des Verfassungsschutzes – auch bei früheren Terroranschlägen – muss lückenlos aufgeklärt, die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden. Die Überwachung und Kriminalisierung antifaschistischer Aktivitäten durch den Verfassungsschutz ist zu beenden. Der Inlandsgeheimdienst Verfassungsschutz ist ersatzlos aufzulösen.

D. Waffensysteme ächten und abschaffen

D.1 Atomwaffen abschaffen

Wir fordern die vollständige atomare Abrüstung mittels eines weltweiten vertraglichen Verbots von Atomwaffen, das zeitlich gestaffelte Maßnahmen für eine atomwaffenfreie Welt vorsieht (Nuklearwaffenkonvention). Die Bundesregierung muss den Abzug der in Büchel stationierten Atomwaffen anordnen und auf die „nukleare Teilhabe“ innerhalb der NATO verzichten. Übungsflüge der Bundeswehr-Tornados zum Atombombeneinsatz sind zu unterlassen. Die von der österreichischen Regierung ausgehende und bereits von 120 weiteren Staaten unterzeichnete Selbstverpflichtung, sich für ein Verbot von Atomwaffen einzusetzen („Humanitarian Pledge“), muss auch von der Bundesregierung unterstützt werden.

D.2 Keine Kampfdrohnen und Kriegsroboter

Kampfdrohnen müssen weltweit geächtet werden. Entsprechend der Entschließung des Europäischen Parlaments vom Februar 2014 soll die Bundesregierung sich für das Verbot „extralegaler Tötungen“ einsetzen und diese nicht weiter „begünstigen“. Sie muss die zentrale Relaisstation des weltweiten US-Drohnenkrieges auf der US-Militärbasis in Ramstein ebenso schließen wie AFRICOM in Stuttgart, wo Ziele für Drohneneinsätze in Afrika ermittelt werden. Kalkar/Uedem darf nicht zur Kampfdrohneneinsatzzentrale von Bundeswehr und NATO werden, Jagel in Schleswig-Holstein nicht zum Stationierungsort von Großdrohnen für Spionage und Zielerfassung. Keine Kampfdrohnen für die Bundeswehr!

D.3 Uranwaffen verbieten

Das systematische Verschweigen der gesundheitsschädigenden Folgen von Uranmunition muss beendet werden. Uranmunition muss – wie es die internationale Kampagne ICBUW fordert - weltweit geächtet werden. Hilfsprogramme für die Opfer von DU-Munition sind erforderlich.

 

Diese Forderungen wurden vom Bundesausschuss Friedensratschlag am 4.12.2015 verabschiedet. Der gesamte Text kann von der Website des Ratschlags heruntergeladen werden: www.friedensratschlag.de

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