Friedensstädte als Ausgangspunkt für pazifistische Politik

Friedensstadt Freiburg: Aufrüstung und Krieg den Boden entziehen!

von Christoph Besemer
Initiativen
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Gegen Ende des 20. Jahrhunderts gab es sie noch: Eine europäische Friedensbewegung, die im Westen Hunderttausende Menschen mobilisierte, um die “Nachrüstung“ zu stoppen, und im Osten Freiheit und Demokratisierung durchzusetzen. Beides gelang und beweist, wie wirksam gewaltfreier Widerstand sein kann! Umso tragischer, dass die „Nachkommen“ dieser mächtigen Bewegungen in den letzten Jahren dieses Erbe vergessen oder bewusst über Bord geworfen haben zugunsten einer militärisch aktiven Aufrüstungs- und Kriegspolitik. Es gibt zwar noch Großdemonstrationen und von Hunderttausenden unterschriebene Friedensappelle. Sie kommen aber schwer an gegen die von der Mehrheit der Parteien und den „Mainstream“-Medien forcierte Politikwende.

In dieser Situation haben sich mittlerweile in einigen Regionen und Städten Menschen zusammengefunden, um gemeinsam nach neuen Wegen zu suchen, nicht-militärische Wehrhaftigkeit und gewaltfreie Friedenspolitik bekannt zu machen, darunter auch Initiativen zur Schaffung von Friedensstädten.

Diese gibt ist zwar schon - am bekanntesten wohl Augsburg, wo seit 1650 jährlich am 8. August das „Hohe Augsburger Friedensfest“ begangen wird. Dieses Datum ist seit 1950 gesetzlicher Feiertag im Stadtgebiet! Doch nun wurde ein neues „Selbstverständnis Friedensstadt“ verabschiedet, in den neben drei Bekenntnissen zu kommunalen Friedenszielen ein viertes Bekenntnis zu einer wertegeleiteten Sicherheitspolitik aufgenommen wurde, das eine militärische Verteidigung einschließt sowie ein eindeutiges Bekenntnis zur NATO und zur ortsansässigen Rüstungsindustrie. (1). Ein solches Friedensstadt-Verständnis führt sich selbst ad absurdum!

Deshalb haben die aktuellen Friedensstadt-Bewegungen eine klare pazifistische Ausrichtung. So wurde in Freiburg, worüber ich hier berichten kann, ein Maßnahmen-Katalog entwickelt, der die Stadt zu einer Friedensstadt transformieren möchte, die nicht nur historische Ereignisse in der Stadtgeschichte würdigt, sondern aktuelle und aktive Friedenspolitik nach innen und nach außen betreibt. Wichtig war es den Verfasser*innen, dass er „einladenden“ Charakter hat und eine positive Vision beschreibt, die konkret und umsetzbar ist. Die endgültige Fassung wurde im Februar 2024 fertig:

Ziele und Maßnahmen für eine !Friedensstadt Freiburg!

  1. Frieden durch Friedensbildung in Einrichtungen für Bildung und Erziehung
  2. Unterstützung einer Friedenskultur durch internationale Friedensfeste
  3. Frieden durch Vorbilder des Friedens und der Demokratie
  4. Intensivierung internationaler Beziehungen und neue Partnerstädte
  5. Frieden durch Förderung der Hilfen für Geflüchtete
  6. Frieden durch Friedensforschung
  7. Frieden durch Umstellung auf Produktion für den Frieden
  8. Freiburg als Modellstadt für eine gewaltfreie, soziale Verteidigung
  9. Freiburg als völkerrechtlich geschützte Stadt und atomwaffenfreie Zone

Diese Punkte sind mit vielen Beispielen unterlegt, was dies konkret für die Stadt bedeuten könnte. (2)

Weitere Bestandteile der !Friedensstadt-Freiburg!-Aktivitäten waren u.a.:

  • Ein Vortrag von Stefan Maaß zum Jahrestag des militärischen Angriffs auf die Ukraine sowie ein Vortrag von Dr. Barbara Müller über den „Passiven Widerstand“ im Ruhrgebiet 1923 und seine Lehren für die Soziale Verteidigung. (3)
  • Eine Gedenk-Veranstaltung an die Zerstörung Freiburgs im Zweiten Weltkrieg am 27.11.1944 mit einem Auftakt am Freiburger Münster und kurzen Reden am Rathaus. Der Südwest-Rundfunk brachte Interviews im Radio sowie Fotos und einen Kurzbericht. (4)
  • Am 21. Februar 2024 wurde offiziell das „Offene Bündnis !Friedensstadt Freiburg!“ gegründet, an dem ca. 60 Vertreter*innen von Gruppen, Organisationen und Einzelpersonen teilnahmen.
  • Ein Interview mit „Radio Dreyeckland“ über Soziale Verteidigung.
  • Bei einer Veranstaltung mit Jürgen Grässlin und Konstantin Wecker mit 800 Besucher*innen konnte die Friedensstadt-Initiative vorgestellt werden.
  • Ein freundliches und fruchtbares Gespräch mit zwei Referentinnen von Oberbürgermeister Martin Horn, in dem Möglichkeiten zur Kooperation ausgelotet wurden – z.B. beim großen Markt der Partnerstädte Freiburgs (12 Städte) im nächsten Jahr.

Ein großes Zwischenziel war die Gemeinderatswahl am 9. Juni 2024: Die kandidierenden Parteien und Listen wurden angeschrieben und um eine Stellungnahme zu unserem 10-Punkte-Maßnahmen-Katalog gebeten. Es gab zwar nur von FDP, SPD, GRÜNE und LINKE LISTE eine Antwort, aber sie repräsentierten immerhin die Hälfte des Gemeinderats. Die Rückmeldung der FDP war allerdings kläglich, die der SPD und der GRÜNEN sehr dünn, und nur die LINKE stimmte voll zu. Wie ein „Wink mit dem Zaunpfahl“ könnte es gedeutet werden, dass durch die Wahl nur zwei Listen einen Sitz verloren haben, darunter die GRÜNEN, während die LINKE LISTE einen zusätzlichen Sitz gewann.

Die Friedensstadt-Arbeit wird weitergehen und ihre Basis verbreitern müssen, um größere Erfolge zu erzielen. Ein kreatives Feld für alle friedliebenden Menschen, die aktiv werden wollen!

Anmerkungen
1 Vgl. Kommentar von Bernhard Schiller in der Augsburger Zeitung vom 9.8.2024.
2 Siehe https://www.inta-stiftung.de/media/konzept_friedensstadt-freiburg.pdf
3 Beide Vorträge können auf der Website www.wfga.de nachgeschaut werden.
4 Siehe  https://www.swr.de/swraktuell/baden-wuerttemberg/suedbaden/nie-wieder-sc...

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