Schnöggersburg

Friedensübungszentrum (FÜZ) statt Gefechtsübungszentrum (GÜZ)

von Gerd Büntzly
Initiativen
Initiativen

Etwa dreißig Personen verschiedenen Alters waren am 4.8.2019 zusammen gekommen, um das Militärgelände der Colbitz-Letzlinger Heide mit einer Aktion zivilen Ungehorsams zu beleben. Sie riskierten dabei mindestens ein Verfahren wegen Ordnungswidrigkeit. Trotz Vorankündigung der Aktion, gelang es ihnen, die beinahe fertige Kampfstadt „Schnöggersburg“ zu Fuß zu erreichen.

Das Gefechtsübungszentrum GÜZ in der Altmark (Sachsen-Anhalt) ist einer der modernsten Truppenübungsplätze der Welt. Hier entsteht seit 2012 auf sechs Quadratkilometern und für ca. 140 Mio. Euro die Kampfstadt "Schnöggersburg", von der Rüstungsfirma Rheinmetall gebaut. Fertige Teile der Stadt werden schon seit 2017 durch die Bundeswehr und durch NATO-Truppen für militärische Übungszwecke genutzt – hier wird Stadt- und Häuserkampf geprobt. Die Übungen dienen auch der Aufstandsbekämpfung, das heißt der Planung von Bundeswehreinsätzen im Innern, die das deutsche Grundgesetz verbietet. Verfassungswidrig ist aber auch die Planung der anderen Kriegseinsätze, denn es handelt sich dabei um die Vorbereitung von Angriffskriegen, die ebenfalls im Grundgesetz ausdrücklich verboten ist. Bereits 2018 wurde in Schnöggersburg daher als Kontrapunkt ein „Friedensübungszentrum“ (FÜZ) eröffnet.

Zur Gruppe gehörten acht Mitglieder der örtlichen Bürgerinitiative, die schon seit 25 Jahren gegen die Anwesenheit der Bundeswehr auf dem Gelände kämpft. Andere Personen kamen von der Gruppe JunepA, bei der besonders junge Leute mitmachen, wieder andere von der musikalischen Aktionsgruppe Lebenslaute; sie brachten unter anderem ein Cello mit auf die Heide. Die Aktion war Teil der regelmäßigen Friedenswege, die an jedem ersten Sonntag im Monat am Rand der Colbitz-Letzlinger Heide als Demonstration oder Kundgebung veranstaltet werden. Das Ziel: Die Kriegsübungen müssen für immer eingestellt, der Truppenübungsplatz muss wieder an die Bevölkerung zurückgegeben werden.

Im Unterschied zu anderen Besuchen dieser Art war dieser vorher öffentlich angekündigt worden, und er fand am helllichten Tag statt. Am ausgewählten Zugang zum Militärgelände wartete bereits ein Polizeiwagen. Dieser konnte den Spaziergang aufs Gelände aber nicht aufhalten. Die AktivistInnen gelangten auf einem ca. 6 km langen Weg durch Wald und Heide bis zum Bauzaun, der inzwischen neu um das Areal der Übungsstadt gezogen worden ist –  eine neue Maßnahme gegen die häufigen Besuche von FriedensaktivistInnen dort. In der Vergangenheit hatten Mitglieder der Gruppe Lebenslaute mehrfach spektakulär am „Rathaus“ der Übungsstadt Musik gemacht und am Gebäude wie an den davor befindlichen Fahnenstangen Friedensfahnen und -banner wehen lassen.

Vor dem Bauzaun teilte sich die Gruppe in drei Untergruppen, um das Gelände zu beleben, aber auch, um doch noch einen unbeobachteten Zugang in die Kampfstadt selbst zu finden. Nach einiger Zeit kamen alle an der Stelle wieder zusammen, wo die fünf Mitglieder von Lebenslaute mit Chorgesang zur Gitarrenbegleitung sowie Musik für Querflöte und Cello ihren Protest gegen das Militär ausdrückten. Am Schluss stellte die Polizei die Personalien aller Beteiligten fest.

Die Gruppe hatte sich vorgenommen, das Militärgelände zu betreten, und das gelang. Manche hätten sich gar nicht vorstellen können, bei einer solchen angekündigten Aktion die lange Strecke bis nach Schnöggersburg unbehelligt zu Fuß zurücklegen zu können. Dass dies möglich war, machte den Erfolg erst rund. Die Aktion wird aber noch weitergehen, denn die juristischen Folgen planen wir mit ein. Sie sollen uns Gelegenheit geben, den Skandal der Kampfstadt Schnöggersburg weiter  in die Öffentlichkeit zu tragen. Viele aus der Gruppe haben sich vorgenommen, nicht nachzulassen und im nächsten Jahr wieder auf das Gelände zu gehen, um die Entschlossenheit ihres Einsatzes zu demonstrieren, bis aus dem GÜZ (Gefechtsübungszentrum) ein reales FÜZ (Friedensübungszentrum) geworden ist. Auf diese Weise könnte das GÜZ zum symbolischen Ort des Widerstandes für die Kampagne „Keine Aufrüstung auf 2%“ werden, so wie Büchel es für den Kampf gegen die atomare Bedrohung ist. Kampagnen brauchen solche sichtbaren Plätze, Schnöggerburg ist das Paradebeispiel für Verschwendung von Ressourcen durch das Militär.

Weitere InteressentInnen sind willkommen! Auf der Seite der Bürgerinitiative Offene Heide (http://www.offeneheide.de/) sowie auf der Seite http://www.gewaltfreie-aktion-guez-abschaffen.de/de/ sind aktuelle Informationen zu weiteren Aktionen zu finden.

Gerd Büntzly, geb. 1949, hat in den letzten Jahren dreimal für jeweils einige Tage im Gefängnis verbracht, um auf den Skandal der Atomwaffen und der aggressiven deutschen Militärpolitik aufmerksam zu machen.

Spendenkonto: Uwe Schubert, Rolf Sonnet, DE85 4306 0967 1143 6774 00, Verwendungszweck: GA GÜZ 2019.

Ausgabe

Rubrik

Initiativen
Gerd Büntzly ist Friedensaktivist aus Herford.