Friedensvolksbegehren und EU-Verfassung: Österreichs Neutralität soll ohne Volksabstimmung ausgehebelt werden!

von Initiative Friedensvolksbegehren
Der EU-Gipfel der Staats- und Regierungschefs vom 17. und 18. Juni 2004 verabschiedete den sogenannten Verfassungsvertrag, der nun in den einzelnen Nationalstaaten ratifiziert werden muss. Bis dato wurde von PolitikerInnen und Medien der Eindruck vermittelt, bei den abschließenden Verhandlungen sei es lediglich um Abstimmungsmodalitäten im EU-Rat und EU-Parlament gegangen. Das Studium der Dokumente des Gipfels muss jedoch jeden Menschen in Österreich wachrütteln.

Beschlossen wurde wahrhaft Abenteuerliches:

 
    die Durchsetzung einer neutralitätswidrigen Militärpolitik
 
 
    die Aushebelung des Rechtsstaates
 
 
    die Doppelherrschaft von EU-Rüstungsagentur und Europäischer Zentralbank  
    1. Abschaffung der Neutralität durch militärische Beistandsverpflichtung
Der Artikel I-40 Abs. 7 des Verfassungsentwurfs wurde umgeschrieben. Nach dem Altentwurf waren jene Staaten, die sich zu einer "engeren Zusammenarbeit im Bereich der gegenseitigen Verteidigung"freiwillig verpflichtet haben, "im Falle eines bewaffneten Angriffs auf das Hoheitsgebiet eines an dieser Zusammenarbeit beteiligten Staates" verpflichtet, "alle in ihrer Macht stehende militärische und sonstige Hilfe und Unterstützung" zuleisten. Diese über den Artikel V des Nato-Vertrages hinausgehende Beistandspflicht gilt nach dem neuen Text für alle Mitgliedsstaaten.

2. Aushebelung des Rechtsstaates
Mit der konkreten Umsetzung des EU-Verfassungsvertrages soll begonnen werden, bevor dieser rechtskräftig ist. Dies steht in völligem Widerspruch zum Prinzip der Rechtsstaatlichkeit, d. h. dem Grundsatz, dass staatliche Organe nur aufgrund geltender Gesetze tätig werden können.

Unmittelbar nach Unterzeichnung des EU-Verfassungsvertrages - also noch lange bevor er in Kraft tritt (2009) wird mit dem Aufbau des "Europäischen Auswärtigen Dienstes" begonnen. Dieser Dienst ist dem Europäischen Außenminister zugeordnet. Dieser wird zu einem mit weitreichenden Vollmachten ausgestatteten EU-Feldmarschall. Er verfügt nicht nur über die Kompetenzen eines Außenministers, sondern ist ebenso zuständig für die "Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik" (Art. I-27). Er ist auch zuständig für die Koordinierung von Militärmissionen (Art. III-210) und hat auch Zugriff auf den Interventionsfonds für Militärmissionen (Art III-215). Die österreichische Neutralität würde obsolet, wenn die österreichischen Auslandsvertretungen dem zukünftigen Wallenstein des EU-Militarismus gegenüber weisungsgebunden sind.

Dieselbe Vorgangsweise findet sich auch bei der "Strukturierten Zusammenarbeit", die (nach Art I-40 Abs. 6.) zur "Ständigen Strukturierten Zusammenarbeit" (SSZ) mutiert wurde. Das Einstimmigkeitsprinzip bei der Einrichtung der SSZ wurde aufgehoben. Der Aufbau der SSZ soll ebenfalls unmittelbar nach Unterzeichnung des Vertrages - lange bevor er rechtswirksam wird - beginnen. Gemäß dem beschlossenen Protokoll kann jeder Mitgliedsstaat teilnehmen, der sich der EU-Rüstungsagentur unterordnet.

Die damit verbundene Absicht ist es, unabhängig vom Ausgang des Ratifizierungsprozesses die "normative Kraft des Faktischen"(Helmut Kohl) wirken zulassen.

3. Doppelherrschaft von EU-Rüstungsagentur und EZB
Was für den europäischen Finanzmarkt die Europäische Zentralbank darstellt, soll für den Rüstungsbereich die EU-Rüstungsagentur werden. Eine demokratisch nicht kontrollierbare Instanz, die über das im Verfassungsvertrag verankerte Aufrüstungsgebot für alle Mitgliedsstaaten wacht. Hier handelt es sich nicht um Absichtserklärungen. Im Protokoll über die SZZ ist detailreich festgelegt, welche Leistungen die Mitgliedsstaaten erbringen müssen:

Sie müssen die "vereinbarten Ziele für die Höhe der Investitionsausgaben für Verteidigungsgüter" erreichen, die "Angleichung ihres Verteidigungsinstrumentariums" betreiben, "konkrete Maßnahmen zur Stärkung der Verfügbarkeit, der Interoperabilität, der Flexibilität und der Verlegefähigkeit ihrer Truppen" treffen. Die Mitgliedsstaaten müssen "gegebenenfalls ihre nationalen Beschlussfassungsverfahren überprüfen." Im Klartext heißt dies: die Bindung von Militärinterventionen an Parlamentsbeschlüsse soll aufgehoben werden.

Über die Einhaltung all dieser Ziele soll die Rüstungsagentur wachen.
Im Artikel 3 des Protokolls zur SSZ heißt es:

"Das Amt (Rüstungsagentur, Anm. Red.) trägt zur regelmäßigen Evaluierung der Beiträge der teilnehmenden Mitgliedsstaaten zu den Fähigkeiten bei, ... und erstattet hierüber mindestens einmal jährlich Bericht ..."

Den blauen Brief gibt`s dann nicht für Defizitsünder, sondern für Aufrüstungsverweigerer.

Bundeskanzler Schüssel mitverantwortlich
Der Vertreter Österreichs im EU-Rat, Bundeskanzler Schüssel, hat all dies mitverhandelt und mitbeschlossen. Die politische Führung unseres Landes will Österreich voll in diese SSZ hineintreiben.

Unmittelbar nach dem Gipfel wurde im Ministerrat die "Willenserklärung zu einer gemeinsamen Aktion zur Gründung der Europäischen Rüstungsagentur" beschlossen. "Österreich wird von Anfang an mit dabei sein", freut sich Verteidigungsminister Platter und sieht darin einen "wichtigen Impuls für die nationale Rüstungsindustrie, wo Österreich künftig noch zusätzlich in der Zulieferindustrie punkten könne." (APA, 22.06.2004)

Bundeskanzler Schüssel muss zurücktreten. Er hat jegliches Vertrauen verspielt.
Die Friedenswerkstatt Linz ruft dazu auf, das Friedensvolksbegehren zu unterstützen. Das Friedensvolksbegehren dient auch dazu, den Druck für die Durchführung einer Volksabstimmung zu entwickeln.

Kontakt: Friedenswerkstatt Linz, Waltherstr. 15b, 4020 Linz, Tel. 0732/771094, Fax 0732/797391, e-mail: office [at] friedensvolksbegehren [dot] at, Web: www.friedensvolksbegehren.at

Volksbegehren

für Friedenspolitik durch aktive Neutralität ...

 
    weil aktive Neutralität Sicherheit bedeutet. Der neutrale Kleinstaat Österreich verzichtet auf den Einsatz oder die Androhung militärischer Gewalt. Wer selbst niemanden bedroht, gerät selbst weniger in die Gefahr bedroht zu werden.
 
 
    weil aktive Neutralität friedliche Konfliktregelung ermöglicht. Jeder Konflikt kann mit friedlichen Mitteln geregelt werden. Dazu braucht es neutraler Konfliktvermittler, die offen für die Interessen und Ängste aller Konfliktparteien sind.
 
 
    weil aktive Neutralität Solidarität mit den weltweiten Opfern von Ausbeutung und Krieg ermöglicht.
 
 
    weil Neutralität entwicklungsoffen und demokratisch ist. Eine neutrale Außen- und Sicherheitspolitik kann ständig den Erfordernissen angepaßt werden. Sie kann beständig einer breiten demokratischen Meinungsbildung unterworfen werden.
 
 
    weil aktive Neutralität Mittel für soziale Sicherheit durch Abrüstung freisetzt.
 
 
    weil aktive Neutralität der einzige wirkliche Schutz vor der Stationierung von Atomwaffen ist.
 
 
    ...statt NATO-Anbindung und Beteiligung an einer EU-Armee...  
    weil diese Truppen für weltweite Kriegseinsätze ausrüsten. Die Teilnahme Österreichs verstrickt uns in militärische Abenteuer.
 
 
    weil Rüstung und Krieg keine Probleme lösen. Die Spirale von Aufrüstung und Einsatz militärischer Gewalt dreht sich immer schneller. Damit kann weder der Terror gestoppt werden, noch können Demokratie, Menschenrechte und soziale Sicherheit durchgesetzt werden.
 
 
    weil NATO und EU-Armee der militärischen Absicherung einer ungerechten Weltwirtschaftsordnung dienen. Wer sich dem Zugriff der Profitinteressen großer Konzerne, wie z. B. beim geplanten GATSAbkommen, entziehen will, soll militärisch zur Räson gebracht werden können.
 
 
    weil Rüstung; Krieg und militärische Bündnislogik eine Sackgasse bilden. Sie erfordern Geheimdiplomatie. Sie sind in ihrem Wesen undemokratisch.
 
 
    weil die enormen Kosten für Profikampftruppen und Kriegsgerät für globale Militärinterventionen (Kampfbomber, Großraumtransporter,...) zu Sozialabbau führen.
 
 
    weil NATO- und EU-Staaten Militärmächte sind, die mit Atom- und anderen Massenvernichtungswaffen die Welt bedrohen.

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Friedensbewegung international
Boris Lechthaler, Koordination Friedensvolksbegehren