Streitfragen

Friedenswinter 2014/15 – ein gescheitertes Experiment

von Martin Singe

Auf der Aktionskonferenz zum Friedenswinter in Frankfurt hatten sich am 14.3.2015 etwa 140 Personen getroffen, um Aktionen auszuwerten und zukünftige zu beraten. Das Treffen war von VertreterInnen der Kooperation für den Frieden und der Montagsmahnwachen vorbereitet worden. Die Gruppen der Kooperation für den Frieden waren auf der Konferenz sehr schwach vertreten. Die durch einfache Mehrheiten per Handaufzeigen im Plenum zustande gekommenen Beschlüsse der Konferenz sind im Aufsatz von Lucas Wirl in diesem FriedensForum dokumentiert. Stimmrecht hatten alle Anwesenden; wer Verantwortung für die Umsetzung von Beschlüssen trägt, ist unklar. Einer der von der Konferenz gefällten Beschlüsse weist in die Zukunft und will auf einer „Friedensversammlung“ Ende Juni/Anfang Juli 2015 über weitere gemeinsame Aktivitäten beraten.

Hier soll kein zusätzlicher Bericht über die Konferenz, sondern ein persönlicher Kommentar erfolgen. Ein Beispiel für den Stand des Experimentes Friedenswinter möchte ich herausgreifen, das die Konferenz - neben der Auseinandersetzung um Monty Schädels (DFG-VK) Interview in der taz vom 13.3. - emotional prägte. Monty Schädel wurde auf der Konferenz wegen seiner im Interview geäußerten Aussagen über ein Scheitern des Versuches Friedenswinter hart gerügt. Im Nachhinein hatte Ken Jebsen, der auch für das Montagsmahnwache-Spektrum steht, ihn sogar als von der NATO gekauften „Feind“ der Friedensbewegung diffamiert, woraufhin es eine eindeutige Solidarisierung mit Monty Schädel vonseiten der Kooperation für den Frieden durch deren SprecherInnen-Gruppe gab. Die DFG-VK ist am 19.3. aus dem Friedenswinter ausgestiegen.

Das nicht behobene Grundproblem einer Kooperation mit dem Montagsmahnwachen-Spektrum ist indessen – trotz verbaler Erklärungen – in der Praxis nicht vorgenommenen worden und inhaltlich wohl auch nicht in der gewollten klaren Abgrenzung nach „Rechts“. Symptomatisch dafür war beispielsweise der Versuch der Wiedereinsetzung einer vom Vorbereitungsteam der Konferenz abgesetzten Moderatorin. Katrin McClean, Vertreterin der „Montagsmahnwache“ Hamburg, war als Moderatorin einer AG vorgesehen. Am 28.2.2015 war sie bei einer Kundgebung in Berlin als Rednerin aufgetreten, bei der Jürgen Elsässer eine zentrale Rede gehalten hat. Die „Montagsmahnwachen“ hatten sich zumindest formal/verbal von Jürgen Elsässer getrennt. Dieser plädiert offen für ein bündnispolitisches Zusammengehen von Friedensbewegung und PEGIDA. Dass Katrin McClean dennoch auf einer solchen Kundgebung spricht und von den „Montagsmahnwachen“ der Aktionskonferenz als Moderatorin angedient wird, bedeutet – unabhängig vom Inhalt ihrer Rede - einen eindeutigen Bruch der Abgrenzungsvereinbarung. Hinzu kommt, dass auf der Kundgebung am 28.2.2015 zumindest ein volksverhetzender Beitrag gehalten wurde: ein Redner wünschte sich, dass Gauck, Merkel und Co. durch ein Spalier spuckender Menschen gezogen würden. Und dann würde er (der Redner) sich die Hände nicht schmutzig machen, sondern diese dem Mob überlassen: es seien genug Bäume da und wir bräuchten Weihnachtsdekoration. – Niemand stellt das Mikro ab, niemand widerspricht. Stattdessen zustimmendes Gejohle im Publikum, das Deutschland- und Russlandfahnen schwenkt.

Ein Großteil der Aktionskonferenz wollte Katrin McClean als Moderatorin auf der Konferenz trotz ihrer Absetzung durch die Konferenzleitung wegen dieses Eklats wieder einsetzen, was nur durch die Rücknahme dieses Antrages im letzten Moment verhindert wurde. Katrin McClean selbst sah, so verstand ich ihren Redebeitrag während der Konferenz, offensichtlich kein Problem in ihrem Auftritt bei der erwähnten Demonstration. Im Saal herrschte nach meinem Eindruck keine mehrheitliche Stimmung für eine klare Abgrenzung der „Montagsmahnwachen“ gegenüber „Rechts“. Eher wurden Kooperationen verharmlost oder als Einzelfälle hingestellt.

Die Friedensbewegung hat im politischen Zusammengehen mit den „Montagsmahnwachen“ Schaden erlitten, den es jetzt zu begrenzen gilt. VeranstalterInnen der Ostermärsche oder auch der Demonstrationen gegen die Münchener Sicherheitskonferenz haben sich vereinnahmt gefühlt, indem ihre unabhängig vorbereiteten Aktionen unter die Kampagne „Friedenswinter“ subsumiert wurden. Dies habe nach etlichen Aussagen zu mehr Problemen, nicht zu größerer Mobilisierung beigetragen. Hinzu kommen inzwischen noch Vermischungen der Montagsmahnwachen mit der sog. Endgame-Bewegung. Immer wieder wird von Seiten der „Friedenswinter“-BefürworterInnen davon gesprochen, dass man die „suchenden Menschen“ nicht PEGIDA überlassen dürfe. Soll sich die Friedensbewegung ausgerechnet diejenigen als Zielgruppe aussuchen, die mit unseren friedenspolitischen Zielen klar entgegen gesetzten und rassistischen Parolen auf die Straße gehen?

Antifaschismus muss eine Grundlage der Friedensbewegung bleiben. Eine klare Abgrenzung gegen alle politischen Kräfte, die sich in dieser Hinsicht nicht eindeutig positionieren und verhalten, ist dringend vonnöten. Dies macht aus meiner Sicht aktuell zumindest auf Bundesebene eine politische Distanzierung von dem Zusammenschluss der Montagsmahnwachen erforderlich und schließt die weitere Kooperation mit diesen in einer irgendwie gearteten Fortsetzung des Modells Friedenswinter aus. An der für Juni/Juli geplanten bundesweiten „Friedensversammlung“ sollte sich die Kooperation für den Frieden nicht beteiligen. Wenn örtliche Gruppen mit sich den Montagsmahnwachen zurechnenden Gruppen oder Menschen aufgrund einzelner guter Erfahrungen heraus kooperieren, bleibt das natürlich deren Entscheidung. Die Friedensbewegung sollte sich in ihren politischen Kooperationen auf ihre verlässlichen und bewährten Strukturen (Bonn und Kassel!), Organisationen und Gruppen besinnen, in diesen Kontexten Aktionen beraten und beschließen sowie dort um neue Aktive werben, wo die Positionen klar sind, aber aktuell der Ruck zum Engagement fehlt.

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Martin Singe ist Redakteur des FriedensForums und aktiv im Sprecher*innenteam der Kampagne "Büchel ist überall! atomwaffenfrei.jetzt".