Ein Überblick über Akteure, In­strumente, Möglichkeiten und Probleme

Friedliche Konfliktbearbeitung im internationalen System

von Rexane Dehdashti
Schwerpunkt
Schwerpunkt

Friedliche Konfliktbearbeitung bzw. -vermittlung bezeichnet ganz allgemein die nichtmilitäri­sche Einflussnahme dritter Parteien in einen Konflikt mit dem Ziel, ihn zu regeln. Dabei ist das Wort Vermittlung ein Überbegriff für ein breites Handlungsspektrum staatli­cher und nichtstaatlicher Aktivitäten. Der Begriff umfasst so unterschiedliche Tätigkeiten wie Gute Dienste, Stille Diplomatie, Schiedsgerichtsbarkeit (1) und verschiedene Formen von Verhand­lungen zwischen den Konfliktparteien, wobei die sogenannte dritte Partei unter­schiedliche Rollen übernehmen kann. Sie kann sich darauf beschränken, die Kommunika­tion zwischen den Parteien zu vereinfachen, indem sie versucht, deren jeweilige Positio­nen, Interessen und Ängste wertfrei zu vermitteln, oder zusätzliche Informationen von außen einzubringen und ei­genständig Vorschläge zu einer Konfliktregelung vorzulegen. Sie kann die Parteien in konstruk­tiven Verhandlungstechniken unterrichten oder Lernprozesse über die eigene und die gegneri­sche Seite sowie die jeweiligen Konfliktwahrnehmungen initiie­ren oder auch operative Zwangsmaßnahmen sowie klassische Mittel der Beeinflus­sung in den Bereichen Politik und Ökonomie einsetzen. Die verschiedenen Handlungsmöglichkei­ten vermischen sich in vielen Fällen.

In Bezug auf die jeweiligen Vermittler läßt sich zwischen der staatlich-diplomatischen und der nicht-gouvernementalen Vermitt­lungsebene unter­scheiden. In der internatio­nalen Politik vermitteln traditionell staatliche Akteure wie Einzelstaaten, internationale und regionale Organisationen. In den letzten Jahren intervenierten jedoch auch zuneh­mend gesellschaftliche Akteure in gewalt­sam ausgetragenen Konflikten. Hierzu zäh­len ein­flußreiche Privatpersonen und eine Vielzahl von Nichtregierungs­organisationen wie hu­manitäre Hilfs­organisationen, akade­mische Institutionen und große transnatio­nale Orga­nisationen wie das Internationale Rote Kreuz oder die Kirchen. Im Folgenden wird ein akteursbezogener Überblick über die Einflussmöglichkeiten, Methoden, Res­sourcen und Grenzen ver­schiedener Ver­mittler im internationalen Sy­stem gegeben.

Einzelstaaten

Die Möglichkeiten und Probleme einzel­staatlicher Vermittler sind stark abhängig da­von, auf wieviel Einfluss und welche Ressour­cen sie jeweils zurückgreifen kön­nen.
Großmächte gehören in der internationalen Politik zu den einflussreichsten und ressour­censtärksten Vermittlern.

Während des Ost-West-Konflikts engagier­ten sich die beiden Supermächte USA und So­wjetunion vor allem dann, wenn wichtige Inter­essen auf dem Spiel standen. Dies war zum Beispiel dann der Fall, wenn ein Kon­flikt zwischen Mitglie­dern des eigenen Bündnisses dessen Stabi­lität gefähr­dete oder wenn sich durch die Konfliktver­mittlung die Möglichkeit bot, den eigenen Einfluss in der Region zu stärken. (2) Das Engagement von Großmächten in Kon­flikten ist also in der Regel stark interessenabhän­gig. Oft vermitteln sie im Hinblick auf ein be­stimmtes Verhandlungs­ziel und stellen damit das Ge­genteil des ide­altypischen neutralen Ver­mittlers dar.

Während des Kalten Krieges waren die Ver­mittlungsaktivitäten der USA und der So­wjetunion dann am erfolgreichsten, wenn eine "partielle Interessenidentität" ein still­schweigendes Tolerieren der gegenseitigen Vermittlungsaktivitäten zur Folge hatte. (3)

Viele dieser Faktoren für die Vermittlungstä­tigkeit von Großmächten treffen auch nach dem Kalten Krieg noch zu. So kommt eine Untersuchung des Konfliktes in Bos­nien-Herzegowina zu dem Ergebnis, daß die ge­gensätzlichen Strategien der USA und Russlands die internationalen Ver­mit­tlungs­tätig­keiten dort lange blockier­ten. Während die USA danach strebten, die bosnischen Ser­ben durch die Aufhebung des Waffenem­bargos gegenüber der bosni­schen Regie­rung unter Druck zu setzen, bemühte sich Russland, seine serbischen Bündnispartner zu unter­stützen. Die Gefahr einer direkten Konfron­tation zwischen den beiden Groß­mächten begrenzte somit, ähn­lich wie zu den Zeiten des Ost-West-Kon­fliktes, die Spielräume der Vermittler. (4)

Die Supermächte waren selten präventiv ak­tiv; meist vermitteln sie erst, wenn ein Kon­flikt schon gewaltsam eskaliert ist. Bei be­reits gewaltsam ausgetragenen zwi­schenstaatlichen Konflikten scheint jedoch die Intervention ressourcenstarker Vermitt­ler, die den Verlauf und Inhalt der Ver­handlungen stark beeinflussen, erfolgver­sprechender zu sein als die neutraler, dafür aber ressourcenschwacher Vermittler. (5) Demnach vertreten einige Forscher die These, daß bei internationalen Kriegen nur ein geschicktes Einsetzen von "sticks and carrots" - umgangssprachlich auch mit "Zuckerbrot und Peitsche" zu übersetzen - durch Großmächte ein erfolgreiches Kon­fliktmanagement möglich mache. (6) Als "sticks" lassen sich alle Mittel bezeichnen, durch welche die Vermittler die Kosten für die gewaltsame Durchsetzung der Interes­sen für die jeweiligen Konfliktparteien erhö­hen können, wie z.B. das Streichen von Entwick­lungshilfe, Investitionen, Krediten und Waf­fenlieferungen sowie die Verhän­gung von Sanktionen. (7) "Carrots" hinge­gen stellen ge­zielt eingesetzte positive An­reize für eine Konfliktregelung dar, wie Aufbauhilfen, Kre­dite, Investitionsmaßnahmen, militärische Sicherheitsgarantien, politische Anerkennung und ähnliches.

Auch in der Schlussphase von Verhandlun­gen, namentlich bei der Aushandlung von konkreten Ergebnissen, können Groß­mächte eine dauerhafte Konfliktregelung positiv be­einflussen. Sie können weitrei­chende politi­sche und militärische Sicher­heitsgarantien geben oder mit Hilfe ihrer materiellen und politischen Mittel umstrit­tene Ressourcen von außen so vermehren, daß gegensätzliche Interessen der Konflikt­parteien überbrückt werden können. (8) Beispielsweise bewegten die USA Ägypten und Israel durch massive ökonomische und militärische Hilfsangebote zu Konzessionen in Camp David.

Die Rolle kleiner Staaten in Vermittlungs­prozessen unterscheidet sich grundlegend von Großmächten. Kleinere Staaten werden häufig als vertrauenswürdiger angesehen als Großmächte. Sie scheinen insbesondere dann als Vermittler geeignet zu sein, wenn der Konflikt einen hohen Grad an Asymme­trie in den Machtbeziehungen aufzeigt. We­gen ihrer vergleichbaren Situation scheint die schwä­chere Seite eher geneigt, dem Vermittler Vertrauen zu schenken. Gleich­zeitig sieht die überlegene Macht in der dritten Partei keine Bedrohung. Kleine Staaten verfügen nicht über "sticks and car­rots", deshalb scheinen ihre Stärken als Vermittler vor allem in der End­phase eines Kon­fliktes zu liegen, wenn die Konfliktpar­teien bereits ein Interesse an Verhandlun­gen sig­nalisieren und selbst auf potentielle dritte Parteien zugehen. (9) Bei ihrer Ver­mittlung greifen sie überwiegend auf die Mittel der Stillen Diplomatie und der Guten Dienste zu­rück, Aktivitäten, die sich vorwie­gend in in­formellen politischen Berei­chen abspielen. Hierzu zählen das Übermit­teln von Informa­tionen zwischen den Kon­fliktparteien, das Schaffen von Vorausset­zungen für direkte Gespräche, z.B. durch die Übernahme von Reisekosten und Sicher­heitsgarantien für die Verhandlungs­führer, das Bereitstellen eines geeigneten Verhand­lungsortes oder die logistische Pla­nung eines Treffens.

Regionale Organisationen

Nach dem Ende des Ost-West Konfliktes wurde angesichts einer inhaltlich und finan­ziell überlasteten UNO vielfach eine stärkere Regionalisierung von Konfliktbearbei­tungskapazitäten gefordert. Regionale Ein­richtungen im Sinne von Arti­kel 52 der UN-Charta gibt es nur wenige. Die Organisation für Afrikanische Einheit (OAU), die Organi­sation Amerikanischer Staaten (OAS) und die Arabische Liga sind als solche aner­kannt. 1992 erklärte sich au­ßerdem die da­malige Konferenz für Sicher­heit und Zu­sammenarbeit in Europa, die heutige Orga­nisation für Sicherheit und Zu­sammenarbeit in Europa (OSZE) zu einer regionalen Ab­machung. (vgl. Artikel von O. Mietzsch) Da­neben gibt es aber eine große Anzahl sub­regionaler Orga­nisationen, wie die Europäi­sche Union (EU), die Gemein­schaft Unab­hängiger Staaten (GUS), und Organisatio­nen mit einem Fo­kus auf spezifi­sche wirt­schafts- oder sicherheitspoliti­sche Aufga­ben, wie die Economic Commu­nity of West African Sta­tes (ECOWAS), die Asso­ciation of South­east Asian Nations (ASEAN) oder der Golfkooperationsrat.

Tatsächlich spricht vieles dafür, daß regio­nale Organisationen erste Regel­ungs­instanz bei vielen Konflikten sein können. Ihre Mit­glieds­staaten leiden am meisten unter regio­nalen In­sta­bi­li­tä­ten; sie haben mit den viel­fältigen politischen, sozialen und ökonomi­schen Problemen fertigzuwerden, die Kriege in der Nachbarschaft mit sich bringen. Ihnen wird oft auch deshalb eine besondere Eig­nung als Vermittler zugesprochen, weil sie mit den regionalen und kulturellen Beson­derheiten besser vertraut sind als Außenste­hende. So haben ihre Politiker oft schon Kontakte zu führenden Persönlichkeiten der Konfliktparteien, was die Ausgangsbedin­gungen für eine Konfliktbearbeitung durch Re­gional­organisationen verbessern kann. (10)

Regionale Organisationen können einige Er­folge bei der Konfliktregelung aufzeigen. Die OAS bemüht sich seit Ende der achtziger Jahre verstärkt um Demilitarisierung und Demokratisierung. Mit am erfolgreichsten agierte sie in Guatemala, wo 1993 die Ver­fassung durch einen Staatsstreich außer Kraft gesetzt wurde. Die OAS unterstützte darauf­hin die interne Opposition und damit eine Entwicklung, die zur Wahl des ehema­ligen Menschenrechtsbeauftragten Ramiro de León Carpio zum neuen Präsidenten führte. (11) Die Arabische Liga förderte mit ihrem Engagement im Libanon-Konflikt das Zu­standekommen des Taif-Plans von 1991. Die OSZE kann bislang einige begrenzte Erfolge bei der Deeskalation örtlicher Kon­flikte in Osteuropa, im Baltikum und im Transkauka­sus aufweisen. (12)

Die Liste der Misserfolge regionaler Organi­sationen beim Konfliktmanagement ist je­doch ungleich größer. So spielte die Arabi­sche Liga weder bei der Beendigung der bei­den Golfkriege noch bei der Regelung des Nahostkonflikts eine Rolle. Die OAS verhielt sich sehr zurückhaltend beim Staatsstreich des peruanischen Präsidenten Fujimori, und die OAU präsentierte sich bis­her eher als ein "'Club der Staatschefs ohne Legitimation" (13) denn als Organisa­tion mit ernstzuneh­menden Konfliktrege­lungs­me­chanis­men. Die bisherigen Konflikt­regel­ungs­bemühungen der EU in Jugosla­wien zeichnen sich bislang ebenfalls durch ihr Misslingen aus.

Es gibt eine Reihe von strukturellen Schwä­chen, die die Konfliktregelungsfähigkeiten vieler Regionalorganisationen behindern. Bei den meisten regionalen Organisationen han­delt es sich weniger um korporative Einhei­ten mit gemeinsamem institutionellen Über­bau als um lockere Zusammen­schlüsse von Einzelstaaten, die oft ausge­prägte Partikula­rinteressen in Bezug auf be­nach­barte Kon­flikte haben. Die zum Teil er­heblichen Machtungleichgewichte innerhalb der Orga­nisationen werden von Regional­mächten häufig instrumentalisiert, um über die Organisation ihre jeweiligen Inter­essen zu verfolgen. Das vielleicht offensicht­lichste Beispiel hierfür ist gegenwärtig die Rolle Russlands in der GUS. Jedoch auch die OAS ist insgesamt recht anfällig für das Hegemo­nialstreben der USA. In Bezug auf die Inter­vention der ECOWAS in Liberia be­nutzte Nigeria beispielsweise seine Vor­machtrolle in der ECOMOG (ECOWAS Mo­nitoring Group), um eigene Interessen gegen die Elfenbeinküste zu verfolgen. (14) Ein sol­ches Vorgehen bietet sich an, wenn Einzel­staaten eigene Interventionen ge­schickt verdecken wollen. Zudem verteilt dieser Zu­gang zu ei­nem Konflikt die materi­ellen Res­sourcen auf alle Mitgliedstaaten und be­grenzt im Falle eines Misserfolgs den eige­nen Prestigeverlust.

Der dem Konfliktmanagement so abträgli­che Mangel an gemeinsamen Institutionen hat seine Ursache auch in der fehlenden politi­schen Legitimität der meisten politi­schen Führungen und der sozialen Misere vieler Dritte-Welt-Staaten. Das vorrangige Inter­esse der Eliten an ihrer Herrschaftssi­cherung führt dazu, daß in fast keinem poli­tischen Be­reich zugunsten supranationaler Institutionen auf Souveränität verzichtet wird. (15) Dagegen wird das Interventions­verbot in innerstaatli­che Angelegenheiten mit Blick auf die Insta­bilität des eigenen Re­gimes stark betont. Daraus folgt häufig eine Selbstblockade der Regionalorganisationen in Bezug auf die Be­arbeitung innerstaatli­cher Konflikte. (16)

Ein Haupthindernis für effektives Konflikt­management ist auch der Mangel an finan­ziellen und logistischen Ressourcen. Chro­nisch leere Kassen bedeuten, daß keine Möglichkeit besteht, Sanktionen durch­zu­set­zen oder ökonomische Anreize für eine Kon­fliktregelung anzubieten.

Und schließlich führt die Konkurrenz zu au­ßerregionalen "Anbietern von Sicherheit" wie den USA dazu, daß viele Staaten der Dritten Welt ihr Sicherheitsbedürfnis eher durch bi­laterale Vereinbarungen und Militärallianzen mit den Großmächten zu befriedigen versu­chen als durch Vertrauensbildung und den Ausbau des regionalen Konfliktregelungs­in­stru­men­tariums. (17)

Die Entscheidung einer Regionalorganisa­tion zu intervenieren ist abhängig von der Summe der einzelstaatlichen Interessen. Oft führen fehlender politischer Konsens und mangelnde Ressourcen dazu, daß Konflikt­vermittlung extrem selektiv betrieben wird. Zudem findet diese häufig weniger durch die Organisation als innerhalb der Organi­sation statt. Beispielsweise nutzen einzelne Staats­führer die regulären Zusammenkünfte für Gespräche und Ausübung von Druck zur Streitbeilegung. (18) Dabei scheinen die Chancen einer Regelung bei zwischen­staatli­chen Konflikten besser zu sein als bei inner­staatlichen Konflikten.

Auf­grund der gerin­gen Ressourcen­ka­pa­zi­tä­ten sind Interventio­nen regionaler Or­ga­ni­sa­tio­nen dann am aus­sichts­reichsten, wenn sie ihre Arbeit auf das Ver­trauen der Kon­flikt­parteien und nicht auf ihre Sanktions­mit­tel gründen. Daraus folgt, daß sie sich ver­mehrt in einer Frühphase des Konfliktes ein­schal­ten sollten, wenn die Spielräume prä­ven­tiver Diplomatie noch am größten sind. (19) Auch eine größere Rolle bei der Nor­men­bildung friedlicher Konflikt­regelung wäre zu begrüßen. (20) Dies impli­ziert zum einen, daß die Regionalorganisa­tionen ihre Me­cha­nis­men und Institutionen für die fried­liche Konfliktbearbeitung wei­terentwickeln. Zum anderen sollten die Or­ganisationen da­rauf hinwirken, daß ihre Mit­gliedsstaaten diese Verfahren in ihren Bezie­hungen un­ter­ein­ander auch tatsäch­lich an­wenden und die ihnen zugrundelie­genden pluralistischen Normen auch in innerstaatli­chen Bereichen res­pek­tiert wer­den.

Die Vereinten Nationen

Viele Faktoren, welche die Konfliktrege­lungs­kapazitäten regionaler Organisationen be­stim­men - so der chronische Res­sourcen­mangel und die Problematik unter­schied­li­cher Partikularinteressen - , tref­fen auch für die Vereinten Nationen zu. Aller­dings verfü­gen letztere über mehr Er­fahrung und als le­gitime Vertreterin der ge­samten Staatenwelt auch über mehr Ge­wicht bei der Konfliktre­gelung als die mei­sten Regionalorganisatio­nen. Gleichzeitig erge­ben sich durch die Vor­rechte des Si­cherheitsrates Ähnlichkeiten zu Vermitt­lungsaktivitäten von Großmächten. Dies ist der Fall, wenn bei einzelnen Sicher­heitsratsmitgliedern ein vitales Interesse an einer Konfliktregelung besteht. Gibt es kei­nen Widerstand seitens der anderen Rats­mitglieder, können diese ihre Intervention durch die UNO kanalisieren. Dies ist im zweiten Golfkrieg geschehen, als die USA und ihre Verbündeten sich zwar auf die Re­solutionen des Sicherheitsrates bezogen, der UNO aber jede politische und militäri­sche Mitsprache bei der Intervention im Irak ver­weigerten.

Der UNO und anderen multilateralen Foren gemeinsam ist die Problematik komplexer Entscheidungsfindungsprozesse. Die Not­wendigkeit ständiger Rücksprachen und Ab­stimmungen mit ihren Mitgliedern hindert die Organisation daran, dynamisch und flexi­bel auf veränderte Situationen zu reagie­ren und kann auch zu einer widersprüchli­chen Politik führen. Dies wurde nicht zuletzt am Beispiel des Vance-Owen-Plans für Bos­ni­en-Herzegowina vom Januar 1993 deut­lich. Während die beauftragten Ver­hand­lungs­füh­rer die Kriegsparteien noch zur An­nah­me des Planes drängten, signali­sierten die USA, daß sie den Plan nicht un­ter­stützten. (21)

Mit dem Ende der Blockkonfrontation ver­banden sich weitreichende Erwartungen mit einer starken Rolle der UNO bei der Konflikt­regel­ung. Diese haben sich nur zum Teil er­fül­lt. So hat sich die Anzahl ihrer Peace-keeping-Missionen im Vergleich zur Zeit des Kalten Krieges vervielfacht. Die UNO konnte auch einige Erfolge z.B. bei den Verhand­lungen zur Beendigung des Iran-Irak-Krieges, beim Rückzug der sowje­tischen Truppen aus Afghanistan oder der Be­endigung des Bürgerkrieges in El Salva­dor aufweisen. Doch diese waren in der Re­gel durch die mi­litärische und wirtschaftliche Er­schöpfung der Kriegsparteien und die aus­laufende Un­terstützung ihrer externen Part­ner, meistens einer der beiden Super­mächte, vorbereitet worden. (22) Überwie­gend erfolglos und so­gar manipulierbar er­wies sich die UNO im Jugoslawien-Konflikt.

Ein ständig wiederkehrendes Problem ist die Knappheit an Ressourcen. Zu häufig ge­rät aus dem Blickfeld, daß die Organisation als solche über keinerlei ökonomische und poli­tische Ressourcen verfügt. Die man­gelnde Bereitschaft ihrer Mitglieder, ihr für ihre ständig zunehmenden Aufgaben genü­gend Mittel und Instrumente zur Verfügung zu stellen, schmälert die Erfolgsaussich­ten bei einer Vermittlung beträchtlich. Zusam­men mit den divergierenden Interes­sen der Mitglieder führt dies dazu, daß Vermittlungsanstrengungen selektiv an den Tag ge­legt und keine kohärenten Kriterien für In­terventionen entwickelt werden.

Insgesamt haben die neueren Erfahrungen gezeigt, daß die Vereinten Nationen auf den Höhepunkt militärischer Konfliktaustragung eher wenig zur Konfliktregelung beitragen können: Sie können mittels Stiller Diploma­tie, der Unterstützung alternativer Informati­onsquellen und NGOs vor Ort versuchen, mehr Transparenz und ein besseres Ver­ständnis der gegensätzlichen Positionen unter den Konfliktparteien zu bewirken oder Ideen zur Kompromissfindung unter den Parteien verbreiten. Militärische Maßnah­men zur Friedenserzwingung haben sich je­doch auch bei der UNO als schwer zu handhabende und ambivalente Instrumente erwiesen. Insofern ist zu befürchten, daß die aktuelle Debatte um ein "robustes Peace-keeping" langfristig nicht zu mehr Frieden führen, sondern eher einer stärkeren Milita­risierung internationa­ler Politik Vorschub lei­stet wird.

Die Chancen und Stärken der UNO liegen dagegen im Vorfeld der gewaltsamen Eskala­tion oder aber in der Endphase eines Krieges, bei den Friedensverhandlungen und bei der Friedenskonsolidierung (Peace-buil­ding) nach einem Friedensvertrag. So kann sie mittels präventiver Diplomatie oder dem Ausbau und Schutz von Minderhei­tenschutzregimen einen Beitrag zur Vorbeu­gung gewaltsamer Konflikte lei­sten.

Um die Präventionskapazitäten des Sek­re­ta­ri­ats zu stärken, hat der Generalse­kretär z.B. die Abteilung für politische An­gelegen­heit­en neu organisiert. So wurden kleinere Ein­hei­ten geschaffen, in denen stärker als früher inhaltliche und regionale Expertisen mitein­ander verknüpft sind, um gefährliche politi­sche Entwicklungen und mögliche Präventionsstrategien besser ein­schätzen zu können. Auch gibt es seit kur­zem Aus­bildungs­pro­gramme für UN-Be­dienstete in präventiver Diplomatie und Konflikt­manage­ment.

Besteht bereits grundsätzliche Bereitschaft zu einer Konfliktbeilegung, können die UN ein Forum für Gespräche und Verhandlun­gen anbieten und als neutrale Partei die Ver­handlungsgespräche begleiten. Vielfältige Maßnahmen bieten sich zur Friedenskonso­lidierung an angefangen von UN-Beobach­tern bei der Im­plemen­tier­ung der Vereinba­rungen und der Durchführung von Wahlen, bis hin zur För­derung entwicklungspoliti­scher Projekte und praktischer Hilfe beim Aufbau demo­kra­tisch­er Institutionen. Die Vereinten Nationen haben auch bei Nationalitätenkon­flikten eine Reihe solcher Maßnahmen er­griffen. So rief das UNDP (United Nations Development Programme) das "Nicosia Master Plan"-Projekt zum Wie­deraufbau der Haupt­stadt Zyperns ins Le­ben, die UNESCO (United Nations Educa­tional, Scientific and Cultural Organization) sponserte 1990 eine Kon­ferenz über Frie­denskonsolidierung und Ent­wicklung im Li­banon (23), während der UNHCR (United Nations High Com­mis­sion­er for Refugees) eine Vielzahl von Aktivitäten zur Betreuung und Rückführung von Bürger­kriegs­flüchtlingen entfaltete.

Probleme staatlicher Akteure
bei der Rege­lung von Nationalitäten­konflikten

Das Ende des Systemantagonismus hat der Welt nicht weniger, sondern andere Kriege gebracht. An die Stelle von zwischenstaatli­chen Kriegen traten gewaltsame Auseinan­der­setzung­en, in denen sich häufig inner- und zwischenstaatliche Konfliktelemente ver­mi­schen. Das Streben einzelner Be­völ­ker­ungs­gruppen nach mehr Mitbe­stim­mung, Macht und Autonomie innerhalb ei­nes Staates ver­bindet sich zunehmend mit der in den inter­nationalen Bereich überge­henden Forderung nach Selbstbestimmung und Sezession. (24)

Allen staatlichen Akteuren gemeinsam sind Schwächen im Umgang mit dieser Art von Konflikten, die zudem durch das völker­rechtliche Interventionsverbot vor äußeren Eingriffen geschützt sind. Probleme erge­ben sich hierbei aus zwei entgegengesetz­ten Fak­toren: Das Bestreben, einem äuße­ren Ein­greifen in eigene Angelegenheiten vorzubeu­gen, führt oft dazu, daß staatliche Akteure von Vermittlungsinitiativen in Bür­gerkriegen Abstand nehmen. Umgekehrt birgt gerade die Möglichkeit der interessenorientierten Intervention in benachbarte Staaten die Ge­fahr der Trilateralisierung von Konflikten. Gerade ethnosoziale Protestbe­wegungen su­chen sich häufig externe Ver­bündete, meist in Gestalt eines "ethnisch verwandten" Nach­barstaates ("host-neigh­bour"), um ihre Ziele durchzusetzen. (25) So ergreift die Republik Armenien im Berg-Ka­rabach-Konflikt aktiv Partei für die armeni­sche Minderheit im Aserbaidschan. Für die ungarische Minder­heit im rumänischen Sie­benbürgen stellt das benachbarte Ungarn eine Art Schutzmacht dar. Eine ähnliche Rolle spielt Russland im Konflikt zwischen den russischen Minderheiten und den Re­gierungen in Lettland und Estland.

Die Involvierung eines Nachbarstaates er­schwert eine Verhandlungslösung, weil die zwischenstaatlichen Beziehungen und die damit verknüpften Interessen und Strate­gien bald den ursprünglichen Konflikt über­lagern und verstärken.

In Bezug auf das völkerrechtliche Interventi­onsverbot geht der Trend in den letzten Jah­ren zwar in Richtung eines etwas fle­xibleren und durch­läs­sigeren Ver­ständnis­ses von staatlicher Souveränität, jedoch sind staatli­che Akteure im Hinblick auf das Verhand­lungsergebnis eine gewissermaßen voreinge­nommene dritte Partei. Strukturell bedingt unterstützen sie eine Regelung in­nerhalb des bestehenden staatlichen Sy­stems und stehen damit z.B. bei Sezessi­onskonflikten tendenzi­ell auf Seiten der staatlichen Partei. (26)

Vermittlungsaktivitäten auf der staatlich-di­plo­matischen Ebene sind im Bereich des "Pe­ace-making" anzusiedeln, da sie sich in erster Linie mit konkreten, den militärischen Kon­fliktaustrag beendenden Regelungen und dem Abschluß von Friedensverträgen befas­sen. Die Vermittlungsaktivitäten konzentrie­ren sich dabei auf institutionelle Reformen wie die Förderung allgemeiner politischer Beteiligungsrechte, die Auf­nahme kollektiver Minderheitenrechte und Antidiskriminie­rungsklauseln in Verfassun­gen, die Einrich­tung von Beratungsgreme­nien für Minderhei­tenbelange, die Errich­tung föderalistischer Strukturen und territo­rialer bzw. nichtterritorialer Autonomien. (27)

Nachrangig sind dagegen langfristige so­ziale und gesellschaftliche Konzepte für die Nach­kriegsgesellschaften. Dies entspricht der gän­gigen Praxis staatlicher Institutionen, erst un­ter starkem Krisendruck aktiv zu werden, und es ist auch in den Ver­hand­lungs­strukturen an­gelegt: Staatliche Ver­mit­tler verhandeln eben mit staatlichen Re­präsen­tanten bzw. Vertretern kämpfender Grup­pen. Gesell­schaftliche Akteure, die ja ge­rade bei inner­staatlichen Konflikten eine wichtige Rolle spielen, bleiben meist außen vor.

Nichtregierungsorganisationen (NGOs)

Unter NGOs (Non-governmental Organizat­ions) versteht man die weltweit etwa 50.000 Organ­isationen, die unabhängig von sta­at­lich­en Strukturen in vielen sozialen, öko­nomisch­en und politischen Bereichen ar­beiten. In den letzten Jahren befassen sich nicht­sta­atliche Organisationen auch ver­mehrt mit ziviler Konfliktbearbeitung auf gesell­schaftlicher Ebene und Friedens­konsolidie­rung.

Ihre Bandbreite reicht von kirchlichen Ver­mit­tlern in kriegerischen Konflikten, wie in El Salvador oder Mozambique, über Organi­sationen wie International Alert und die Hel­sinki Citizens Assembly (HCA), die ihren Schwer­punkt auf Konfliktbearbeitung set­zen, akademische Institutionen wie die US-ameri­kanische Stanford University und das Berli­ner Berghof Forschungszentrum, die prakti­sche Vemittlungstätigkeiten gleich­zeitig wis­senschaftlich auswerten, bis hin zu den Akti­vitäten internationaler und lokaler Friedens­gruppen. Und schließlich sind bei dieser Auf­zählung auch die unzähligen NGOs zu nen­nen, die durch ihr Engage­ment für Menschenrechtsschutz, demokra­tische Transpa­renz und Mitbestimmung lang­fristig zur poli­tischen Bewusstseinsbildung und zum Wandel konfliktträchtiger Gesel­lschafts­strukturen beitragen.

Zwar sind NGOs auch in einigen zwischen­sta­atlichen Kriegen aktiv, doch der Schwer­punkt ihrer Tätigkeit liegt bei internen Span­nungs­feldern oder solchen, bei denen sich - wie im Nahost- oder Karabach-Konflikt - zwischen- und innerstaatliche Elemente ver­mischen.

NGOs gehen naturgemäß anders vor als staatliche Akteure, da sie über keinerlei Sanktionsinstrumente und oft nur über sehr schwache Anreizmittel verfügen. Sie haben auch nur einen begrenzten Zugang zur politi­schen Führungselite. Im gesellschaftli­chen Bereich dagegen verfügen sie gegen­über staatlichen Vermittlern über einige Vorteile. Viele NGOs sind ständig vor Ort präsent und haben dadurch gute lo­kale Kenntnisse. Einige transnationale Or­ganisationen, wie z.B. die Kirchen oder das Internationale Komitee des Roten Kreuzes, verfügen über ein hohes Maß an morali­schem Ansehen, das ih­nen das Vertrauen der Konfliktparteien si­chert. Durch ihre lo­kalen Repräsentanten können sie auf eine eigene Informations­struktur zurückgreifen und oft persönliche und informelle Kontakte zu den Konfliktpar­teien nutzen. In einigen Fällen konnte dies schon dazu genutzt wer­den, um einen Ver­mittlungsprozess zu initiie­ren. Ein Beispiel hierfür ist Vermittlungstä­tigkeit der katholi­schen Kirche im Bürger­krieg in El Salvador 1981-1991.

Durch ihre internationalen Vernetzungen können gerade transnationale Akteure politi­sche, logistische und finanzielle Unterstüt­zung für ihre Aktivitäten gewinnen und, wenn nötig, weitere Akteure miteinbeziehen. Ist ein Verhandlungsprozess erst einmal in Gang ge­setzt, werden die Initiatoren nicht selten von staatlichen Vermittlern abgelöst. (28)

Insgesamt stehen aber bei NGOs weniger "Peace-making" und Krisenmanagement als das "Peace-building" im Vordergrund, auch wenn einzelne Aktivitäten, wie z.B. die Er­stellung von "fact-finding"-Berichten, huma­nitäre Un­terstützung und Flüchtlingshilfe durchaus in den ersten Bereich fallen. (29)

Anders als zwischenstaatliche Konflikte, bei denen meist die politischen Führungsgrup­pen die eigentlichen Konfliktpartien darstel­len, reichen innerstaatliche Konflikte oft tief in gesellschaftliche und soziale Strukturen hin­ein. In der Regel werden praktisch alle Indi­viduen über ihre Zugehörigkeit zu der einen oder der anderen Identitätsgruppe zu Betei­ligten. Dieser Prozess macht über die Beendi­gung der Gewalttätigkeiten hinaus langfri­stige und breitangelegte Strategien erforder­lich, die eine Veränderung kon­fliktträchtiger politischer und sozialer Struk­turen sowie einen Versöhnungsprozess zwi­schen den Kon­fliktparteien in Gang bringen. (30)

Viele NGOs setzen hier an und stellen die Be­arbeitung der tieferliegenden Konfliktur­sach­en in den Mittelpunkt ihrer Arbeit. Ihre Ak­tivitäten laufen unter Bezeichnungen wie problem­lösungs­orientierte Workshops, Third-Party-Consultation, therapeutische Kon­flikt­in­tervention. Ziel der Vermittler ist dabei, lang­fristig Hilfe beim Abbau von Feindbildern, einseitigen Wahrnehmungen und bei der Überwindung von Kommunika­tionsbarrieren zu leisten. Die Streitparteien sollen lernen, Sach- und Beziehungsebenen zu trennen, zwischen vordergründigen Po­sitionen und wirklichen Interessen zu unter­scheiden und an Lösungen herangeführt werden, die den Grundbedürfnissen aller Parteien nach Si­cherheit, Partizipation und Identität entspre­chen. (31)

Auch Begegnungsprogamme, wie solche mit denen die kaukasischen Helsinki Citi­zens As­semblies versuchen, armenische und aser­baidschanische Jugendliche und Frauen zu­sammenzubringen, und Maß­nahmen zur Friedenserziehung sind hier zu nennen. So organisierte kürzlich die Fried­rich Ebert Stif­tung in Tiflis in Zusammenar­beit mit der dortigen HCA ein zweiwöchiges Seminar über konstruktives Konfliktverhal­ten.

Medien, Bildungs- und Kultureinrichtungen wiederum können durch entsprechende In­formationspolitik, Initiieren von und Bericht­erstattung über Foren und Runde Tische über alternative Staatsmodelle die gesell­schaftliche Meinungsbildung wesentlich prä­gen und deeskalierend wirken. (32) So arbei­tet beispielsweise der Belgrader Ra­diosender "B 92" mit der Verbreitung umfas­sender Nach­richten über das Kriegsge­schehen im ehema­ligen Jugoslawien gezielt der Desinformation der offiziellen serbi­schen Medien entgegen.

Die Stärke dieser Art von gesellschaftlichen Initiativen ist, daß sie im Vergleich zu staatli­chen Aktivitäten eine relativ große Zahl von Akteuren einbeziehen und die tieferliegen­den Konfliktursachen thematisieren. Ihr auf die Veränderung der Gesellschaft zielender Ansatz trägt der Tatsache Rechnung, daß ge­störte Modernisierungsprozesse und ungelö­ste soziale Probleme neben man­gelnder Le­gitimation der politischen Füh­rung und ein­geschränkten politischen Arti­kulations- und Partizipationsmöglichkeiten einen großen Teil der jeweiligen Konfliktur­sachen ausma­chen. Langfristig sollen zivile Formen der Konfliktaustragung etabliert werden, von denen erwartet wird, daß sie im Hinblick auf zukünftige Konflikte gewaltpräventiv wirken.

Schlussfolgerungen

Die bisherigen Ausführungen zeigen, daß die verschiedenen Akteure auf unterschied­lichen Ebenen der Konfliktbearbeitung an­setzen. Vereinfacht ausgedrückt haben Staaten und internationale Organisationen die besseren Möglichkeiten, Waffenstill­stände zu ver­mitteln und ein Forum für Ver­handlungen im Hinblick auf eine institutio­nelle Konfliktre­gelung und den Abschluß von Friedensver­trägen anzubieten. Ihre Rückkopplung mit den jeweiligen Gesell­schaften ist jedoch ge­ring. Dagegen ist die Arbeit von NGOs lang­fristig angelegt und auf mehr Tiefenwirkung ausgerichtet. Eine schnelle Beendigung von Kriegen können sie kaum bewirken, dafür aber den Friedens­prozess durch gesell­schafts­politische Arbeit vorbereiten und be­gleiten sowie wichtige Funktionen bei der Friedens­kon­solidier­ung übernehmen.

Die spezifischen Stärken und Schwächen der verschiedenen Akteure sprechen für einen mehrdimensionalen und komple­mentären Zugang zur Konfliktbearbeitung. Wieviel und welche Art von Verflechtungen und Zusam­menarbeit zwischen den ver­schiedenen Ak­teursebenen wünschenswert ist, die Frage der richtigen Balance zwi­schen Vertraulichkeit und Transparenz von Aktivitäten, ist dabei noch offen.

Es gibt vielerorts bereits Berührungspunkte zwischen staatlicher und nichtstaatlicher Vermittlungsebene. So stammt schätzungs­weise ein Drittel der finanziellen Mittel der NGOs aus staatlichen Haushalten oder den Budgets von Internationalen Organisatio­nen. Mit dem International Negotiation Net­work (INN) existiert z.B. ein informelles Netzwerk, in dem sich Politiker, Repräsen­tanten von in­ternationalen Organisationen und NGOs, Wissenschaftler und Konflikt­manage­ment­ex­perten über kon­struktive Konflikt­bearbeitung austauschen. (33) Ins­gesamt jedoch agieren staatliche und nicht­staatliche Vermittler noch weitge­hend ge­trennt. Eine stärkere Ko­operation ist nicht nur über die staatlich-nichtstaatliche Trenn­linie hinaus, sondern auch zwischen Akteu­ren wünschenswert, die jeweils einem der beiden Bereiche angehö­ren. Eine ver­stärkte Zusammenarbeit zwi­schen UNO und Re­gionalorganisationen würde z.B. erstere entlasten und sich mögli­cherweise positiv auf die Konflikt­bearbei­tungs­fähigkeiten letzterer auswirken.

Von großer Bedeutung ist die Aufstockung der materiellen Ressourcen für Konfliktbe­arbeitung sowohl durch internationale als auch nichtstaatliche Organisationen. So nö­tigt ihr knapper Jahresetat in Höhe von nicht einmal 46 Millionen DM die OSZE ge­radezu, sich auf aktuell eskalierte Kon­flikte zu kon­zentrieren und Präventionsar­beit se­lektiv und unsystematisch zu betrei­ben. Der oben genannte Radiosender "B 92" wird zwar von einigen NGOs, wie der deut­schen Hein­rich Böll-Stiftung, aber weder von den finanz­kräftiger­en Staaten noch von den zwischen­staatli­chen Organisationen unter­stützt, die im Ju­goslawienkonflikt inter­venierten, mit der Folge, daß sein Pro­gramm über Belgrad hin­aus nicht zu emp­fangen ist.

Eine politische und finanzielle Aufwertung gesel­lschaftlicher Konfliktbearbeitung ist auch über den formellen Friedensschluss hin­aus dringend geboten. Gerade dort, wo in­ner­gesellschaftliche Konfliktpotentiale gra­vierend sind, stellt ein Friedensvertrag erst den Anfang eines notwendigen gesel­lschaft­li­chen Veränderungs- und Versöhnungspro­zes­ses dar.

 

Quellen und Anmerkungen: (1) Die Schiedsge­richtsbarkeit ist eine rein juristische Prozedur, bei der sich die Konflikt­parteien dem Schiedsspruch einer un­abhängigen Kom­mission oder eines Gerichtes, z. B. des Internationalen Schiedsgerichtshofes in Den Haag un­terwerfen. In den in­ternationalen Beziehungen kommt die Schiedsgerichtsbar­keit jedoch relativ selten zum Tragen, weil Staaten meist die Kontrolle über die Re­gelung ihrer Konflikte nicht aus der Hand geben wol­len. (2) vgl. Peter Billing: Zuckerbrot und Peitsche: Vermittlungsaktionen der Supermächte in internatio­nalen Konflikten. In: Norbert Ro­pers/ Tobias De­biel (Hg.): Friedliche Konfliktbearbeitung in der Staaten- und Gesellschaftswelt. Bonn 1995, S. 112-131; Saadia Touval: Why the UN fails. In: Foreign Affairs, 73 (1994) 5, S.46f. (3) vgl. Billing, Anm. 2, S. 123f. (4) vgl. ebenda, S. 126f. (5) vgl. David A. Brookmire/ Frank Sistrunk: The Ef­fects of Perceived Ability and Impar­tiality of Mediator and Time Pressure on Negotiation. In: Journal of Conflict Resolution, 24 (1980) 2, S. 311-327; Jacob Berco­vitch/ Theodore J. Agnoson/ Don­nette Willie: Some Con­ceptual Issues and Empirical Trends in the Study of Suc­cessful Mediation in Interna­tional Relations. In: Journal of Peace Research, 28 (1991) 1, S. 7-17. (6) vgl. I. William Zartman: Ripe for Resolution. Conflict and Intervention in Africa. Oxford/New York 1989; I. William Zartman/ Saadia Touval: International Mediation: Conflict Resolution and Power Po­litics. In: Journal of Social Issues, 41 (1985) 2, S. 27-45. (7) Bei vielen Sanktionen ist die Grenze zwischen friedlicher und gewaltsamer Konflikt­bearbeitung fließend. Ein detail­liertes Eingehen auf die Problematik von Zwangmaßnah­men bei der Konflikt­regelung würde jedoch den Rahmen dieses Artikels sprengen. Vgl. zu dieser Frage Kumar Ru­pesinghe: Bürgerkriege verhindern durch Konflikttransfor­mation. In: Eine Welt oder Chaos. Friedensanalysen. Bd.25. Redaktion Berthold Meyer, Frankfurt/M erscheint vorausichtlich 1996, S. 379. (8) vgl. Saadi Touval: The Su­perpowers as Mediators. In: Jeffrey Z. Rubin/ Jacob Bercovitch (Eds.): Mediation in International Relati­ons. London, New York 1992, S. 232-248. (9) vgl. Randa M. Slim: Small-State Mediation in International Re­lations: The Algerian Mediation of the Iranian Hostage Cri­sis. In: Ru­bin/Bercovitch, s. Anm. 8, S. 206-248. (10) vgl. S. Neil MacFarlane/ Thomas G.Weiss: Regional Organizati­ons and Regional Security. In: Se­curity Studies, 2 (1992) 1, S. 6-37. (11) vgl. Claudia Schmid: Regionalor­ganisationen in der Dritten Welt. Sicher­heits­politische Pa­piertiger oder funktionsfähige Systeme kollektiver Sicher­heit? In: Ropers/ Debiel, s. Anm. 2, S. 185; Sabine Kurten­bach: Regionale Kooperation für die Demokratie in Latein­amerika. In: Jahrbuch Dritte Welt 1994. München 1993, S. 253; dies.: Konflikte und Kon­fliktregulierung in Latein­amerika. In: Jahrbuch Dritte Welt 1995. München 1994, S. 242-248. (12) vgl. MacFar­lane/Weiss, s. Anm. 10, S. 19f; Rolf Hofmeier: Neue Aufgaben­bestimmungen für die OAU und für einzelne Regionalor­ganisationen. In: Jahrbuch Dritte Welt 1993. München 1992, S. 248-256; Peter Schlot­ter: Was kann die KSZE lei­sten? Eine Bilanz zum Budape­ster Gip­feltreffen. HSFK-Standpunkt, Nr. 6, Dezember 1994. (13) vgl. Schmid, s. Anm. 11, S. 183. (14) vgl. Peter Kör­ner: Liberia. In: Rolf Hof­meier (Hg.): Afrika. Jahr­buch 1993. Opladen 1994, S. 121f. (15) vgl. Schmid, s. Anm. 11, S. 189f. (16) vgl. Rolf Hofmeier: Friedensbe­mühungen und regionale Kooperation. In: Jahrbuch Dritte Welt 1995. Mün­chen 1994, S. 271f. (17) vgl. Schmid, s. Anm. 11, S. 189f. (18) vgl. Samuel G. Amoo, I. William Zartman: Mediation by Regional Organizati­ons: The Organization for African Unity (OAU) in Chad. In: Ru­bin/ Bercovitch, s. Anm. 8, S. 131-147. (19) vgl. James O.C. Jonah: The United Nations and Inter­national Conflict: The Military Talks at Kilometre Marker-101. In: Rubin/ Bercovitch, s. Anm. 8, S. 176-205. Hugh Miall: The Peacema­kers. London u.a. 1992, S. 189. (20) vgl. Schmid, s. Anm. 11, S. 190. (21) vgl. Touval (1994), s. Anm. 8, S. 52. (22) vgl. ebenda, S. 44f. (23) vgl. Stephen Ryan: The United Nati­ons and the Resolution of Ethnic Conflict. In: Kumar Rupesinghe/ Mi­chiko Kuroda (Eds.): Early Warning and Conflict Resolu­tion. Basingstoke u.a. 1992, S. 120f. (24) vgl. Winrich Kühne: Friedenssiche­rung durch die Vereinten Natio­nen in einer Welt ethno-na­tionaler Konflikte. In: Aus Politik und Zeitgeschichte. B 15-16, 1993, S. 13. (25) vgl ebda. (26) vgl. Nor­bert Ro­pers: Die friedliche Bearbeitung ethno-po­litischer Konflikte. Eine Herausforderung für die Staa­ten- und Gesellschafts­welt. In: Ropers/ Debiel, s. Anm. 2; (27) vgl. ebenda, S. 217. (28) vgl. Sa­bine Kurtenbach/ Tha­nia Paffenholz: Kirchen kön­nen in Kriegen vermitteln. El Salvador und Mosambik zeigten die Chancen kirch­licher Schlichtung. In: Der Über­blick. 3/1994, S. 116-119. (29) vgl. Ropers/ Debiel (1995), s. Anm. 2, S. 218. (30) vgl. John Chipman: Managing the Politics of Par­ochialism. In: Survival, 35 (1993) 1, S. 143-170; Hizkias As­sefa: The Challenge of Mediation in Internal Wars. Reflecti­ons on the INN (International Negotiation Network) Experi­ence in the Ethiopian/Eritrean Conflict. In: Se­curity Dialo­gue, 23 (1992) 2, S. 101-106. (31) vgl. Nor­bert Ro­pers: Ethno-soziale Konflikte und ihre Bear­beitung durch Dritt­partei-Interventionen gesellschaftli­cher Träger. In: Krieg und gewaltfreie Konfliktlösung. Friedensbericht 1994. Frie­densforscher zur Lage. Zü­rich 1994, S. 213-230. (32) vgl. Ropers/ Debiel (1995), s. Anm. 2, S. 219. (33) vgl. Resolving Intra-Na­tional Conflicts: A Strengthened Role for Non-Governmen­tal Actors. A Consultation of the Interna­tional Negotiation Network. January 14-17, 1992. Confe­rence Report Series, 3 (1992) 2.

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Rexane Dehdashti ist wissenschaftliche Mit­arbeiter­in bei der hessischen Stiftung für Friedens- und Konflikt­forschung (HSFK) in Frankfurt a.M.