Landeskirche Baden

Für eine neue Friedensethik

von Werner Dierlamm

Wenn es nicht wahr wäre, würde ich es nicht glauben: Der Kirchenbezirk Breisgau-Hochschwarzwald macht eine Eingabe an die Kirchenleitung in Karlsruhe, in der „eine Neuorientierung der evangelischen Friedensethik an den biblischen Kernaussagen des christlichen Glaubens“ gefordert wird.  Die Kirchenleitung nimmt die Eingabe ernst, anstatt sie ausweichend zu beantworten. Eine Arbeitsgruppe soll den Entwurf eines Positionspapiers zur Friedensethik erstellen. Eine breite Diskussion des Entwurfs in den Bezirkssynoden wird dann die Grundlage dafür bieten, dass die Landessynode im Frühjahr 2013 über die friedensethische Positionierung der Badischen Landeskirche entscheidet.

Die klaren Beschlüsse der Kirchenleitung sind schon erstaunlich genug.

Wer sich dann die Mühe macht, den Entwurf zu lesen, wird aus dem Staunen nicht mehr herauskommen und feststellen, dass in dieser „Neuorientierung“ eine eindeutig pazifistische Position vertreten wird. Bisher hat die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) zwar verbal den Vorrang der Friedensarbeit vor dem militärischen Eingreifen betont, aber immer wie alle Großkirchen daran festgehalten, dass unter bestimmten Umständen und Bedingungen die sogenannte ultima ratio doch nötig werden könne. Jetzt fordert die Badische Landeskirche in ihrem Entwurf nichts weniger als die Abschaffung der Bundeswehr.

Rückbesinnung auf die Bergpredigt
Vor allem erzwingt eine Rückbesinnung auf die Bergpredigt diese Konsequenzen.

Die entstehende christliche Kirche hatte die Bergpredigt ernst genommen. Mit der Konstantinischen Wende im 4. Jahrhundert wurde sie mit ihren eindeutigen Aussagen verdrängt. Augustin, der große Theologe der damaligen Zeit, hat mit der Lehre vom „gerechten Krieg“ die Kriegführung zwar nur unter bestimmten Bedingungen erlaubt, aber zugleich auch für Christen ermöglicht. Diese Lehre ist bis heute nicht überwunden, auch wenn sich die Kirchen jetzt „vorrangig“ für einen gerechten Frieden einsetzen wollen.

Die badische Kirche widerspricht in diesem Entwurf mutig der EKD und allen Großkirchen, die auch für Getaufte noch immer den „Friedensdienst mit der Waffe“ gutheißen.

Es ist Wunder vor meinen Augen.

Was wird, was kann aus diesem Entwurf der Landeskirche in Baden werden?
Die Skepsis wird überwiegen.

Viele werden das Projekt gar nicht wahrnehmen.

Viele werden sagen: Wir sind keine Pazifisten, was geht uns das an.

Oder: erst einmal abwarten, was daraus wird. Es wird vehementen Widerspruch geben. Wenn das Projekt erst einmal in den Bezirkssynoden und in der Landessynode diskutiert wird, wird am Ende nicht viel davon übrig bleiben. Mindestens wird es bis zur Unkenntlichkeit verwässert werden.

Ich möchte lieber große Hoffnungen damit verbinden.

Überzeugende Argumente werden ihre Wirkung nicht verfehlen. Die Landeskirche in Baden kann damit zum Vorreiter für ein neues Denken werden, das auch andere Landeskirchen ergreift, auch die katholischen Kirchengemeinden und dann auch die politischen Institutionen.

Alle, die schon bisher pazifistische Überzeugungen öffentlich vertreten haben, können der Kirchenleitung in Baden signalisieren, dass sie dieses Projekt begrüßen und unterstützen werden. Als aktive Gemeindeglieder können sie die Verantwortlichen in den Kirchengemeinden auf das Badische Projekt hinweisen, Veranstaltungen dazu anregen oder organisieren. Viele pazifistisch gesinnte Christen und Nichtchristen handeln schon bisher gemeinsam. Was in der Badischen Landeskirche passiert, ist geeignet, dass Nichtchristen die Kirche mit neuen Augen ansehen. Kann sie vielleicht doch noch umkehren und der Rechtfertigung der militärischen Gewalt  endgültig den Abschied geben?

2017 wird es im Gedenken an den Beginn der Reformation vor 500 Jahren große Jubiläumsfeiern geben. Das erstaunliche Projekt der Badischen Landeskirche kann in den altgewordenen Kirchen der Reformation und in den anderen Kirchen ein heilsames Feuer entzünden, das alle Kirchen ergreift und schließlich auch bewirkt, „dass die Völker froh werden, weil diese Kirche Christi ihren Söhnen im Namen Christi die Waffen aus der Hand nimmt und ihnen den Krieg verbietet und den Frieden Christi ausruft über die rasende Welt“ (Dietrich Bonhoeffer in einer Andacht in Fanö 1934).

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Hintergrund
Werner Dierlamm, ev. Pfarrer i.R. Initiator der Ökumenischen Aktion für Frieden und Gerechtigkeit Ohne Rüstung Leben (1977) und Initiator der "Schnorndorfer Erklärung": Den Krieg nicht mehr lernen (2007).