Einleitung

Gegen die Militarisierung der Jugend

von Christine Schweitzer

„Von dem Moment unserer Geburt an sind Kinder und junge Menschen in vielen Kulturen dem Militär und militärischen Werten um sie herum ausgesetzt. Wir nennen das die Militarisierung der Jugend. Sie geht weit über die offene Rekrutierung in die Streitkräfte hinaus. Sie schließt die Anwesenheit und den Einfluss des Militärs in der Bildung, in sozialen Medien, öffentlichen militärischen Veranstaltungen wie Paraden und Gedenkfeiern, Videospiele mit militärischen Inhalten und viele weitere Formen von Unterhaltung und Mode ein.“

So leitet die internationale Website „Gegen die Militarisierung der Jugend“ (http://antimili-youth.net/) der War Resisters‘ International ein. In Darmstadt fand 2012 eine erste große Konferenz zu dem Thema statt, bei der eine Feststellung hervorstach: Das Problem ist fast überall gleich, von den USA bis Schweden, von Chile bis Südostasien. Kinder und Jugendliche werden bewusst und gezielt dazu gebracht, nicht nur Militär und Krieg für etwas ganz Normales zu halten, sondern sich dafür zu interessieren und zu begeistern. Das wird gelegentlich von den Propagandaabteilungen der Militärs auch zugegeben. So machte in Darmstadt das Zitat eines britischen Offiziers von 2007 die Runde: „Bei unserem neuen Modell geht es um Bewusstseinsweckung, und das braucht zehn Jahre. Es beginnt mit einem siebenjährigen Jungen, der einen Fallschirmspringer bei einer Militärschau sieht und denkt, ‚das ist cool‘. Von da ab beginnt das Militär, Interesse aufzubauen, Tropfen für Tropfen.“ (1)

Armut als Rekrutierungshelferin
Im englischen Sprachraum, wo in den USA die Wehrpflicht bereits seit Ende des Vietnamkriegs abgeschafft war, wurde der Begriff der „poverty draft“ erfunden, wörtlich übersetzt „Einziehung durch Armut“. Damit ist gemeint, dass sich unter denjenigen, die sich zum Militär verpflichten, unverhältnismäßig viele Menschen befinden, die durch Armut und mangelnde Alternativen der Berufswahl betroffen sind. In den USA gilt dies besonders für Schwarze und Puerto Ricaner. So machen Schwarze rund 12 % der Bevölkerung aus, 1990 bei den SoldatInnen im Persischen Golf hatten sie einen Anteil zwischen 29,8 %bei der Armee und 13,5 % bei der Luftwaffe. In Puerto Rico, wo die Arbeitslosenquote bei 40% liegt, rekrutiert das Pentagon vier Mal so viele SoldatInnen als in den USA selbst. (2) In anderen Ländern sieht es nicht viel besser aus. Auch in Deutschland sind unter den BewerberInnen sehr viele Jugendliche, für die die Bundeswehr die letzte Chance auf einen festen Arbeitsplatz bedeutet (3).

Bundeswehr
Laut Thomas Haschke in diesem Heft braucht die Bundeswehr jedes Jahr 60.000 Bewerbungen für rund 20.000 zu besetzende Stellen. Dabei macht sie auch vor Minderjährigen nicht Halt – zwischen 2011 und 2014 hat sie über 3.000 Jugendliche im Alter von 17 Jahren rekrutiert, was ihr wiederholt Kritik von den Vereinten Nationen eingebracht hat, denn 17-Jährige gelten der UN-Kinderrechtskonvention zufolge als Kindersoldaten! (4) Ihre Werbemethoden sind vielfältig – JugendoffizierInnen in Schulen und KarriereberaterInnen bei Jobmessen sind dabei nur der Gipfel des Eisbergs. Freizeitangebote wie Abenteuercamps, Waffenmessen, bei denen Kinder auf und in Panzern herumturnen können, Computerspiele, Kriegsfilme, der „Tag der Bundeswehr“ und die traditionelle Plakatwerbung tun das ihrige, junge Menschen für den Militärdienst zu interessieren. Einige dieser Methoden werden in diesem Schwerpunkt thematisiert.

 

Anmerkungen

1 Zitiert nach Emma Sangster, The Military’s Influence in UK Education‘, in: Sowing Seeds. The Militarization of Youth and How to Counter It, Hrsg. War Resisters‘ International 2013, S. 89

2 https://afsc.org/sites/afsc.civicactions.net/files/documents/The%20Pover...

3 http://www.zeit.de/2011/23/Bundeswehr-Rekrutierung

4 http://www.focus.de/politik/deutschland/linke-gegen-minderjaehrige-an-de...

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Christine Schweitzer ist Co-Geschäftsführerin beim Bund für Soziale Verteidigung und Redakteurin des Friedensforums.