Abgrenzung gegen Rechts

Gegen Querfronten und Anbiederungen

von Christine Schweitzer
Hintergrund
Hintergrund

Seit der Mahnwachenbewegung im Jahr 2014 gibt es eine Auseinandersetzung innerhalb der Friedensbewegung über den Versuch rechter (rechtsextemer, identitärer, rechtspopulistischer und national-sozialistischer) Kreise, an Themen der Friedensbewegung anzudocken, sog. Querfronten zu bilden, gemeinsame Aktionen und Kampagnen durchzuführen, ja bis hin dazu, die Führerschaft   in der Friedensbewegung zu übernehmen. (1) Die unterschiedlichen Einschätzungen bis hin zum Streit setzte sich über mehrere Stationen – Friedenswinter und Ramstein-Kampagne – bis heute fort.

In den etablierten Organisationen der Friedensbewegung, wie sie in der Kooperation für den Frieden und im Kasseler Friedensratschlag zusammenkommen, wurde rasch schon im Juni 2014 ein „antifaschistischer Konsens“ formuliert: „Die Grundlage eines offenen Dialoges und des Gespräches ist der Antifaschismus und die unzweideutige Ablehnung des Antisemitismus. Jede Kooperation mit rechtsradikalen, faschistischen Kräften erteilt die „Kooperation für den Frieden“ eine grundlegende Absage.“ (2)

Doch der Konflikt wurde damit nicht ausgeräumt, da es unterschiedliche Interpretationen zu bestimmten Personen, die in oder am Rande der Friedensbewegung agieren, gibt. Während es wohl als Konsens angesehen werden kann, dass „Die Friedensbewegung“ ein rechtsorientiertes Netzwerk ist, mit dem jede Kooperation genauso wie Kooperationen mit Jürgen Elsässer und Compact und mit dem Kopp-Verlag abgelehnt werden, und auch Versuche der AFD, sich an die Ramstein-Aktionen 2017 anzubiedern, erfolgreich abgewehrt wurden, gibt es eine Reihe weiterer Persönlichkeiten und Medienoutlets, zu denen die Einschätzungen divergieren. Es handelt sich hier um eine Gruppe von Personen, die eine Abgrenzung zu anderen - eindeutig rechten - Gruppen vollzogen haben (z.B. zu Elsässer), selbst bestreiten, „rechts“ zu sein und von Teilen der etablierten Friedensbewegung (z.B. IALANA, Mitglieder des IPPNW-Vorstands und Ramsteinkampagne) als Kooperationspartner akzeptiert werden.

Andere in der Friedensbewegung wiederum lehnen eine Zusammenarbeit mit diesen Personen ab und beteiligen sich z.T. auch nicht an Kampagnen oder öffentlichen Veranstaltungen, wo sie auftreten. (Von den Organisationen in der Kooperation für den Frieden wird Ramstein z.B. von der AGDF, dem BSV und dem Komitee für Grundrechte und Demokratie auch aus diesem Grunde nicht mitgetragen; andere Organisationen wie die DFG-VK und der Versöhnungsbund haben keinen Konsens zu dieser Frage).

Teilweise läuft dies auf die Frage hinaus, woran festgemacht werden kann, ob jemand oder eine Gruppe „rechts“ ist. Generell gibt es da drei Indikatorengruppen jenseits des Selbstbekenntnisses, “Querfront“ (wie die „Arbeiterfotografie“) oder „national“, „patriotisch“ - oder wie die Selbstbezeichnungen auch immer heißen - zu sein. Es sind dies in erster Linie:

  • Zugehörigkeiten zu bestimmten Netzwerken, wie sie oben genannt wurden.
  • Auftritte bei Veranstaltungen, wo bekennende Nazis oder andere unzweifelhaft Rechtsextreme dabei waren.
  • Mitwirken bei bestimmten Organisationen oder Medien, z.B. den oben genannten, aber es gibt in der rechten Szene noch mehr. (Beispiel: Wimmer publiziert im Kopp-Verlag). Die Grenzen sind hier allerdings fließend.
  • Bestimmte Argumentationsmuster. Dies ist der schwierigste Punkt, da einige der Argumentationen auch von anderen aus der Friedensbewegung geteilt werden. Aber spätestens, wo mehrere dieser Begriffe und Denkweisen zusammentreffen, sind dies Warnsignale. Stichworte hier sind Verschwörungstheorien (9/11); die pauschale Forderung nach einem Austritt aus der NATO ohne dass Militarismus grundsätzlich infrage gestellt wird; die These der Abhängigkeit (und damit suggerierter Opferrolle) Deutschlands von den USA; Verweise auf internationale Konzerne und Banken unter Erwähnung jüdischer AktionärInnen oder EigentümerInnen („Federal Reserve, Rothschilds); Darstellung Russlands als ‚Friedensmacht‘, ohne dass dessen Rüstungspolitik und Kriegsbeteiligungen angesprochen wird ; fehlender Friedensvertrag für Deutschland; der Begriff „Lügenpresse“,  „Querfront der NATO-Parteien“, „imperiale NATO-Kriege“ u.a.m.

Umgang mit der Problematik
Es geht uns um Wachsamkeit gegen die Unterwanderung durch rechte, einschließlich national-sozialistischer Kräfte, die letztlich ganz andere Ziele verfolgen.

Es wird in dieser Diskussion immer wieder darauf hingewiesen, dass man nicht alle Gruppen, z.B.  nicht alle Mahnwachen, über einen Kamm scheren könne. Teilweise haben sie sich entwickelt und beziehen eindeutig nicht-rechte Positionen. Teilweise geht es auch um junge bzw. in der Bewegung unerfahrene Menschen, die sich einer Gruppe angeschlossen haben, ohne alle Hintergründe zu durchblicken. Dass das so ist, wird allerdings schon seit 2014 eigentlich von niemand bestritten! Hier ist es wichtig, das Gespräch zu suchen und auf die Gefahren rechter Unterwanderung aufmerksam zu machen. Bei Demonstrationen ist es wichtig, gut instruierte OrdnerInnen zu haben, die z.B. da, wo verschiedene Gruppen parallel demonstrieren, den Weg zur „richtigen“ Demo weisen. Gegenüber der Presse ist es wichtig, deutlich gegen bestimmte Möchtegern-MitstreiterInnen Position zu beziehen.

Was die Inhalte angeht, sollten wir unterscheiden: Die Punkte, über die wir uns leidenschaftlich oder intellektuell streiten wollen, und die Punkte, wo wir sagen: Nein, diese Position hat in der Friedensbewegung keinen Platz.

Was die Personen angeht: Dialog ist wichtig. Aber wenn die Befürchtung besteht, dass öffentlicher Dialog zur Rechtfertigung oder Stärkung von uns abgelehnter Positionen gebraucht wird, dann sollten wir uns an ihm nicht beteiligen.    Das sollte im Übrigen nicht nur für vermeintlich Rechte gelten, sondern auch für die Diskussion mit Politik und Bundeswehr. Auch hier gibt es die Möglichkeit, dass eigene Gesprächsbereitschaft zur Legitimation missbraucht wird.

Ein letzter Gedanke noch: Wir sollten uns immer bewusst sein: Es gibt die Gefahr des „großen Hammers“ – wer einmal als „rechts“ ausgemacht wurde, hat da genauso wenig Chancen, wieder rauszukommen, wie es Anderen mit den Labels Antisemitismus, Kommunismus usw.  geschieht. Deshalb ist es wichtig, genau hinzuhören und auch mal nachzufragen, wie etwas gemeint ist oder wie jemand dazu kommt, z.B. bei bestimmten Veranstaltungen mitzumachen.

Die Friedensbewegung und die AfD
Personen aus der AfD vertreten bestimmte Positionen, die an die Friedensbewegung anknüpfungsfähig erscheinen. Dazu gehören Forderungen nach einem NATO-Austritt und sehr positive Äußerungen zu Russland. Dazu gehört auch, dass die AfD ein Werbevideo zu Ramstein zusammenschnitt, mit Aufnahmen, die u.a. Jebsen und Organisatoren der Ramstein-Kampagne zeigten. Allerdings wurde dieses Video dann wegen Beschwerde von Jebsen und weltnetz TV aus dem Netz genommen, wobei es später auf einem neuen Youtube Kanal erneut erschien. Dies führt dazu, dass denjenigen aus der Friedensbewegung, die z.B. für eine gemeinsame Sicherheit mit Russland eintreten, von ihren GegnerInnen inzwischen gelegentlich schon mal vorgeworfen wird, sie würden „AfD-Positionen vertreten“.

Die beiden zur Verfügung stehenden Positionspapiere der AfD – ihr Grundsatzprogramm von 2015 und das Wahlprogramm 2017 – sind hingegen deutlich gemilderter, aber sprechen trotzdem eine deutliche Sprache. In beiden wird die NATO bejaht, aber an verschiedenen Punkten Positionen bezogen, die als „Deutschland first“ zusammengefasst werden können. Zum Beispiel: Einsätze der Bundeswehr ja, aber nur unter UN-Mandat und Berücksichtigung deutscher Sicherheitsinteressen; NATO ja, aber Stärkung ihres europäischen Teils. Keine gemeinsame europäische Armee, sondern Stärkung der Bundeswehr. Sie soll ausgebaut und die Wehrpflicht für alle Männer wieder eingeführt werden. Im Wahlprogramm werden zusätzlich der „Wiederaufbau von Heimatschutzkräften oder ein Milizsystem nach Schweizer Vorbild mit kurzer Präsenzpflicht“ vorgeschlagen. Der Status alliierter Truppen in Deutschland müsse überprüft, sie und die Atomwaffen abgezogen werden. Das Verhältnis zu Russland müsse verbessert und die Sanktionen beendet werden, während die Türkei “kulturell nicht zu Europa gehöre

Die Friedensbewegung darf nun nicht angesichts dieser vielfältigen rechten Tendenzen eigene Positionen aufgeben, nur weil die AfD oder noch rechtere Kräfte auch von ihnen sprechen, z.B. die Forderung nach einer gemeinsamen Sicherheit mit Russland oder der Abzug der Atomwaffen. Diese Forderungen sollten aber immer in einen Kontext gestellt werden – Entmilitarisierung, Abschaffung aller Atomwaffen, Abrüstung der Bundeswehr usw. Auf diese Weise erfolgt bereits eine Abgrenzung zu den Rechten. Personen, die sich im Umfeld Rechter Kreise bewegen oder dort publizieren, sollte der Zugang zu Veranstaltungen der Friedensbewegung – zumindest als Redner*innen oder für sonstige Auftritte – verunmöglicht werden. Bei Aktionskonsensen oder in Aufrufen ist auf einen antifaschistischen Grundkonsens zu achten. Dialog mit AnhängerInnen der AfD und anderer rechter Kreise ist notwendig, dieser sollte aber in Settings stattfinden, wo er nicht zur Legimitation dieser rechten Positionen missbraucht werden kann. Das kann z.B. heißen: Gespräche über friedenspolitische Fragestellungen im nichtöffentlichen Raum ja, aber Vorsicht bei öffentlichen Veranstaltungen.

Anmerkungen
1 Vergleiche die Gruppe „Die Friedensbewegung“, http://friedensbewegung.info/ mit der „Roten Fahne“ (https://rotefahne.eu/) - als Organ.

2 http://www.koop-frieden.de/aktuelles/artikel/im-ergebnis-der-diskussion-...

Der Text stammt von Christine Schweitzer. Er wurde in der Redaktion des Friedensforums intensiv diskutiert und wird zu großem Teil von den anderen Redaktionsmitgliedern mitgetragen.

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Hintergrund
Christine Schweitzer ist Co-Geschäftsführerin beim Bund für Soziale Verteidigung und Redakteurin des Friedensforums.