
6x jährlich informiert unsere Zeitschrift, das FriedensForum, über Aktionen und Kampagnen der Friedensbewegung. Gerne schicken wir dir ein kostenfreies Probeexemplar zu.
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Es wird die Aussage eines engen Mitarbeiters von Gorbatschow kolportiert: "Wir haben eine Geheimwaffe, wir nehmen Euch das Feindbild weg". Hat er damit Recht? Wenn ja, wie verträgt sich das mit der vielfach beschriebenen und selbstverständlich gewordenen Forderung nach Abbau von Feindbildern als Voraussetzung zur individuellen und kollektiven Friedensfähigkeit? Wollen wir denn mit der angestrebten Entmilitarisierung auch unsere Wehrhaftigkeit verlieren, zu der von jeher eben auch Feindbilder gehören?
Dieser - scheinbare - Widerspruch gibt Anlass, einige innerpsychische Bedingungen zu skizzieren, die beim Abbau von Feindbildern zu berücksichtigen sind, der gebotenen Kürze wegen sehr vereinfacht dargestellt.
Fast jeder Mensch braucht in seinem Leben irgendwann einmal "Feindbilder". Wer kennt sie zumindest nicht aus seiner/ihrer Pubertätszeit. Die phasenbedingte innere Unsicherheit führt zu "arroganten" Verhaltensweisen, Herabsetzung anderer, "drohenden" Stärkedemonstrationen, abrupten Ablehnungen, die Umwelt ist "böse" etc.
Diese jedem/jeder zugängliche normale Erlebnisqualität ist in quantitativ und qualitativ gesteigerter Form Bestandteil der innerspychischen Bildung von "Feinden" - im individuellen und im kollektiven Bereich. Deren Bestandteile sind:
Rüstet der "Feind" nicht mit, wird er gar verständigungsbereit, gerät mit dem Feindbild nicht nur die Stärke- und Rüstungsbereitschaft, sondern unter Umständen sogar der "innere Friede" in Gefahr. Das Individuum wird labilisiert, in einer Gruppe (Nation) kann es zum Aufflackern alter oder neuer Konflikte kommen. - Ist das die erwünschte Wirkung der "Geheimwaffe"?
Unter diesem Aspekt muß der Ruf nach dem notwendigen Feindbildabbau zusammen gesehen werden mit der möglichen Gefährdung der inneren (Schein-) Stabilität, sowohl beim Individuum als auch im Kollektiv. Häufigste Reaktion: Entweder Widerstand gegen den Abbau - oder es müssen neue Feindbilder geschaffen werden. Letzteres geschieht dann häufig innerhalb der Gruppe oder des (z. B. NATO-) Bündnisses. Mitglieder der Friedensbewegung machen die "Politiker", die Rüstungsfabrikanten usw. zu Feinden, für die Regierung werden die "anarchistischen" Mitglieder der Friedensbewegung zu Feinden. Nur so scheint die innere Stabilität wieder herstellbar.
Für die Friedensbewegung gilt es aufzupassen, dieser Art von Feindbildung nicht zu erliegen. Wer die "real existierende Illusion einer bewaffneten Friedensfähigkeit" mit ihrer ständigen Gewaltdrohung und Abschreckungsstrategie erkannt hat und sich für die "reale Vision einer gewaltfreien Friedensfähigkeit" - etwa im Sinne der Sozialen Verteidigung - engagieren will, tut gut daran, diese Konzepte nicht nur als Ziel, sondern auch als Wegbeschreibung zum Ziel hin anzusehen. Die Fixierung auf eine Feindposition (statt Konfliktpartnerschaft), die auch dort gelegentlich - zur Kontrolle eigener Ängste und Unsicherheiten - spürbar ist, muß vermieden werden. Feindbilder widersprechen den Konzepten gewaltfreier Verteidigung. Hier hilft uns Gorbatschow!
Abschließend kann ich nur ganz pauschal andeuten, daß der Abbau, das Überflüssigmachen von Feindbildern einhergehen muß mit der ständigen Bereitschaft, mit der eigenen individuellen und kollektiven Konfliktbereitschaft konstruktiv umzugehen. Auch ist es wichtig, im Auge zu behalten, daß es viele Menschen geben wird, die beunruhigt sind, wenn sich während der Abrüstungsschritte Feindbilder auflösen. Zum Abbau von Feindbildern gehört also auch das Aufbringen von Verständnis für auftauchende Ängste, - eigenen wie fremden - wenn die geschilderte Entlastung durch das Feindbild schwindet. Die Abrüstung der Waffen und die "Abrüstung der Gesinnung" (C. F. v. Weizsäcker) sind unteilbar miteinander verbunden, in beiden Bereichen müssen Feindbilder abgebaut werden.