Bund für Soziale Verteidigung

Gender als Querschnittsthema

von Elise KopperSebastian Grieser

Ob bei den Frauenmärschen gegen die Politik des neuen US-Präsidenten Donald Trump, in der Darstellung von Wladimir Putin als muskelbepacktem Krieger, bei der Wahrnehmung Ursula von der Leyens als erster weiblicher Verteidigungsministerin oder schlicht bei der Besetzung von Podiumsdiskussionen und als Anforderung in Projektanträgen – Geschlechteraspekte begegnen uns sowohl in politischen Zusammenhängen als auch bei unserer organisatorischen Friedensarbeit überall. Auch für unsere Organisation, den Bund für Soziale Verteidigung (BSV), sind seit seiner Gründung Gender und Geschlechtergerechtigkeit wichtige Querschnittsthemen. Und seit einigen Jahren ist die Beschäftigung mit dem Thema nun wieder besonders intensiv.

Angestoßen durch die ehemalige Geschäftsführerin Judith Conrads griff der BSV das Thema „Geschlechterverhältnisse in Krieg und Frieden“ 2012 in seiner Jahrestagung auf, bei der sich auch die bis heute aktive Arbeitsgruppe Gender und Frieden gründete. Neben einer umfassenden Dokumentation, die als Hintergrund- und Diskussionspapier des BSV veröffentlicht wurde, entstand daraus auch ein kompaktes Infoblatt, das einen schnellen Einblick in die Thematik ermöglicht. 2013 kam aus den Reihen des BSV-Vorstands dann der Impuls für eine „Gender Policy“. Uns war aufgefallen, dass wir uns als BSV zwar inhaltlich mit dem Thema Gender beschäftigten, es bis dato aber an einem Papier, in dem wir unsere grundsätzliche Haltung zu dem Thema ausdrücken, fehlte. Ein solches schien uns nicht nur wichtig für das Selbstverständnis unseres Verbandes, es wird auch in der Antragstellung z. B. bei politischen Stiftungen nachgefragt. Das Wort „Policy“ bedeutet Leit- oder Richtlinie. „Gender“ meint das sozial konstruierte Geschlecht von Menschen. Die Gender Policy sollte also eine Art Leitfaden für eine geschlechtersensible Vereinsarbeit im BSV werden. Wir wollten darin verschiedene Fragen diskutieren, z. B.: Wie ist die Haltung des BSV zum Thema Gender? Was haben Geschlechterfragen mit Krieg, Gewalt und Frieden zu tun? Und wie können wir mit unserer Friedensarbeit zu mehr Geschlechtergerechtigkeit beitragen?

Die Arbeit an der Policy war ein langer Prozess, der auch Geduld gekostet hat. Im Nachhinein hat sich aber herausgestellt, wie wichtig es war, sich Zeit zu nehmen und möglichst viele Menschen aus den Kreisen des BSV mit einzubeziehen: den Vorstand, die Geschäftsstelle, unsere PraktikantInnen, die AG Gender und Frieden und auf Workshops und in „bilateralen Gesprächen“ auch die Mitglieder. Dies hat geholfen, uns besser kennenzulernen. Denn wir alle haben unterschiedliche Perspektiven auf das Thema, die unsere unterschiedlichen Sozialisationen, verschiedene Generationen und politischen Prägungen widerspiegeln. Das haben wir lernen und wertschätzen können.

Ende 2015 wurde die Policy im BSV-Vorstand einstimmig verabschiedet. Doch nach unserem Verständnis des Dokuments als „lebendiges Papier“ soll die Arbeit daran nie ganz abgeschlossen sein. Sie soll uns als BSV und andere Interessierte dazu anregen, sich mit den Zusammenhängen rund um Geschlechtergerechtigkeit und Frieden kontinuierlich auseinanderzusetzen – sowohl theoretisch als auch ganz praktisch in der eigenen Friedensarbeit.

Letzteres hieß für uns als BSV-Vorstand und Geschäftsstelle: Wir brauchen ganz konkrete Handlungsschritte für die Umsetzung. Diese erarbeiten wir zurzeit im Rahmen einer sogenannten „Gender- und Diversitätscheckliste“. Darin sammeln wir, was wir beachten müssen, wenn wir Veranstaltungen organisieren, Publikationen herausgeben, Auslandsprojekte starten oder neue Vorstandsmitglieder und MitarbeiterInnen suchen. Dabei geht es um Fragen wie Kinderbetreuung, Barrierefreiheit, gleichberechtigte Teilhabe, eine gender- und diskriminierungssensible Sprache oder das Sichtbarmachen von ansonsten eher unterrepräsentierten AkteurInnen in unseren Texten. Daran merkt man schon: Hier geht es uns nicht mehr „nur“ um Geschlechtergerechtigkeit, sondern um die Inklusion möglichst vieler Menschen und Gruppen in unsere Arbeit: Frauen, Männer, Menschen unterschiedlicher geschlechtlicher Identität und sexueller Orientierung, Menschen mit und ohne Behinderung, mit und ohne Migrationshintergrund, Menschen jeden Alters und jeder sozialen Herkunft. Denn Gender und andere Diskriminierungsformen hängen eng zusammen. Und Friedensarbeit sollte nach unserem Verständnis Arbeit von allen und für alle sein.

Durch all die oben dargestellten Prozesse sind Gender und Geschlechtergerechtigkeit zu präsenten Themen im BSV geworden. Und auch außerhalb des BSV bemerken wir: In Themenheften, Vortragsreihen oder Grundsatzpapieren der Friedensbewegung spielen Genderthemen immer häufiger eine Rolle. Wir sind überzeugt davon: Dies wird sich positiv auf unser aller Arbeit auswirken – sowohl in unseren internen Strukturen als auch in unserer externen politischen Arbeit.

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Hintergrund
Mitglied des Vorstands im Bund für Soziale Verteidigung e.V., Geschäftsführerin beim Frauennetzwerk für Frieden e.V. und Referentin für Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit bei erlassjahr.de - Entwicklung braucht Entschuldung e.V.