Geostrategische Interessen der USA stehen hinter dem Jugoslawienkrieg

von Clemens Ronnefeldt
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Der US-Politologe und Kriegsforscher Prof. Gabriel Kolko sagte am 8.5.99 im "Berliner Tagesspiegel": "Bei der Entscheidung der Amerikaner, den Krieg zu führen, spielte die spezielle Situation im Kosovo nur eine untergeordnete Rolle. Für die USA geht es darum, militärische Macht zu demonstrieren und ihre Vormachtstellung in der Nato auszubauen". ... "Clinton muss sich vor allem mit den Republikanern im Kongress arrangieren. Der Kampf um die Macht in Washington wird die Politik gegenüber Jugoslawien erheblich beeinflussen. Rationale Erwägungen bleiben da auf der Strecke".

Am 16.4.99 kündigte Bill Clinton in einer Grundsatzrede an, "das US-Engagement auf dem Balkan werde nicht mit der Befriedung Kosovos und der Rückkehr der Vertriebenen enden" (FR, 27.4.99).

Die FR berichtete weiter: "In den Denkfabriken der US-Außenpolitik kursiert seit langem das Schlagwort vom `Erdbebengürtel`, der vom Balkan über den Kaukasus bis an die Grenzen Chinas reiche. Diese Zone müsse im Interesse des Weltfriedens und des Handels `stabilisiert` werden. Mit Altruismus habe das nichts zu tun - das Fundament bildeten die eigenen Werte und Interessen. Das sicherste Mittel zu deren Durchsetzung scheint aus Sicht mancher US-Denker die wirtschaftliche, ideologische - notfalls militärische - Besetzung des Terrains".

Vor allem unter dem Kaspischen Meer wurden riesige Öl-Vorkommen entdeckt, um die sich russische, chinesische und amerikanische Ölkonzerne Konkurrenzkämpfe liefern.
Seit der Eröffnung des Main-Donau-Kanals 1992 können Schiffe von der Nordsee bis zum Schwarzen Meer fahren. "Auf dem Balkan verriegelt Serbien die Transitwege der Donau und zum griechischen Hafen Saloniki. Die USA und ihre europäischen Verbündeten haben mehrere Versuche unternommen, diesen Riegel friedlich zu sprengen. 1992 wurde ein kalifornischer Industrieller serbischer Abstammung namens Milan Panic als Premier Rest-Jugoslawiens nach Belgrad katapultiert. ... 1996 lancierten die USA die `Southeast European Cooperative Initiative (Seci)" (FR, 27.4.99). Das Ziel von "Seci" war die Integration aller Donauanrainer unter marktwirtschaftlichen Bedingungen. Selbst Weltbankkredite konnten Serbien nicht erweichen - Serbien wurde von der "Seci" ausgeschlossen.

Vor diesem Hintergrund erhält der Anhang B des Vertrages von Rambouillet enorme Brisanz. Serbien sollte unterzeichnen, dass dem Nato-Personal "zusammen mit seinen Fahrzeugen, Schiffen, ... in der gesamten Bundesrepublik Jugoslawien unter Einschluss des Luftraumes und der Territorialgewässer freien und ungehinderten Zugang" zu gewähren ist.

Der Versuch Joschka Fischers, mittels des G7/G8-Planes die Entscheidungsbefugnis in Sachen Krieg und Frieden von der US-dominierten NATO auf die Ebene der UN zu heben, wurde nach Ansicht des CDU-Politikers und Vizepräsidenten der Parlamentarischen Versammlung der OSZE, Willy Wimmer, massiv durch die bewusste (US-)Bombardierung der chinesischen Botschaft torpediert: "Es spricht eine Menge dafür, dass das, was in Belgrad geschah, auf die Rolle Chinas im Weltsicherheitsrat der Vereinten Nationen gezielt war. ...Wenn man jetzt einen solchen Angriff auf die chinesiche Botschaft startet, dann muss man sich natürlich fragen, ob man nicht etwa auf Dauer China in einer konstruktiven Rolle im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen gar nicht sehen will. Was sich da in Belgrad abgespielt hat, ist für mich Grund äußerster Besorgnis" (junge Welt, 11.5.99).

Am 22.2.99 hatte die US-Regierung den Verkauf eines Fernmeldesatelliten an China im Wert von 450 Millionen US-Dollar untersagt - aus nationalen Sicherheitsgründen (vgl. Le Monde Diplomatique, 22.5.99).

Fazit:
Mittels des Jugoslawienkrieges gelang der US-Politik bisher (Stand 20.5.99) recht erfolgreich die Ausschaltung von UN und OSZE, die Desintegration und Destabilisierung Europas sowie die Ausgrenzung Russlands und Chinas.

Am 8. März 1992 veröffentlichte die New York Times Auszüge aus der Verteidigungs- Planungsgrundlage des Pentagons für die Haushaltsjahre 1994-1999, die auch die derzeitige US-Jugoslawienpolitik erhellt:

"Wir müssen versuchen zu verhüten, dass irgendeine feindliche Macht eine Region dominiert, deren Ressourcen - unter gefestigter Kontrolle - ausreichen würden, eine Weltmachtposition zu schaffen" ..."Wir müssen unsere Strategie jetzt darauf konzentrieren, dem Aufstieg jedes möglichen Konkorrurenten globaler Dimension zuvorzukommen". Dieses Kalkül scheint aufzugehen.

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Clemens Ronnefeldt ist seit 1992 Referent für Friedensfragen beim deutschen Zweig des Internationalen Versöhnungsbundes.