Das Friedenspapier der Gustav Heinemann-Initiative e.V.

Gerechter Friede statt "gerechter" Kriege

von Sebastian Müller

"Nicht der Krieg, sondern der Friede ist der Ernstfall, in dem wir uns alle zu bewähren haben." (G. Heinemann in einer Ansprache vor dem Bundestag und Bundesrat am 1. Juli 1969)

Hatten die Erfahrungen des Zweiten Weltkrieges und die Gefährdungen im Kalten Krieg insbesondere in Europa die Hoffnung genährt, dass auf die kriegerische Lösung von Konflikten verzichtet werde, so hat sich seit dem Ende des Kalten Krieges, insbesondere aber seit dem 11. 9. 2001 in der Weltpolitik ein Denken durchgesetzt, das den Krieg als akzeptables Instrument der Politik begreift und die Vorstellung gerechter Kriege propagiert.

Ausgehend von dieser Analyse hat der Vorstand der Gustav Heinemann-Initiative mit der Unterstützung seines Beirates ein Friedenspapier erarbeitet, das hier in Auszügen vorgestellt werden soll.

I. Das Friedensgebot des Grundgesetzes
Die GHI geht vom Friedensgebot des Grundgesetzes (Präambel, Art. 24, 25, 26 GG) aus. Die derzeitigen Bemühungen der Bundesregierung hingegen, die Bundeswehr zu einer "Armee im Einsatz" umzubauen, deren "mögliches Einsatzgebiet die ganze Welt" ist (Verteidigungspolitische Richtlinien des Bundesministers für Verteidigung, Mai 2003), sind ein gefährlicher Weg. Mit dieser als "Weiterentwicklung" verharmlosten Neuorientierung von Aufgaben, Struktur und Ausrüstung der deutschen Streitkräfte wird ein fragwürdiges, für militärische Interventionen und Angriffskriege einzusetzendes Instrumentarium geschaffen, das eine latente Friedensgefährdung bedeutet und der Zielvorgabe einer aktiven Friedenspolitik zuwiderläuft.

II. Friedens- oder Militärmacht Europa?
Der jetzt beschlossene Verfassungstext für Europa sowie flankierende Dokumente wie das sog. "Solana-Papier" vom Herbst 2003 und die Beschlüsse auf dem Brüsseler EU-Gipfel zur Europäischen Sicherheitsstrategie (ESS) im Dezember 2003 zeigen, dass die EU ihre politische Position auch mit militärischen Mitteln ausbauen will. Die ESS öffnet darüber hinaus unter dem neutral erscheinenden Begriff "vorbeugendes Engagement" die Tür zur Präventionsdoktrin der US-Regierung. Zwar sieht die Verfassung in den Artikeln 218 bis 223 auch Regelungen für Entwicklungszusammenarbeit und Humanitäre Hilfe vor; verglichen mit Umfang, Tendenz und Anzahl der Vorschriften über militärische Zusammenarbeit und der noch vor der Charta der Grundrechte der Union rangierenden Bestimmungen der "Solidaritätsklausel, gegen terroristische Bedrohungen in Artikel 42 wird klar, dass der Aufbau von Instrumenten ziviler Krisenprävention und nichtmilitärischer Konfliktbearbeitung nachrangig ist. Tritt diese Verfassung in Kraft, bleibt zwar Interpretationsspielraum im Detail, im Grundsatz jedoch wird die bisherige noch weitgehend defensive Militärpolitik Deutschlands wie der EU irreversibel aufgegeben

III. Frieden und Menschenrechte
Eine auf Frieden zielende Politik kann schwere Menschenrechtsverletzungen mit dem Verweis auf das Verbot der Einmischung in die inneren Angelegenheiten eines souveränen Staates nicht hinnehmen. Aber die Regeln für das Eingreifen in solchen Fällen müssen völkerrechtlich verankert werden und es muss Aufgabe des Sicherheitsrates der UN bleiben, festzustellen, wann die Missachtung von Menschenrechten ein unerträgliches Ausmaß annimmt und welche Wege eingeschlagen werden sollten, um diesem Missstand abzuhelfen.

Da Politik wie alles menschliche Handeln fehlbar ist, wird es trotz aller Bemühungen um nichtmilitärische Konfliktlösungen zu Situationen kommen, in denen Regierungen Militär zur Durchsetzung ihrer Ziele einsetzen, sei es aus Eigeninteresse oder als `ultima ratio`.

In der GHI werden in Bezug auf den Einsatz von Militär zur Konfliktregelung zwei unterschiedliche Auffassungen vertreten. Unter sehr engen Voraussetzungen, die weder bei der Intervention im ehemaligen Jugoslawien noch im Irak oder in Afghanistan vorlagen, wird ein militärisches Eingreifen für vertretbar gehalten. Dagegen steht die Ansicht, dass jedwede militärische Intervention nicht verantwortbar sei.

Die beiden Gruppen sind sich einig in der Ablehnung der Lehre vom gerechten Krieg: Krieg schafft nicht Recht und Ordnung, bestenfalls wird damit ein Zustand erreicht, von dem aus die Schaffung von Recht und Ordnung wieder beginnen kann. Jeder Krieg führt zu Mord, Vergewaltigung und Elend. Das gilt auch dann, wenn der Krieg mit der Begründung geführt wird, nur auf diesem Weg Massenverbrechen Einhalt gebieten zu können.

In einem weiteren Punkt stellt das Friedenspapier die Forderung nach einer international tätigen Polizei auf. Da nicht nur staatliches Handeln, sondern auch kriminelle und terroristische Gewalt das friedliche Zusammenleben gefährden. Diese Aufgaben sollten nicht vom Militär übernommen werden, weil dabei die spezifischen Bedingungen, die für die Schaffung von Recht, Ordnung und Frieden mit polizeilichen Mitteln bestehen, aus dem Blick geraten.

Wer sich für den ganzen Text des Papiers interessiert, wird herzlich eingeladen, das Friedenspapier als pdf-Datei von der Homepage der GHI herunterzuladen. Daneben besteht selbstverständlich die Möglichkeit, das Friedenspapier in unserer Geschäftsstelle zu bestellen.
 

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Sebastian Müller ist Mitarbeiter der GHI-Geschäftsstelle in Berlin.