Gleichberechtigung, Entwicklung und Frieden:

Getrennt oder voneinander abhängig ?

von Heide Schütz

Gleichberechtigung, Entwicklung und Frieden. Mit der Wahl dieser drei Schwerpunktthemen gab die erste UN Weltfrauenkonferenz 1975 in Mexiko-Stadt eine eindeutige Antwort: sie gehören zusammen. Daran wurde auch bei den folgenden drei Konferenzen bis zur vorläufig letzten in Peking 1995 festgehalten und damit bestätigt: die gegenseitige Abhängigkeit ist unabdingbar.. Ich finde es bezeichnend, dass die Frauen und die Regierungen der ersten Stunde diesen Dreiklang wählten und später daran festhielten. Ich kann mir kein besseres und sinnvolles Zusammenspiel vorstellen, wenn es um die positive Entwicklung der Menschheit, nicht nur der Situation der Frauen, geht.

Es gab und gibt keine andere internationale Konferenz der Vereinten Nationen, die das Thema Frieden verfolgt. In den den Millenniumszielen für Entwicklung aus dem Jahr 2000, für die es nun nach ihrem Scheitern 2015 eine Neuauflage geben wird, wurde das Thema Abrüstung und Ächtung von Kriegen nicht genannt, obwohl dies in der Charta der Vereinten Nationen verankert ist. Die Nationen wollten und wollen sich das Privileg der Kriegsführung nicht nehmen lassen. Bisher ohne Erfolg blieb die Intervention der „Major Women’s Group“, die auf UN-Ebene den Generalsekretär dringend bat, diesen Zusammenhang zwischen Entwicklung und Frieden in die Verhandlungen zu den neuen Entwicklungszielen mit einzubeziehen.

Die Weltfrauenkonferenzen waren nicht als Meeting von Nichtregierungsorganisationen (NROs) und Frauenaktivistinnen geplant, aber sie entwickelten sich dazu. Nicht zuletzt dank großer kirchlicher und anderer Organisationen, die die Teilnahme der Frauen aus dem globalen Süden finanzierten. Sie waren eine Veranstaltung der Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen, an der jedoch Frauenorganisationen, die auf UN Ebene registriert waren, als NROs teilnehmen konnten. Die Basisfrauen und die Frauenorganisationen hatten parallel zur Staatenkonferenz ihre eigene große Plattform: das Forum. 

Frauenorganisationen in Deutschland
Die Frauenorganisationen in Deutschland haben in der Vor- und Nachbereitung auf die 4. Weltfrauenkonferenz anders als die Frauen im globalen Süden die Ziele Gleichberechtigung, Entwicklung und Frieden nicht in ihrer Interdependenz wahrgenommen. Der Fokus „Gleichberechtigung – die Rechte der Frauen stärken“ wurde von dem Dachverband Deutscher Frauenrat und seiner ca. 50 Mitgliedsorganisationen vertreten. Um auch dem Ziel „Entwicklung“ eine Stimme zu geben, war im Vorfeld der UN Konferenz das NRO FrauenForum gegründet worden, das Frauenrechte und Entwicklung zusammenband, aber sich vehement gegen die Einbeziehung des Friedenszieles  sträubte. Nur mit Mühe und gegen den Widerstand der Leitung konnten Friedensworkshops bei den im Übrigen großartigen Vorbereitungskonferenzen für die Pekinger WFK im Gustav Stresemann-Institut in Bonn angeboten werden.

Wie war die Situation nach der 4. WFK? Weder der Deutsche Frauenrat noch das NRO-FrauenForum nahmen das Thema Frieden in die eigene Agenda auf. Daher wurde im Februar 1996 das „Frauennetzwerk für Frieden e.V.“ gegründet, um auch bei diesem Thema auf der nationalen und internationalen Ebene das Friedensanliegen der Frauen in Deutschland und weltweit zu unterstützen. Heute ist eine Annäherung in unterschiedlichen Organisationen und Gremien in Deutschland zu beobachten. Das NRO FrauenForum wurde allerdings inzwischen aufgelöst, eine gewisse Nachfolge kann in der AG Gender der entwicklungspolitischen NRO Dachorganisation VENRO gesehen werden.

Interessant, dass die UN Resolution 1325 „Frauen, Frieden und Sicherheit“ aus dem Jahr 2000 seit einigen Jahren von bisher getrennt arbeitenden zivilgesellschaftlichen Organisationen wahrgenommen und unterstützt wird, wenn auch unterschiedlich stark. Sie beinhaltet neben dem Schutz der Frauen und Mädchen vor sexualisierter Gewalt in Kriegs- und Krisensituationen die maßgebliche Teilnahme von Frauen an Friedensverhandlungen, an allen politischen und gesellschaftlichen Friedensprozessen und am Aufbau von Nachkriegsgesellschaften. Bis zu einer bewussten Strategie und politischen Agenda zur Verknüpfung von Gleichberechtigung, Entwicklung und Frieden auf zivilgesellschaftlicher Ebene ist jedoch noch eine beträchtliche Strecke des Weges zurückzulegen.

Das gilt auch und insbesondere für die Ministerien der Bundesrepublik Deutschland. Aber auch hier stellt die Interministerielle Arbeitsgruppe 1325 (IMAG), die die Umsetzung des Nationalen Aktionsplanes (2012) zur UN-Resolution 1325 begleiten und voran bringen soll, eine Plattform der Zusammenarbeit dar. Die Vertretungen der Zivilgesellschaft, z.B. das Bündnis 1325, werden in Abständen dazu eingeladen.

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