Bericht zum PAXX-Action Training in Mannheim

Gewaltfrei Leben gestalten

von Stephan Brües
Initiativen
Initiativen
( c ) Netzwerk Friedenskooperative

Vom 29. Oktober bis 1. November fand im Volkshaus Neckarau in Mannheim eine intensive und kreative Aktionskonferenz statt. Neben dem Hauptinitiator DFG-VK (insbesondere LV Baden-Württemberg) waren auch das Heidelberger Party-Kollektiv "Party & Activism“, die Werkstatt für Gewaltfreie Aktion Baden, das Friedensplenum Mannheim und der Bund für Soziale Verteidigung aktiv beteiligt.

Die Idee war, frischen Wind in die Friedensbewegung zu bringen, neue (und alte) Aktionsformen (wieder) kennen zu lernen und einzuüben und mit Inhalten (Zivile Konfliktbearbeitung; Bundeswehr und Schule; Atomwaffen; Rüstungsindustrie; Konversion und Militärbasen) zu verknüpfen.

Kreativität wurde also groß geschrieben. An den Vormittagen wurden durchgehend Aktionsformen wie Ziviler Ungehorsam, Rebel Clowns, Straßentheater und Großpuppenbau angeboten. Da war zum Teil viel Körperarbeit angesagt: Maschinen bilden, Emotionen ausdrücken, neue Definitionen alltäglicher Dinge erfinden (My lie) und so weiter. Tolle Clowns- oder Straßentheater-Trainer wie Captain Chameleon bzw. Anita Bertolani und Shiva Grings führten die teilnehmenden und super-motivierten jungen und älteren Akteure zu kreativen Höchstleistungen, die dann während der Aktion am 1.11. vor dem Technoseum auch aufgeführt bzw. gezeigt wurden.

Ein echter „Hingucker“ (Überschrift Mannheimer Morgen, 2.11.2010) waren die drei Meter hohen Schreibtischtäter bzw. Schreibtischtöter, die unter der Anleitung von Larry Swingle an drei Tagen gebaut wurden (siehe Foto). Sie waren die direkte Umsetzung unserer Interpretation dessen, was auf dem Mannheimer Bundeswehr-Bildungscampus geschieht: Das angeblich harmlose Erlernen, wie man eine militärische Einrichtung wie die Bundeswehr verwaltet, wird hier verknüpft mit einer Einrichtung, in der die Wehrtechnik eine große Rolle spielt. Die Vernetzung der Militärverwaltung, der Politik und der Rüstungsindustrie macht die Einrichtung zu einem Hort von Schreibtischtätern und Schreibtischtötern. Vor der eigentlichen Kundgebung gab es noch eine kleine, nicht angemeldete (aber zufällig durch eine Polizeistreife entdeckte und nicht monierte) Aktion auf dem Gelände des Bildungscampus. Dort wurden die Puppen zu einem Foto inszeniert. Auch Flugblätter wurden in die Postkästen der Wohnheime der Bundeswehrangehörigen gelegt.

Eines der Anlässe, das PAXX Action Training durchzuführen, waren die für gewaltfreie AktivistInnen frustrierenden Ereignisse in Straßburg. Wie sollen Gewaltfreie mit Gewaltbereiten umgehen? In einem Workshop von Andreas Speck (WRI) und Renate Wanie (Werkstatt für Gewaltfreie Aktion Baden) wurden verschiedene Akteure sowohl in der Gruppe der Polizei- wie der Demonstranten in ihren Handlungen und deren Beweggründen analysiert, um schließlich anhand des Forumtheaters (nach Augusto Boal) in einem konkreten Rollenspiel zu überlegen, wie man in einem Demonstrationszug damit umgeht, wenn jemand – im Schutz der gewaltfreien Gruppe - einen Stein Richtung Polizei wirft. Auch wenn es natürlich keine eindeutige Antwort gab, so war es doch toll, dass die beste Lösung - Die DemonstrantInnen, die damit nicht einverstanden sind, skandieren „Keine Steine“, ohne dass der Zug gestoppt wird - von der jüngsten Teilnehmerin kam.

Überhaupt gab es eine gute Altersmischung in der Gruppe der 60-70 Teilnehmenden/ReferentInnen: von 20 bis 80 (Andreas Buro), etwa ein Drittel waren jüngere Leute. Das hätten eigentlich mehr sein sollen, denn schließlich wollten wir ja nicht nur inhaltlich, sondern auch personell frischen Wind in die Friedensbewegung bringen. Da gilt es, die jungen Leute, die nun da waren, vielleicht schon im Vorfeld einzubinden, um wirklich die richtige Ansprache zu finden, die für diese Zielgruppe anlockend ist.

Auch die ReferentInnen der inhaltlichen Workshops konnten sich sehen lassen: Andreas Buro, Andreas Peters und Andreas Speck, Regina Hagen, Marion Küpker, Roland Vogt , Marc Ammann und AktivistInnen aus der lokalen Szene (Rote Hilfe Heidelberg, Radio-und Internet-AktivistInnen aus Heppenheim, Otto Reger vom Friedensplenum Mannheim, Renate Wanie von der Werkstatt für Gewaltfreie Aktion Baden in Heidelberg).

Alle zeigten sich in der abschließenden kleinen Auswertungsrunde sehr zufrieden mit der Veranstaltung: tolle Leute kennen gelernt, viel Spaß gehabt, neue MitstreiterInnen gefunden, klasse Essen (ein Lob an Markus und Gina für ihre edle vegane Küche). Die Presseresonanz war gut, selbst dpa, die sonst eher selten auf solche Aktionen anspringen, waren interessiert. Die örtlichen Medien berichteten positiv.

Das Fazit: Es war eine kreative und ungeheuer Spaß machende Veranstaltung, die in jedem Fall wiederholt werden sollte – ohne die organisatorischen Mängel, die es (leider) auch gegeben hat. Die Auswertung durch das Orga-Team hat bereits stattgefunden – eine Neuauflage wird angestrebt. Wann das geschehen könnte, ist allerdings noch ungewiss, jedoch sicher nicht kurz vor einem Castor-Transport.

Eine DVD mit einem Video und vielen Fotos ist beim LV Baden-Württemberg der DFG-VK erhältlich. Weitere Informationen, insbesondere Pressartikel finden sich unter www.paxx-action.net

Ausgabe

Rubrik

Initiativen
Stephan Brües ist freier Journalist/Texter und Co-Vorsitzender des Bunds für Soziale Verteidigung.