20. Jahrestagung des Bund für Soziale Verteidigung

Gewaltfrei unter Besatzung

von Marek Voigt
Initiativen
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( c ) Netzwerk Friedenskooperative

Apathie und Anpassung oder bewaffneter Kampf - in den westlich besetzten Ländern dieser Welt wie Irak, Afghanistan, Palästina scheint es für die dortige Bevölkerung nur diese Wahl zu geben. Den Bund für Soziale Verteidigung (BSV), dem es seit seiner Gründung um gewaltfreie Lösungen geht, interessieren aber vor allem die Akteure, die ihren Kampf um soziale Rechte, Selbstbestimmung und Demokratie mit friedlichen Mitteln führen. Einer ist Haider al-Behadili. Der junge Iraker berichtete bei der Jahrestagung zum 20jährigen Bestehen des BSV, wie seine Organisation versucht, die polarisierte politische Situation im Irak zu durchbrechen. La’Onf, was arabisch für “Keine Gewalt” ist, wirbt in der Bevölkerung für die Einsicht, dass gewaltfreie Strategien der effektivste Weg des Widerstands gegen Besatzung und Terrorismus sind.

Das 2005 gegründete Netzwerk besteht aus über 100 Organisationen und ist in allen Provinzen des Irak vertreten. Inzwischen sind ihre Trainings in Gewaltfreiheit so stark nachgefragt, dass sie zur Ausbildung von Trainern übergehen mussten, die diese nun dezentral in den Provinzen des Iraks durchführen. Haider al-Behadili, der Rechtsanwalt ist Vorstandsmitglied von La’Onf, berichtete vor allem von der “Woche der Gewaltfreiheit”, die La’Onf jährlich landesweit durchführt. In Aktionen, Lesungen, Diskussionen, Ausstellungen und Tanzperformances wirbt La’Onf für seine Vision eines friedlichen Weges zu politischer, sozialer und ökonomischer Veränderung. Besonders wichtig ist für sie die internationale Unterstützung. In den letzten Jahren haben sich auch Gruppen in verschiedenen Städten der USA und in Europa daran beteiligt. „Das ist für uns sehr ermutigend“, sagte al-Behadili.

Neben al-Behadili berichteten weitere Gäste über die Situation in verschiedenen besetzten Gebieten. Karin Mlodoch von Haukari e.V. über ihre Sicht auf die Situation im Irak, Dr. Yahya Wardak vom Afghanistan Information Center (AFGHANIC) und Herbert Sahlmann – ehemaliger Beauftragter des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung im Aufbauteam von Kundus – schilderten ihre Eindrücke aus Afghanistan, Annika Müller, die über gewaltfreie Akteure in Palästina geforscht hat und Jürgen Menzel, der im Sudan als Friedensfachkraft gearbeitet hat, brachten Erfahrungen aus weiteren Konfliktregionen ein.

Auf dem Festakt zum 20jährigen Bestehen des BSV wies der Bürgermeister von Minden, Michael Buhre, darauf hin, dass es nicht zufällig Minden war, in dem der BSV gegründet wurde und wo er noch heute seinen Sitz hat. Das Thema Frieden habe in Minden eine lange Tradition: Seit den 70er Jahren gibt es eine aktive Friedensszene in der Stadt, vor allem die Arbeitsgemeinschaft Friedenswoche Minden, die die Gründung des BSV mit initiierte. In den 80ern setzte die Stadt mit dem Friedensbeschluss ein Zeichen für Abrüstung. Noch heute ist der Bürgermeister stolz auf den „Friedensplatz“ im Zentrum. Buhre würdigte die Arbeit des BSV als eine „Erfolgsgeschichte“.

Freilich lassen sich die Erfolge nur in kleinen Schritten messen, verglichen mit den Hoffnungen, die gerade auch die BSV-Aktiven nach dem Ende der Blockkonfrontation hatten. Theodor Ebert, einer der beiden Gründungsvorsitzenden des BSV, hielt eine sehr persönliche Festrede. Für den 72-Jährigen, der seit 50 Jahren friedenspolitisch engagiert ist, ist die Geburtstagsrede für den BSV auch so etwas wie eine Bilanz des eigenen politischen Wirkens.

Ebert sieht in der Einführung des Zivilen Friedensdienstes, den der BSV und die Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg initiiert haben, den wichtigsten politischen Erfolg des Verbands. Er ist dennoch unzufrieden: „Ich habe mir den ZFD viel massenhafter vorgestellt“ kritisiert Ebert. Das Instrument solle ausgeweitet werden zu einem von vielen Menschen getragenen zivilgesellschaftlichen Netzwerk der Gewaltfreiheit.

Ebenso ambivalent fiel sein Fazit der gewaltlosen Aufstände in Osteuropa aus: Zwar hätten sie Lernprozesse ausgelöst und das Vertrauen in gewaltfreie Aktionsformen gestärkt, aber ohne die Nachhaltigkeit, die man sich erhofft hatte (Ebert: „In die Nato wollten alle rein!“).

Dennoch hält Ebert die Ausgangssituation heute für besser als vor 20 Jahren, wozu auch der BSV beigetragen habe: „Die Deutschen hatten noch nie so viel Ahnung von den Möglichkeiten der gewaltfreien Aktion wie heutzutage, und es würde mich nicht allzusehr wundern, wenn sie von diesem Zutrauen zur gewaltfreien Aktion in nicht allzu ferner Zukunft auch politisch Gebrauch machen würden.“

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