Buchbesprechung

Gewaltfreiheit und islamische Gebote

von Christine Schweitzer

Der renommierte thailändische muslimische Friedensforscher Chaiwat Satha-Anand hat in einem kleinen Büchlein sechs Artikel und Vorträge gesammelt, die im Zeitraum zwischen 1986 und 2004 entstanden sind. Mit einer neugeschriebenen Einleitung versehen, geben sie einen Einblick sowohl in islamische Begründungen und Rechtfertigungen für gewaltfreie politische Aktion wie Beispiele von muslimischen Gemeinschaften, die sich für gewaltfreie Vorgehensweisen entschieden.

Satha-Anand verfolgt in seinen Aufsätzen eine zentrale These: Die Verfolgung gewaltfreier Alternativen zu Krieg und bewaffnetem Kampf erlaubt Muslimen, zwei fundamentalen islamischen Prinzipien treu zu bleiben: Dem Schutz menschlichen Lebens und der Kampf gegen Ungerechtigkeit in der Welt. Für das erste dieser Prinzipien, den Schutz menschlichen Lebens, zitiert der Autor immer wieder einen Vers aus dem Koran, der in der Diskussion um Gewalt im Islam bekannt ist:

Aus diesem Grunde haben Wir den Kindern Isrāʾīls vorgeschrieben: Wer ein menschliches Wesen tötet, ohne (dass es) einen Mord (begangen) oder auf der Erde Unheil gestiftet (hat), so ist es, als ob er alle Menschen getötet hätte. Und wer es am Leben erhält, so ist es, als ob er alle Menschen am Leben erhält.“ (1) Er weist dabei darauf hin und belegt durch Hinweise auf die jeweils verwendeten arabischen Begriffe für töten und retten, dass die Erhaltung des Lebens im Koran höher gewertet werde als das, was im ersten Teil dieses Verses ausgesagt wird.

Das Prinzip des Kampfs gegen Ungerechtigkeit ist genauso im Islam angelegt, denn der Islam ist, so der Autor, mehr aktionsorientiert als andere Glaubensrichtungen. Satha-Anand argumentiert, unter Hinzuziehung westlicher ForscherInnen über gewaltfreie Aktion wie Gene Sharp, Kurt Schock und Chenoweth/Stephan, dass allein gewaltfreie Aktion es vermag, Unrecht zu bekämpfen, ohne sich gegen Gott zu versündigen:

Für einen Muslim bedeutet, gewaltfreie Aktion anstelle Gewalt zu wählen, nicht nur, eine effektivere Waffe zu wählen, sondern eine, die in Übereinstimmung steht mit der Realität eines Menschenlebens, das durch den Glauben als heilig gilt.“ (S. 22)

Die Zielgruppe des Buches sind Menschen muslimischen Glaubens bzw. Hintergrunds. Deshalb ist zu hoffen, dass es Verbreitung über die üblichen friedensbewegten Kreise hinaus findet und z.B. zur Lektüre in Universitäten wird. Es gibt aber auch für Menschen ohne islamischen Hintergrund viel Interessantes zu erfahren, denn man sieht, wie aus einer islamisch-theologischen Perspektive heraus für Gewaltfreiheit plädiert werden kann.

 

Anmerkung
1 Dt. Übersetzung: http://islam.de/13827.php?sura=5

Satha-Anand, Chaiwat (2017): Nonviolence and Islamic Imperatives, Sparsnas: Irene Publishing, ISBN 978-91-88061-11-9, 178 S., € 24,80

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Hintergrund
Christine Schweitzer ist Co-Geschäftsführerin beim Bund für Soziale Verteidigung und Redakteurin des Friedensforums.