Go In & Sit Out am US-Hauptquartier EUCOM

von Wolfgang Sternstein
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"Ziviler Ungehorsam wird zu einer heiligen Pflicht, wenn der Staat den Boden des Rechts verlassen hat." M.K. Gandhi.

Im Rahmen der diesjährigen Ostermärsche riefen die Organisationen Ohne Rüstung Leben und EUCOMmunity zu einem "Go In & Sit Out" am EUCOM auf. Es gab ein reichhaltiges Programmangebot:
 

einen ökumenischen Gottesdienst neben dem Tor des EUCOM, veranstaltet von Pax Christi, Bistumsstelle Limburg, unter Leitung von Pfarrer Herbert Froehlich, Heidelberg,
 

eine Mahnwache vor dem Tor des EUCOM,
 

eine Blockade der Zufahrt zum EUCOM (Sit Qut),
 

eine Entzäunungsaktion (Go In).
 

Bei der Mahnwache wurden Transparente gezeigt, auf denen u.a. zu lesen war: We close the Nuclear Deadquarter US-EUCOM (Wir schließen das nukleare Todesquartier US-EUCOM), Army go home und The ICJ demands: Abolish Nukes - start now! (Der Internationale Gerichtshof fordert: Schafft endlich die Atomwaffen ab).

Nach Abschluss der Veranstaltung kam es zu der angekündigten Blockade der Zufahrt zum EUCOM, der sich spontan einige Dutzend Personen anschlossen, so dass die Straße durch etwa 40 Menschen gesperrt war. Es herrschte eine heitere, ausgelassene Stimmung. Eine Tanzgruppe - vermutlich Kurden - gab ihr Bestes, um die Sitzenden und Umstehenden zu unterhalten.

Die Staatsmacht wollte durch martialisches Auftreten offenbar von Aktionen des zivilen Ungehorsams abschrecken. Auch die Staatsanwaltschaft trug das ihre dazu bei. Sie hatte bereits einige Tage zuvor die Geschäftsräume von ORL durchsuchen lassen, um den Verfasser des Aufrufs zu ermitteln. Unnötiger Aufwand. Ein Telefonanruf hätte es auch getan.

Auch fragt sich der betroffene Zeitgenosse, ob es wirklich nötig war, eine Polizeieinheit mit an Gürteln baumelnden langen hölzernen Schlagstöcken am Ort des Geschehens auftreten zu lassen.

Am problematischsten war indes der Einsatz von sechs berittenen Polizisten. Eines der Pferde war sehr unruhig und nur mit Mühe zu bändigen. So kam es denn auch zu einen folgenschweren Zwischenfall, als ein Mann, vermutlich in der guten Absicht, das Pferd von den am Boden sitzenden Blockierern wegzuziehen, in die Zügel griff. Dadurch verursachte er ausgerechnet, was er verhindern wollte. Das Pferd scheute, wich nach hinten aus und traf einen am Boden sitzenden Blockierer mit dem Hinterhuf. Folge: Rippenbruch und Milzriss.

Die jungen, offensichtlich überforderten Polizistinnen und Polizisten gingen bei der Räumung teilweise äußerst rüde zu Werk. Sie schleiften Blockierer durch Pfützen und warfen einen Blockierer, den sie hochgehoben hatten, auf die noch sitzenden.

Zeitgleich mit der Veranstaltung am Tor des EUCOM hatten 15 Personen versucht, in das Gelände einzudringen, was 13 von ihnen auch gelang. Sie pflanzten einen Apfelbaum und hielten eine Andacht ab. Ziel dieser symbolischen Platzbesetzung war es, der Forderung nach Abzug der Todeszentrale EUCOM samt der noch auf deutschem Boden stationierten rund 60 Atombomben durch zivilen Ungehorsam Nachdruck zu verleihen. Nur wenige Deutsche wissen ja, dass nahezu die gesamte Logistik für den Golfkrieg von 1991 und den Kosovokrieg im vergangenen Jahr vom EUCOM organisiert wurde. Von dort wird im Kriegsfall auch der Einsatzbefehl für die Atomwaffen in Europa gegeben, nachdem der Nationale Sicherheitsrat der USA den Einsatz freigegeben hat.

Wir haben uns leider viel zu sehr an die Bombe gewöhnt. Doch gilt unverändert, was der evangelische Theologe Helmut Gollwitzer in der Zeit des Widerstands gegen die Nachrüstung sagte: ,,Wir können auf die Dauer nicht mit der Bombe leben. Entweder schaffen wir sie ab, oder sie schafft uns ab."
 

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Dr. Wolfgang Sternstein ist Friedens- und Konfliktforscher mit dem Schwerpunkt Theorie und Praxis der gewaltfreien Aktion. Er kam als Wissenschaftler nach Wyhl, schloss sich aber schon bald der Widerstandsbewegung gegen das Atomkraftwerk an. In seiner Autobiografie „Mein Weg zwischen Gewalt und Gewaltfreiheit“ berichtet er ausführlich über den „Kampf um Wyhl“.