Gericht will soldatischen Kadavergehorsam

Golfkriegsprozesse gehen weiter

von Martin Singe
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Wir können hier nur kurz vom Bonner Gerichtsgeschehen berichten, bit­ten aber nach wie vor dringend, uns Informationen auch aus anderen Städten zuzusenden.

Die Prozesse gegen das Flugblatt der GRÜNEN und das Flugblatt der vier Vorsitzenden christlicher Friedensorga­nisationen waren überraschenderweise mit Freisprüchen ausgegangen. Bei den GRÜNEN wurde argumentiert, daß sich der Aufruf erst auf einen noch in der Zukunft liegenden Fall eines Bundes­wehr-Ein­satzes bezog und der zudem insgesamt politisch umstritten war, je­denfalls habe der Desertionsaufruf so noch gar nicht greifen können. Bei dem Christen-Flug­blatt wurde vom Gericht zugestanden, daß dem Aufruf auch durch gesetzes­konforme Kriegsdienstverweigerung­hätte gefolgt werden können, zumal alle sich real weigernden Soldaten wie Kriegsdienst­verweigerer von der Bun­deswehr be­handelt worden sind.

Gegen beide Freisprüche hat die Bonner Staatsanwaltschaft Revision eingelegt, so daß es nun auf Landgerichtsebene weitergeht.

Im Fall des Flugblatts der Bonner Pax-Christi-Gruppe -- wir berichteten -- kam es zu einem rechtskräftigen Freispruch auf Landgerichtsebene. Allerdings ist dieser Freispruch mit einer derben und inakzeptablen politischen Begründung versehen. Der Freispruch erfolgte ledig­lich wegen Verbotsirrtums, während der Amtsgerichtsfreispruch teilweise auch inhaltlich dem Flugblatt folgte. Der Richter begründete schon bei der münd­lichen Urteilsverkündung, daß das zu schützende Rechtsgut die Gehorsams­struktur der Armee sei und das Gewis­sen im Ernstfall hintanstehen müsse. In der schriftlichen Begründung liest sich dies so:

"Wenn ein Wehrpflichtiger von seinem Grundrecht auf Kriegsdienstverweige­rung jedoch keinen Gebrauch macht, dann untersteht er der uneinge­schränkten Befehlsgewalt seiner Vor­gesetzten und muß seine Gewissensent­scheidungen zugunsten der Wertent­scheidungen der Gesellschaft zurück­stellen, auch wenn er sie im Einzelfall nicht billigt." (Landgericht Bonn, 3.kl. Strafkammer am 21.1.92, Az. - 33 S 18/92 -)

Lassen sich die Soldaten solches gefal­len? Oder sollte man das Landgerichts­urteil als Aufruf zur generellen Kriegs­dienstverweigerung verstehen? Soldaten müssen ihr Gewissen am Kasernentor abgeben. War da nicht schon mal was in unserer Geschichte?

 

 

 

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Martin Singe ist Redakteur des FriedensForums und aktiv im Sprecher*innenteam der Kampagne "Büchel ist überall! atomwaffenfrei.jetzt".