Militär

Golfstaaten: Wiederkehr der Wehrpflicht

von Rudi Friedrich
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Noch vor wenigen Jahren gab es in den Golfstaaten Bahrain, Katar, Oman, Saudi-Arabien, Vereinigte Arabische Emirate, Kuwait und Jordanien keine Wehrpflicht. Sogar der Irak hat die Wehrpflicht ausgesetzt. Das ist umso erstaunlicher, da in Nachbarstaaten in der Region seit vielen Jahren die Wehrpflicht besteht, so in Syrien, Israel, Zypern, Türkei, Ägypten und Iran. Eine Wehrpflicht gibt es auch in der de-facto autonomen kurdischen Region Rojava. Nun aber nimmt auch angesichts der dortigen Kriege und Konflikte die Militarisierung in den Golfstaaten zu – und die Wehrpflicht wird in verschiedenen Ländern wieder eingeführt.
Alle Staaten, die kürzlich die Wehrpflicht eingeführt haben, haben Spannungen mit ihren Nachbarstaaten. Im Falle von Kuwait und den Vereinigten Arabischen Emiraten ist das der Iran. Im Falle des Katar ist das Saudi-Arabien. Aber auch darüber hinaus strahlen der Krieg im Jemen, der Krieg in Syrien und die Konflikte im Irak sowie um Israel auf die Region aus.

2014 führten die Vereinigten Arabischen Emirate die Wehrpflicht zum ersten Mal ein. Der Militärdienst dauert zwölf Monate für Abiturienten und zwei Jahre für andere. Auch Frauen werden ermutigt, freiwillig der Armee beizutreten. Die Regierung sieht es als eine heilige Pflicht an, die Nation und die Unabhängigkeit und Souveränität zu verteidigen. Der Nationaldienst sei „eine Ehre“. Wer dieser Ehre entgehen will, sieht sich in den Emiraten vor allem damit konfrontiert, zu einer Geld- oder Haftstrafe verurteilt zu werden und keine Arbeitsstelle mehr erhalten zu können. Ob es ein Recht auf Kriegsdienstverweigerung gibt, ist nicht bekannt. Die Vereinigten Arabischen Emirate haben in den letzten Jahren auch in Armee und Marine investiert. Nach Angaben des Stockholmer Internationalen Friedensforschungsinstituts (SIPRI) haben die Vereinigten Arabischen Emirate zwischen 2010 und 2017 weltweit Waffen für mehr als 9 Mrd. US-Dollar eingekauft, vor allem aus den USA.

Im nahegelegenen Kuwait wurde die Wehrpflicht 2017 erneut eingeführt, nachdem das vom Kabinett im Mai 2015 verabschiedete Wehrpflichtgesetz in Kraft trat. Auch Frauen können sich freiwillig zum Militärdienst melden. Die Wehrpflicht war in Kuwait 2001 ausgesetzt worden, eine Wiedereinführung wurde in den letzten Jahren regelmäßig diskutiert. Interessanterweise meldete die in Abu Dhabi angesiedelte online-Zeitung The National im Juli letzten Jahres, dass sich über die Hälfte der Wehrpflichtigen nicht gemeldet habe. Das Gesetz sieht bei Nichtableistung der Wehrpflicht eine Verlängerung der Dienstzeit, Reisebeschränkungen und auch Haft vor. Ein Recht auf Kriegsdienstverweigerung gibt es offensichtlich nicht. Kuwait hat in den letzten Jahren für etwa 1,5 Mrd. US-Dollar Waffen eingekauft. Auch in diesem Fall sind die USA mit großem Abstand der wichtigste Waffenlieferant.

In Katar wurde die Wehrpflicht erstmals 2014 eingeführt. Im April 2018 meldete die Zeitung Daily Sabah, dass nach dem neuen Nationaldienstgesetz Männer im Alter zwischen 18 und 35 Jahren nun ein Jahr Militärdienst ableisten müssen, die Dienstzeit somit um mehr als das Dreifache verlängert wurde. Frauen können freiwillig zur Armee gehen. Verteidigungsminister Hamad bin Ali Al-Attiyah erklärte, dass dies dazu beitragen würde, Katarer zu „idealen Bürgern“ zu machen. Wer sich nicht zum Militärdienst meldet und den Einberufungen nicht nachkommt, dem droht eine Geld- oder Haftstrafe. Zudem kann er weder eine Arbeit im öffentlichen Dienst oder bei nichtstaatlichen Organisationen annehmen, noch eine Genehmigung zur Eröffnung eines Geschäfts erhalten oder sich arbeitsuchend melden. Ein Recht auf Kriegsdienstverweigerung ist unbekannt. Katar steigerte die Rüstungsausgaben zwischen 2014 und 2017 um 1.200% und gab insgesamt von 2010 bis 2017 2,7 Mrd. US-Dollar für Rüstungskäufe aus. Auch in diesem Fall sind die USA der größte Waffenexporteur. Deutschland steht mit insgesamt 444 Mio. US-Dollar an zweiter Stelle.

Für alle drei Staaten lässt sich zwar sagen, dass die Militarisierung und damit auch die Einführung der Wehrpflicht im Zusammenhang mit den Kriegen und Konflikten in der Region stehen. Wichtiger scheint aber zu sein, dass von den jeweiligen Regierungen der erzwungene Militärdienst als eine Möglichkeit angesehen wird, die Betroffenen zu Patriotismus und Loyalität für das Land zu erziehen. Neben dem militärischen Training und der Ausbildung sind Wehrpflichtige eine wesentliche Zielgruppe für die Propaganda der Regierungen. „Es gibt kaum einen besseren Platz für die Indoktrinierung der eigenen BürgerInnen“, so der in Texas lehrende Professor Zoltan Barany, „als im Militärdienst“.

Quellen: Hannah Brock (2018): Kehrt die Wehrpflicht zurück, WRI; Zoltan Barany (2017): Big News! Conscription in the Gulf, Januar

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