Heckler & Koch

Grüne-Länder-Strategie von H&K-Geschäftsführung gezielt ausgehebelt

von Jürgen Grässlin
Hintergrund
Hintergrund

Jahreshauptversammlungen (HV) von Unternehmen haben für gewöhnlich ein Vorspiel der besonderen Art – zumindest dann, wenn sich kritische Aktionärinnen und Aktionäre zusammenfinden. So stellte ich für die Kritischen AktionärInnen in Heckler & Koch (KA H&K) auch diesmal einen Gegenantrag zur Nichtentlastung des H&K-Vorstands, der bereits zeitig vor der HV auf der Website des Unternehmens veröffentlicht wurde. (1)

Am Vorabend der diesjährigen 5. Jahres-HV vom 12. Juli 2019 konnten wir einen immensen Erfolg verbuchen. In den HVs 2017 und 2018 hatten wir noch vergeblich beantragt, MedienvertreterInnen zuzulassen. Quasi zum Ausgleich hatten wir mehreren JournalistInnen mit unseren Aktien Eintritt verschafft. Am Abend des 11. Juli erreichte uns die Nachricht, dass diesmal – endlich – JournalistInnen zugelassen sein würden, was wir sofort bundesweit publik machten.

Tags darauf nahm das Szenario seinen Lauf. Vor Versammlungsbeginn gedachten wir in einer Schweigestunde der zahlreichen Toten, die ihr Leben durch den Einsatz von H&K-Waffen verloren hatten. Der Tod bedankte sich nachdrücklich bei den H&K-Verantwortlichen für deren Beihilfe zum Morden in Mexiko und an vielen weiteren Orten der Welt.

Diese dritte Beteiligung Kritischer AktionärInnen an der Hauptversammlung der Heckler & Koch AG erbrachte mit rund 30 aktiven TeilnehmerInnen außerhalb der Versammlung und mit rund 20 aktiven AktionärInnen in der Versammlung – darunter 15 FragestellerInnen unsererseits – eine erneute Steigerung der Anzahl redeberechtigter kritischer AktionärInnen (nach 2017 mit sieben und 2018 mit 13 TeilnehmerInnen). Insgesamt stellten AktionärInnen in der ersten Runde 125 Fragen – 120 davon stammten von uns, zudem die weiteren Fragen bzw. Nachfragen in der zweiten und dritten Fragerunde. (2)

Die Fragen wurden unsererseits in nummerierter Reihenfolge gestellt und zumeist von Vorstand und Aufsichtsrat – wie gewünscht – in der entsprechenden Nummerierung beantwortet. In Runde 1 nicht beantwortete Fragen wurden in den kommenden Fragerunden von uns erneut eingebracht und letztlich auch beantwortet – allerdings nicht immer in der gewünschten Ausführlichkeit und Klarheit. Bei der Beantwortung einiger Fragen wurde auf „Geheimhaltungspflichten“ oder „laufende Rechtsverfahren“ verwiesen und die Antwort verweigert.

Heckler & Koch & der VfB Stuttgart
„Was haben der VfB Stuttgart und Heckler & Koch gemeinsam?“ Humorvoll gestellt, traf meine Frage bei der diesjährigen Hauptversammlung von H&K mitten ins Zentrum der Wechselwelt des führenden deutschen Kleinwaffenherstellers und -exporteurs. Gelacht hat über Frage und Antwort meinerseits dementsprechend keiner auf dem Podium von Vorstand und Aufsichtsrat.

Denn einmal mehr waren die Topmanager bei H&K innerhalb von nur zwei Jahren ausgetauscht worden. Aus ungutem Grund: Im Sommer 2017 hatten mit dem H&K-Vorsitzenden Norbert Scheuch und dem Aufsichtsratsvorsitzenden Dieter John zwei Manager die H&K-Bühne betreten, die frischen Wind in die Jahrzehnte währende Verkrustung brachten, erstmals unumwunden den Medien für Nachfragen zur Verfügung standen und die konsequente Umsetzung der sogenannten „Grüne-Länder-Strategie“ garantierten.

Genau diese Garantie – die der Aufsichtsratschef Dieter John mir bei einem persönlichen Anruf seinerseits direkt nach dem Abgang des Vorsitzenden Scheuch erneut bestätigte – sollte an diesem Tag an einem entscheidenden Punkt von den neuen H&K-Oberen ausgehebelt werden. Scheuch wurde durch den Rüstungsmanager Jens Bodo Koch ersetzt, John durch den vormaligen Generalinspekteur der Bundeswehr, Harald Kujat – fortan weht ein anderer Wind.

Kujats Aufgabe ist klar definiert: Der General a.D., der kurz nach der HV zum Aufsichtsratsvorsitzenden gewählt worden ist, soll seine intensiven Kontakte ins Bundesverteidigungsministerium nutzen. Ziel ist, den rund 250 Millionen Euro schweren Beschaffungsauftrag für die 120.000 Nachfolgegewehre der auszumusternden G36 für H&K an Land ziehen – für H&K angesichts des Finanzdesasters eine Überlebensfrage.

Keine Frage, Kujats Einstellung ist ein geschickter Schachzug des H&K-Mehrheitsanteilseigner Andreas Heeschen, der die Fäden hinter den Kulissen zieht und mit Kujat einen versierten Strippenzieher auf den Oberndorfer Lindenhof geholt hat. Heeschen besitzt weit mehr als 50 Prozent aller H&K-Aktien, wie auf der HV in den Unterlagen eingesehen werden konnte. (3)

Viel zu viele „Grüne Länder“
Gemäß der ursprünglichen Fassung der „Grünen-Länder-Strategie“ werden zukünftig einzig noch NATO- und EU-Staaten H&K-Waffen erhalten. Die neue H&K-Geschäftsführung hat diese ursprünglich eindeutige Festlegung – ohne Ausnahmen – mit dieser HV kräftig erweitert und damit massiv aufgeweicht. Neu beliefert werden dürfen auch Brasilien, Chile, Indien, Indonesien, Jordanien, Malaysia, Oman, Singapur und Südkorea. Diese Staaten sollen laut H&K-Führung – trotz teilweise desaströser Menschenrechts- bzw. Sicherheitslage – „zur Wertegemeinschaft Deutschlands“ gehören, u.a. wg. Verträgen mit Europol und/oder Bundeswehrstandorten.

Immerhin: Brasilien unter Bolsonaro und sogar der NATO-Partner Türkei werden zukünftig nicht mehr beliefert. Erste Zwischenerfolge auf dem Weg in Richtung Rüstungskonversion und Waffenproduktionsstopp.

Positive Medienresonanz
Einmal mehr konnten wir uns über mangelnden Zuspruch der Medien nicht beklagen. Printmedien informierten bundesweit mit guter bis sehr guter Wahrnehmung der H&K-Hauptversammlung und der Aktivitäten der Kritischen AktionärInnen. (4)

Dankenswerterweise koordinierte Tilman Massa von den Kritischen AktionärInnen in Köln unsere Pressemitteilungen. Unsere Informationen wurden zudem über twitter verbreitet von Ruth Rohde für das RüstungsInformationsBüro (RIB e.V.), Michael Schulze von Glaßer für die DFG-VK, Alexander Lurz für Greenpeace und Andrew Feinstein auf internationaler Ebene – ein Dank an alle UnterstützerInnen.

Positives Resümee mit klarer Aufgabenstellung
Immer mehr entpuppen sich Kritische AktionärInnen als ebenso effiziente wie erfolgreiche Organisationsform, um Licht ins Dunkel der Machenschaften deutscher Rüstungskonzerne zu bringen. Den KA Heckler & Koch ist es mit ihrer Schweigestunde direkt vor der Hauptversammlung gelungen, visuell auf die zahlreichen Opfer des hemmungslosen und teilweise widerrechtlichen Exports von Sturmgewehren nach Mexiko und auch weltweit aufmerksam zu machen.

In der Hauptversammlung gelang es den KA H&K mit den vielfachen Wortbeiträgen und weit mehr als 120 Fragen in mehreren Fragerunden, das Unternehmensdesaster von H&K in seiner gesamten Breite aufzuzeigen (siehe hierzu auch Gegenantrag zur Nichtentlastung des Vorstands) – was in zahlreichen Medienberichten positiven Widerhall gefunden hat. Die Antworten der H&K-Geschäftsführung waren insgesamt aufschlussreich, nicht immer in erfreulichem Sinne, wie die Marginalisierung der Grüne-Länder-Strategie ungut belegt.

Als weiterer Erfolg der KA darf die erfreuliche Medienresonanz verbucht werden: So gab die Berichterstattung in den Medien nicht einzig die einseitig positive Darstellung von Vorstand und Aufsichtsrat zu den Bilanzzahlen 2019 (nicht 2018!) wieder, sondern auch unseren stark konträren Kenntnisstand in vielerlei Hinsicht wieder. In den kommenden Jahren wird die Bedeutung der KA H&K weiter wachsen: Denn wir werden akribisch recherchieren, welche Menschenrechtsverletzungen 2019 weltweit und eben auch in den ungrünen „neuen grünen Ländern“ mit H&K-Waffen verübt werden. Die kommende HV birgt massiv Zündstoff.

Anmerkungen
1 Siehe https://www.heckler-koch.com/de/ir/ir-mitteilungen.html). Unser Gegenantrag findet sich in mehreren Sprachen (Englisch, Spanisch etc.) auf der Website des GLOBAL NET – STOP THE ARMS TRADE, siehe www.gn-stat.org > CASE 02 MEXICO.
2 Vorliegende Fragen und Antworten von Alexander Schleicher, Wolfgang Landgraeber, Charlotte Kehne, Clemens Lippok, Ruth Rode, Verena Nerz, Frank Chudoba, Helmut Lohrer, Kathrin Petz, Ulrich Pfaff, Wolfgang Steuer und meinerseits können beim RIB e.V. (jg [at] rib-ev [dot] de) angefordert werden.
3 Großaktionäre der H&K AG sind:
Andreas Heeschen (1), Vertreter: Bergemann, Hanns-Friedrich (Köln) – 797.350 Aktien in Eigenbesitz
Ignition Finance II B.V., Vertreter: Bergemann (Köln) – 3.800.000 Aktien in Eigenbesitz
Deutsche Bank AG, Vertreter: Habermaas, Volker (Leinfelden-Echterdingen) – 814.225 im Vollmachtbesitz
BNP Paribas Securities Services, Vertr.: Martina Klein, Oberndorf / Denis Gutmann – 1.240.713 im Vollmachtbesitz
Andreas Heeschen (2), Vertreter: Bergemann (Köln) – 15.000.787 Aktien in Eigenbesitz
4 dpa, DER FREITAG, DER SONNTAG, Handelsblatt, Schwarzwälder Bote, DIE WELT, Südkurier, junge welt u.v.a.m.. Auch SWR Fernsehen, SWR Radio und Deutschlandfunk waren vor Ort und berichteten. Siehe https://avdlswr-a.akamaihd.net/swr/swraktuell/bw/tv/1135708.sm.mp4 [siehe ab 9.40 min.] und https://www.deutschlandfunk.de/heckler-und-koch-volle-auftragsbuecher-be...

Wichtige Websites:
www.rib-ev.de, www.gn-stat.org, www.aufschrei-waffenhandel.de, www.dfg-vk.de, www.kritischeaktionaere.de

RüstungsInformationsBüro (RIB e.V.)
Stühlingerstr. 7, 79106 Freiburg
Tel.: 0761-76 78 088, Fax: 0761-76 78 090
E-Mail: rib [at] rib-ev [dot] de

Kritische Aktionäre
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Postfach 30 03 07, 50773 Köln
Pellenzstr. 39 (Hinterhaus), 50823 Köln
E-Mail: dachverband [at] kritischeaktionaere [dot] de
Telefon: 0221-599 56 47, Fax: 0221-599 10 24

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Hintergrund
Jürgen Grässlin ist Sprecher der Kampagne »Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel!«, Bundessprecher der Deutschen Friedensgesellschaft - Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK), Sprecher der Kritischen AktionärInnen Daimler (KAD) und Vorsitzender des RüstungsInformationsBüros (RIB e.V.).