Wie man außerhalb des Blickfelds bleibt, während man vom Krieg im Irak profitiert

Halliburton – Vergessen und vergeben?

von Pratap Chatterjee

Das Houstonian Hotel ist ein elegantes, abgeschlossenes Erholungszentrum in einer 18 Morgen großen bewaldeten Oase im Herzen Houstons. Vor kurzem sprach dort David Lesar, Generaldirektor des einstmals berüchtigten Energie-Dienstleistungsunternehmens Halliburton vor rund 100 Aktienbesitzern und führenden Managern, die sich anlässlich des jährlichen Treffens des Unternehmens versammelt hatten. Alles war beachtenswert nüchtern, als sie den 4-Milliarden Dollar-Gewinn des Unternehmens des Jahres 2008 feierten - ein beachtenswerter 22% Gewinn zu einer Zeit, in der viele Unternehmen Rekordverluste anmelden. Analytiker sehen darin ein Beispiel für die allgemeine Meinung, dass jedes Unternehmen in der Ölindustrie gute Aussichten auf eine profitable Zukunft hat.

Es gab dieses Jahr keine Demonstranten vor dem Hotel, noch jene Art von nationaler Medienpräsenz, wie sie üblich war, als Lesar vor der gleichen Gruppe in dem noblen Four Seasons Hotel in Houston 2004 sprach. Damals sahen sich Dutzende von berittenen Polizisten  300 Protestierern in den Straßen gegenüber, während eine Gruppe aus San Francisco, die sich selbst „Das Ronald Reagan Heim für die kriminell Wahnsinnigen“ nannte, AktivistInnen in Bush- und Cheney-Masken ausschickte, die Passanten gefälschte 100-Dollar-Scheine anboten. Und man vergesse nicht das 25-Fuß-große aufblasbare Schwein, mit dem Aktienbesitzer verspottet wurden. Lokale Fernsehteams schwärmten umher, ein nationales Team von NBC kam aus New York eingeflogen und Reporter der Financial Times und des Wall Street Journal machten sich eifrig Notizen.

Jetzt sind die 25-Fuß-Schweine verschwunden und im Westen ist alles ruhig. Wie konnte es Halliburton, einst als das hässliche Adoptivkind von Dick Cheney – dem früheren Generaldirektor der Gesellschaft – und als das Modell für Kriegsprofiteure bezeichnet, gelingen, eine solche Absolution von Antikriegsaktivisten und den Medien zu erhalten? Natürlich sind die Niederlage der Republikaner in den Wahlen 2008, der Weggang der Bush-Administration und eine generelle Apathie gegenüber dem fortgesetzten, aber auf niedrigerem Niveau stattfindenden Krieg im Irak eine Teil der Antwort. Aber man ignoriere nicht das brilliante finanzielle Spiel von Halliburton selbst. Dieses Spiel hatte eine wesentliche Rolle bei der Reinigung des Unternehmens.

„Verbrennen und Plündern“
Halliburton ist seit den frühen sechziger Jahren in Kriegsgebieten tätig, als es die Baufirma Brown & Root erwarb und vom Pentagon beauftragt wurde, die Infrastruktur für den Vietnamkrieg zu schaffen. Damals bekam es den Spitznamen „Verbrennen und Plündern“. Nach mehr als drei Jahrzehnten abseits der Nachrichten-Öffentlichkeit kehrte es im März 2003 mit der Invasion des Irak plötzlich in die nationale Aufmerksamkeit zurück. Denn schließlich hatte nicht nur sein früherer Generaldirektor die öffentlichen Trommeln für eine Invasion gerührt, sondern sein Tochterunternehmen KBR (das ehemalige Brown & Root) erhielt einen riesigen, nicht terminierten Multi-Milliarden Dollar Vertrag, um die neue Infrastruktur der Militärbasen zu bauen und zu warten, die das US Militär eilig in dem Land errichten wollte. Mehr als sechs Jahre später hat KBR über 31 Milliarden USD für eine Vielzahl von Diensten für das US-Militär erhalten, vor allem im Bereich der Logistik, und das Geld fließt weiter.  Das Unternehmen schätzte, dass es im April 2008 unter einem erneuerten Vertrag mehr als 720 Millionen Mahlzeiten verteilt, mehr als 400 Millionen Meilen in verschiedenen Konvoimissionen gefahren, mehr als 12 Milliarden Gallonen Trinkwasser aufbereitet und mehr als 267 Millionen Tonnen Eis produziert habe. Während diese Zahlen beeindruckend sein mögen, so sind es auch die verschiedenen Beschuldigungen von Seiten von Untersuchungsführern des Pentagon, die Godzilla-artige überhöhte Rechnungen und Verschwendung anklagen, um nicht von den rasant wachsenden Klagen über Pfusch am Bau zu sprechen. Diese schließen fehlerhafte elektrische Leitungen ein, die zu Todesfällen und Verletzungen auf den von KBR gebauten Basen geführt haben, und das Versagen, den Truppen angemessen sauberes Wasser zur Verfügung zu stellen. Und dann gibt es jene Anschuldigungen des Kriegsprofiteurtums, die von Gruppen von Aktivisten und Politikern erhoben werden.

Im September 2004 kündigte Lesar an, dass Halliburton überlege, KBR als eigene Firma von sich zu lösen. Teilweise, so behauptete er, weil es Hauptangriffspunkt einer „böswilligen Kampagne“ politischer Angriffe war und seine Angestellten „es nicht verdienten, ihre Jobs für  politische Gewinne bedroht zu sehen“. Es dauerte drei Jahre, aber im April 2007 war die Trennung von KBR vollzogen. Es ist jetzt offiziell selbstständig, und das Resultat scheint für beide Unternehmen beinahe einem Wunder gleichzukommen. Keine Protestler haben jemals die drei jährlichen Aktionärsversammlungen von KBR besucht, die bislang stattgefunden haben, obwohl KBRs Aktivitäten in Kriegsgebieten sich kaum verändert haben. Und gerade fünf kamen zu Halliburtons Versammlung 2008.

Fünf Kritische Aktionäre schafften es, das Jahrestreffen von Halliburton zu besuchen, darunter ich. Als ich Lesar über die Verbindungen des Unternehmens zu KBR fragte, antwortete er eindeutig: „Lasst uns als allererstes klar darüber sein, dass KBR und Halliburton legal getrennt sind.“

Knapp drei Monate vorher zögerte Halliburton jedoch nicht, 382 Mio USD Strafe an das US-Justizministerium als Teil einer Einigung zu einem kontroversen KBR Gasprojekt in Nigeria zu zahlen, bei dem das Unternehmen zugab, Bestechungsgelder in Höhe von 180 Mio USD an Regierungsbeamte gezahlt zu haben. Halliburton, so versicherte uns Lesar, war bereit, für diese Summe einzustehen, damit KBR alleine überleben konnte. Er bezeichnete die Zahlung als einen Akt von Großzügigkeit des Unternehmens. Ich fragte Albert Cornelison und Mark McCollum, Halliburtons Top-Anwalt und Finanzchef, ob das Unternehmen ebenfalls zugestimmt habe, jegliche zukünftigen Strafen gegen das Unternehmen wegen seiner monsterartigen militärischen Logistikaufträge im Irak zu bezahlen. Cornelison antwortete, dass er bezweifele, dass das Unternehmen finanzielle Verpflichtungen wegen KBRs Arbeit im Irak habe.

Militärische Untersuchungen gehen weiter
In Wirklichkeit war Halliburtons Entscheidung, KBR loszutrennen, gewiss an Hoffnungen gebunden, dass es in der Tat einer Reihe von anhängigen Untersuchungen und Klagen im Irak entgehen könnte, ebenso wie es die schlechte Publicity, die KBR generierte, runterfahren könnte. Doch in Fort Belvoir, Virginia, dem Hauptquartier der Defense Contract Audit Agency (DCAA), der Agentur, die zuständig für die Untersuchung der Zahlungen des Pentagon an KBR ist, fährt eine kleine Gruppe von Untersuchungsbeamten fort, die Fehler des Unternehmens zu verfolgen.

Im frühen Mai erklärte DCAA Direktor April G. Stephenson in einem Hearing auf dem Kapitol, der unabhängigen, zweiparteilichen und vom Kongress mandatierten Commission on Wartime Contracting im Irak und Afghanistan, dass seit 2004 ihre Angestellten 32 Fälle des Verdachtes von überhöhten Rechnungen, Bestechung und anderen Gesetzesübertretungen an den Generalinspekteur des Pentagon geschickt haben. Die „große Mehrheit“ dieser Fälle, so sagte sie aus, waren mit KBR verbunden, das verblüffende 43% aller Mittel erhielt, die das Pentagon im Irak ausgegeben hat. „Ich glaube nicht, dass wir ein Programm, einen Vertrag oder Vertragnehmer kennen, der diese Anzahl an Suspensionen oder Verweisen hatte“, sagte sie im Hearing. Um nur ein Beispiel für typische Praktiken von KBR zu nennen, die auf dem Hearing offengelegt wurden, so hatte die Firma angeblich dem Pentagon 4,100 Wohncontainer für Militärbasen im Irak zu einem Durchschnittspreis von 38.000 USD in Rechnung gestellt, obwohl ein anderes Unternehmen gleiche Einheiten für 18.000 USD das Stück anbot.

Doch letztlich mag all das keinen Ausschlag geben, wenn das Pentagon so weitermacht, wie es kürzlich begann. Stephenson berichtete, dass das Pentagon bereits zugestimmt hat, mindestens 439 der 553 Mio Dollar zu bezahlen, die DCAA in Frage gestellt hatte, nachdem es die Erklärungen der Firma für jeden Einzelfall akzeptiert hatte.

Schockierende Enthüllungen
Das Pentagon scheint sogar bereit zu sein, KBR für Aufträge zu bezahlen, die u.U. zu dem Tod von Militärpersonal im Irak geführt haben, die an einem elektrischen Schlag starben, der durch schlampiger Arbeit der Elektriker des Unternehmens verursacht wurde.

Gerade als Lesar zu den Aktienbesitzern in Houston sprach, hielt das Democratic Policy Committee von Senator Byron Dorgan ein Hearing über KBR auf dem Kapitol ab. Es sagte Jim Child aus, ein Elektrikmeister, der von der US Armee angestellt wurde, um die Militäranlagen im Irak zu begutachten.

Childs behauptet, dass nicht weniger als 70.000 Gebäude, die KBR wartet und in denen Truppen leben und arbeiten, aufgrund falschgelegter Leitungen nicht sicher seien. „Als ich die Elektroarbeiten von KBR inspezierte, fanden meine Mitarbeiter und ich unsaubere Elektroinstallationen in jedem Gebäude, das wir untersuchten“, sagte Childs. Hunderte von Soldaten haben deshalb, so wird angenommen, elektrische Schläge in Duschen und an anderen Ort bekommen. Es gibt vier dokumentierte Todesfälle.

KBR leugnet natürlich alles. „Wir glauben, dass die Standards, die wir anwenden, bekannt waren und als akzeptabel in einer Expeditions-Umgebung galten“, sagte William P. Utt von KBR der Associated Press. „Wir glauben nicht, dass die Leitungen, die wir gelegt haben, potentiell gefährlich waren.“

Wer ist verantwortlich?
Eines der größten Probleme mit dem 2008 KBR Mega-Vertrag scheint zu sein, dass es nicht genügend Leute gibt, die ihn überwachen (und einige von denen dösen regelmäßig ein, wenn es um Zahlungsfragen geht). Von den 504 Supervisoren, die nach Schätzung des Pentagon notwendig wären, um KBRs Vertrag in Afghanistan zu überwachen, waren im April 2009 nur 166 tatsächlich im Feld.

In dem Hearing sagte Charles M. Smith, ein Veteran für Auftragsmanagement der US-Armee mit 31 Jahren Erfahrung, aus, dass das Pentagon bewusst Kritik an KBR ignoriere. Smith war zuständig für KBR-Aufträge in Afghanistan und Irak und dabei auch für Entscheidungen über Bonuszahlungen zuständig. Er weigerte sich, Bonuszahlungen zu leisten, weil das Unternehmen nicht in der Lage war, seine Kosten angemessen zu dokumentieren. Er glaubt, dass dies ein Grund war, dass er von seiner Aufgabe enthoben wurde. Smith wurde ein Whistleblower, nachdem er vor einem Jahr pensioniert wurde. Er sagte u.a.: „Das Hauptversagen scheint mir eine Kultur gewesen zu sein, die entschied, dass KBR zu groß sei, um zu versagen, und zu wichtig, um zur Rechenschaft gezogen zu werden. Die Armee wusste von KBRs schwacher Arbeit im Irak. Es gab zahlreiche Inspektionen und Berichte der Regierung. Trotzdem gab die Armee weiterhin KBR hohe Bonuszahlungen. Solch hohe Belohnungen scheinen für KBR geheißen zu haben, dass gute Arbeite nicht wirklich wichtig war.“

Zurück zu Halliburton
In der Zwischenzeit wurde Halliburton, das so viele Jahre die „Oberaufsicht“ über KBR innegehabt hat, in der Öffentlichkeit von allen Vorwürfe gereinigt und ist aus dem Blickfeld geraten. Es hat auch sein Bestes getan, Resolutionen von Kritischen Aktionären zu ignorieren. Einige der AktivistInnen setzen sich jedoch mit anderen Mitteln weiter mit dem Unternehmen auseinander. So zeigte z.B. der Pensionsfond der Polizisten und Feuerwehrleute von Detroit Mitte April David Lesar und andere Manager von KBR und Halliburton an und beschuldigt sie, eine „Herrschaft des Terrors“ auszuüben. Die Klage listet eine Reihe von Punkten auf, darunter Bestechungsannahme in Nigeria, überhöhte Rechnungen an das Pentagon, Menschenhandel und die Verschleierung der Vergewaltigung einer Angestellten.

Doch trotz all der Vorwürfe bekam KBR 2008 weitere 5,7 Milliarden USD vom amerikanischen Steuerzahler, 15% mehr als die 4,8 Milliarden, die es 2007 erhielt. Mit der geplanten Reduzierung der US-Truppen im Irak erwartet KBR, dass sein Einkommen dieses Jahr fallen wird. Aber die Aktienbesitzer müssen sich keine Sorge machen: Der Vertrag mit dem Pentagon, der im April 2008 unterzeichnet wurde, wird voraussichtlich erlauben, die Gewinne gegenüber den sechs Jahren zuvor mehr als zu verdreifachen.

Falls Vergeben und Vergessen jetzt die Norm ist, wenn es um Halliburton und KBR zu den Zeiten von Bush geht, so bleibt die Frage: Wird das Pentagon dieses „Reinigungsritual“ vollziehen oder wird es beide Unternehmen ernstlich untersuchen?

Aus: Corpwatch. Holding Corporations Accountable. www.corpwatch.org. Zuerst veröffentlicht am 31. Mai 2009 bei TomDispatch.com. Der Text wurde von der Redaktion (CS) übersetzt und leicht gekürzt.

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Pratap Chatterjee ist der Autor von „Halliburton's Army: How a Well-Connected Texas Oil Company Revolutionized the Way America Makes War.“ Er ist der frühere leitende Direktor von CorpWatch und Aktienbesitzer sowohl bei Halliburton wie KBR.