Buchbesprechung

Handbuch Frieden

von Christine Schweitzer

Die einschlägige wissenschaftliche wie auch die öffentliche Auseinandersetzung mit „Frieden“ wird häufig zu einer Auseinandersetzung mit den Phänomenen und den Problemen von Krieg, Rüstung und Militär. Das in diesem Frühjahr erschienene „Handbuch Frieden“ willeine Lücke füllen. Die Herausgeber beanspruchen, mit ihm das erste friedenswissenschaftliche Handbuch im deutschsprachigen Raum vorzulegen, in dem der Friede -und nicht Krieg oder Sicherheitspolitik - im Mittelpunkt steht.

Das Handbuch, das genau 50 Beiträge enthält, richtet sich in erster Linie an akademische Kreise (Lehrende wie Studierende), soll aber auch in der Erwachsenenbildung zum Einsatz kommen können und „Brücken zwischen unterschiedlichen gesellschaftlichen ‚Communities‘ bilden und zur Diskussion unter politischen Mandatsträgern, Soldatinnen und Soldaten, Akteuren der praktischen Friedensarbeit im In- und Ausland, kirchlichen Kreisen und in den Medien beitragen“ (S. 15).

Das Buch besteht neben einer Einleitung durch die beiden Herausgeber und einen Übersichtsartikel von Reinhard Meyers zu „Krieg und Frieden“ aus drei Hauptteilen: Im ersten (kürzesten Teil) geht es um Friedensforschung, Frieden in den Theorien der internationalen Beziehungen und „Frieden als Zivilisierungsprojekt“. Daran schließen 15 kurze Beiträge unter der Überschrift „ Begriffsfeld Frieden“ an. Die Themen in dieser Sektion sind recht unterschiedlich und reichen von abstrakten Begriffen wie „Gerechter Friede“ oder „Friedensmacht“ bis zu konkreten Praxisansätzen wie „Friedensdienste“  oder „Friedenskonferenzen / Friedensverträge“. Der dritte Teil schließlich enthält in alphabethischer Reihenfolge eine Reihe von Beiträgen zu Kontexten, in denen Frieden „konzeptuell, praxeologisch und praktisch eine tragende Rolle bereits besitzt oder erlangen kann“ (S. 17). Die Beiträge befassen sich u.a. mit Demokratie, Diplomatie, Entwicklung, Gender, Menschenrechte, Politikberatung, Ressourcen, Sport, Völkerrecht und Wirtschaft. Die Abgrenzung zwischen dem zweiten und dritten Teil bleibt leider etwas unklar, aber ein übersichtliches Inhaltsverzeichnis und die Erläuterungen in der Einleitung machen es der/dem LeserIn, die/der nicht das ganze Buch von vorn bis hinten lesen will, einfach, sich trotzdem gezielt Beiträge herauszusuchen.

Für alle ausgewählten Themen haben die HerausgeberInnen einschlägig bekannte und qualifizierte Autorinnen und Autoren gewonnen. Die Beiträge sind durchweg gut recherchiert, fundiert und mit weiterführenden Quellen versehen. Ein paar kleinere Flüchtigkeitsfehler (z.B. wird an einer Stelle der Beginn des Bosnien-Krieges auf 1993 gelegt statt auf 1992) sind hier die Ausnahme, die den positiven Gesamteindruck in Bezug auf die Qualität der Beiträge nicht wirklich beeinflussen können.

Enttäuschend ist hingegen das Fehlen einiger für den Komplex „Frieden“ doch sehr zentraler Themen, darunter Zivile Konfliktbearbeitung, Gewaltfreiheit, Friedenskonzepte in anderen Weltregionen, Friedensarbeit (z.B. die Tätigkeit von zivilgesellschaftlichen Gruppen und Initiativen für Frieden, Menschenrechte und Versöhnung, wie sie heute in praktisch allen Ländern der Welt zu finden sind), Mediationund Konflikttransformation, um nur ein paar zu benennen. Und auf der anderen Seite scheinen manche der Themen, die auftauchen, doch marginal, zum Beispiel „Frieden und klassische Musik“, „Frieden und Olympia“ oder ein eigener Beitrag zu dem recht konfusen Konzept eines europäischen Friedenskorps neben einem weiteren Artikel zu Friedensdiensten. Auch führt die alphabetische Anordnung der Themen im dritten Teil dazu, dass inhaltlich verwandte Beiträge nicht aufeinander folgen (z.B. hätten die Beiträge zu „Kirchen“ und zu Religion“ gut zusammen gepasst), was die Lektüre erschwert.

Trotz dieser Kritik: Mit dem Handbuch wurde eine gute Handreichung für jede/n, die/ der sich zu verschiedenen Themen im Kontext von Frieden schlau machen möchte, auf den Markt gebracht. Der doch recht stolze Preis von fast 50 Euro wird allerdings wohl viele dazu bewegen, sich das Buch eher aus der Bücherei zu besorgen als es selbst anzuschaffen.

Hans J. Gießmann und Bernhard Rinke (Hrsg.) (2011), Handbuch Frieden, Wiesbaden:VS Verlag, 640 S., ISBN 978-3-531-1601-5, EURO 49,95

Ausgabe

Rubrik

Hintergrund
Christine Schweitzer ist Co-Geschäftsführerin beim Bund für Soziale Verteidigung und Redakteurin des Friedensforums.