Zum besseren Verständnis vgl. auch die Vorschläge zu einer Nuklearwaffen-Konvention in der Kampagnenzeitung.

Handlungsmöglichkeiten für eine atomwaffenfreie Welt

von Wolfgang Liebert
Schwerpunkt
Schwerpunkt

Beim Hearing zur Zukunft des Nichtverbreitungsvertrages in Bonn am 17.01.95 hat Wolfgang Liebert sehr anschaulich deutlich gemacht, daß die Bundesregierung eine wesentliche Mitverantwortung für die not­wendige neue, realpolitisch durchaus mögliche Weichenstellung hin zu einer nu­klearwaffenfreien Welt trägt. Die Übersichten liefern u.E. über­zeugende Argumente dafür, daß die Handlungsmöglichkeiten der Bun­desregierung als "Nicht-Atomwaffenstaat" durchaus nicht - wie aus Re­gierungskreisen gern behauptet - weitgehend erschöpft sind. Aus sei­nem Vortrag veröffentli­chen wir zusammenfassende Überblicke: Mög­lichkeiten der Atomwaf­fenstaaten und insbesondere auch der deut­schen Politik. (ms)

Katalog möglicher Maßnahmen der deutschen Exekutive [unter Angabe der Handlungskonsequenzen]

 

*     Verzichtserklärung; kein Interesse an der Nutzung ziviler Kernsprengungen [keine direkten Handlungskonsequenzen];

 

*     erklärter Verzicht auf HEU-Produktion und HEU-Nutzung [Verzicht auf ge­genwärtige Konzept des geplanten Garchinger Forschungsreaktors FRM II];

 

*     Verzicht auf Wiederaufarbeitung abgebrannter Brennelemente auf deut­schem Boden [zurzeit de-facto keine weitere Handlungskonzequenz];

 

*     Verzicht auf Plutoniumnutzung [1. Kündigung aller Wiederaufarbeitungs­verträge im Ausland, 2. Ende der Mischoxidnutzung (MOX) in deutschen Re­aktoren, 3. "Aus" für die neue Hanauer Brennelementefabrik];

 

*     allgemeine Erklärung der Nicht-Produktion und Nicht-Nutzung waffen­grädigen Nuklearmaterials in für Kernwaffen relevanten Mengen [Konsequenzen wie oben; hinzu: Nichtnutzung von Tritium];

 

*     nationale Schritte zur Internationalisierung aller Lager waffenfähigen Ma­terials [Übergabe deutscher Plutoniumvorräte an eine internationale Be­hörde];

 

*     Verzicht auf Weiterentwicklung neuer proliferationsträchtiger Nukleartech­nologie [Einfluss auf FuT-Programme zur Trägheitseinschlussfusion, zur La­serisotopentrennung, zu bestimmten Beschleunigerentwicklungen, zur Brü­ter­entwicklung möglich];

 

*     Aufrechterhaltung der strikter gewordenen Exportkontrolle und ihre unge­teil­te Anwendung bis das Prinzip "exportiert werden kann, was auch im eige­nen Land für unverzichtbar gehalten wird" maßgeblicher werden kann [keine Auf­weichung der Gesetzgebung im Dual-use Bereich oder im Rahmen der eu­ropä­ischen "Harmonisierung"; keine Exporte mehr im Zusammenhang mit Kern­waffenprogrammen von Kernwaffenstaaten];

 

*     Eintreten für Einrichtung einer nuklearwaffenfreien Zone in Mitteleuropa [Abzugsforderung für die immer noch auf deutschem Boden stationierten Kernwaffen];

 

*     massive Entwicklung von Alternativen zur Kernenergienutzung insbeson­dere in Kooperation mit sich entwickelnden Ländern [institutionelle und for­schungs- und technologiepolitische Konsequenzen unter Einschluss internatio­naler Kooperationsprogramme; Initiative für eine entsprechende Internatio­na­le Behörde; (Fort-)Entwicklung von Aus- und Umstiegsszenarien];

 

*     Förderung der Entwicklung von Wegen zur Zerstörung von Plutonium [for­schungs- und technologiepolitische Konsequenzen]

 

 

Vorschläge für eine deutsche Position in Bezug zum NVV/NPT

Deutschland sollte

1.    für eine befristete Verlängerung des NVV/NPT unter Einschluss eines re­gelmäßigen Review-Prozesses ein­treten (der "Hebel" des Artikel VI sollte nicht aus der Hand gegeben werden);

2.    für entsprechende völkerrechtlich verbindliche Zusatzerklärungen und -vereinbarungen mit Bezug zum NVV/NPT werben;

3.    eine tiefgreifende Reform der IAEO anregen (unter Einschluß der Grün­dung einer Internationalen Energie­agentur);

4.    die Transformation des Non-Proli­fertationsregimes zu einer Konzep­tion der nuklearwaffenfreies Welt propagieren.

Ein deutscher Maßnahmenkatalog sollte den Zielen dienen

*     Schritte zur Aufhebung der Wahr­nehmung des NVV/NPT als diskri­minatorischen Vertrages

*     Bearbeitung der NPT-inhärenten Ambivalenz- und Dual-use-Pro­blematik

*     Glaubwürdigkeit und Übertrag­barkeit der Position auf alle Staaten durch eindeutigen Selbstverzicht

*     Erreichung maximaler Proliferati­onsresistenz des genutzten Brenn­stoffkreislaufes, insbesondere Ver­meidung des Erhaltes wissenschaft­lich-technologischer Optionen, die für Kernwaffen wesentliche Voraus­setzungen sind

*     Internationalisierung des Prozesses, der die Transformation des NV/NP-Regimes will.

Ausgabe

Rubrik

Schwerpunkt

Themen