Hebron: Geistliche Rhythmen

von Kristin Anderson

Der folgende Bericht wurde von einem Mitglied der Christian Peacemaker Teams geschrieben. Diese Organisation, die von mehreren Friedenskirchen aus den USA getragen wird, arbeitet seit Jahren mit mehreren Freiwilligen in Hebron.

Wie ein treuer Takt einer Trommel lieferten Geschichten von Inhaftierung das Thema für unsere Zeit mit Freunden in Kfar Ein. Die 1.500 Bewohner des kleinen palästinensischen Dorfes haben sich mittlerweile an die konstanten doch willkürlichen Übergriffe der israelischen Soldaten gewöhnt. In den letzten zweieinhalb Jahren wurden über 100 Dorfbewohner durch das israelische Militär verhaftet. Das häufigste "Verhaftungsprotokoll" ist ein nächtlicher plötzlicher Angriff: die Soldaten dringen mitten in der Nacht in das Dorf ein, gewöhnlich zwischen ein und vier Uhr morgens. Sie führen eine Reihe von Taktiken aus, die darauf zielen, Familien zu unterwerfen. Dies bedeutet zum Beispiel, dass alle Familienmitglieder gezwungen werden, für einen längeren Zeitraum außerhalb ihres Hauses zu stehen, Familienmitglieder zu Verhörzwecken voneinander getrennt werden, und Hausdurchsuchungen, bei denen das Eigentum der Familien herumgeworfen und zerstört wird. Diese plötzlichen Übergriffe führen in der Regel zu einer Festnahme von einem oder mehreren jungen palästinensischen Männern.

Die Einwohner leben nicht nur mit den periodisch auftretenden Invasionen der israelischen Soldaten, sondern auch mit der längerweilenden Realität " ihr Leben ohne ihre Väter, Brüder, Söhne, Onkels, Cousins und Freunde fortsetzen zu müssen. Was mich in meiner Zeit in Kfar Ein faszinierte, war, wie die Menschen diese inhaftierten Personen in den Alltag integrieren. Ohne sich auf Geschichten brutaler Soldatenangriffe zu fixieren, sprachen unsere Freunde von den bewundernswerten Eigenschaften, Hobbys und Träumen ihrer Liebsten in den Gefängnissen. Sie zeigten auf deren Fotografien an den Wänden und ermutigten die Kinder, uns zu zeigen, wie sehr sie ihre inhaftierten Familienmitglieder lieben. Von Zeit zu Zeit zeigte jemand Handwerksgegenstände, die von den Gefängnisinsassen selbst hergestellt worden waren, die Objekte mit einer zarten Ehrfurcht behandelnd.

Während eines frühen Abendspaziergangs entlang der Wege in Kfar Ein ging einer unserer palästinensischen Freunde an sein Handy und begann, beinahe hypnotisch, zu springen, zu hüpfen und zu kichern. Während er die lebhafte arabische Unterhaltung fortsetzte, eilten die anderen Männer zu uns, um uns zu erzählen, dass ihr Bruder (/Cousin/Onkel/bester Freund) gerade aus dem Gefängnis aus Südisrael anrief. Bald hielt ich das Handy in meiner Hand, am anderen Ende derLeitung ein 21jähriger palästinensischer Gefangener. In meinem korrektesten Englisch beschrieb ich das Gefühl des kalten Wassers aus der Quelle in der Höhle, zu der wir gerade eben gegangen waren, und dann malte ich ein Bild davon, wie dieSonne auf die einladenden Palmen des terrassenförmigen Berghangs fiel. Die Männerum mich herum lachten und lächelten weiter. Es war klar, dass in diesem Moment jeder von uns in einem heiligen Kreis von Gemeinschaft gefangen war.

Als ich Kfar Ein verließ, pulsierte der Rhythmus der "abwesendes Männer" durch meinen Körper wie der treuer Takt einer Trommel. Heute Abend, als ich die Sonne beim Untergehen in die welligen Berghänge in Hebrons Landschaft beobachte, kann ich nichtsdafür, aber ich schwinge im kollektiven Rhythmus der Familien in Kfar Ein. Vielleicht, dadurch, dass ich mir selbst erlaubte mich dem geistlichen Rhythmus anzuschließen, habe ich mich selbst nicht nur ihrem Wehklagen und Schmerz geöffnet, sondern auch ihrer Hoffnung und ebenso der Gemeinschaft der Menschlichkeit.

Der Text wurde dem Emailverteiler von CPT entnommen (www.cpt.org). Übersetzung: Angela Stölzle
 

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Kristin Anderson ist Freiwillige der Christian Peacemaker Teams.