Das Helmholtz-Zentrum

Hinweise auf eine Forschung, die einen Atomkrieg erleichtert

von Dietrich Antelmann

Werden im Helmholtz-Zentrum Berlin nur alte Bilder und Knochen untersucht? Seit Jahr und Tag werden die AnwohnerInnen eines der größten Forschungsreaktoren der Welt und des gefährlichsten Atomreaktors Deutschlands (1) von der Propagandaabteilung des Helmholtz-Zentrums Berlin (HZB) – eines von 18 Großforschungsinstituten der Helmholtz-Gemeinschaft - darüber „informiert“, dass ihr Reaktor im Vergleich zu einem Kernkraftwerk eine 400-fach niedrigere Leistung hat und wie ein großes Mikroskop funktioniert. Mit ihm könne man die Echtheit von Gemälden prüfen und das Alter von Dinosaurier-Schädeln bestimmen.

Zur Veranschaulichung werden Aufnahmen eines 260 Millionen Jahre alten Paräosauriers abgebildet. Unterschlagen wird dabei, dass sich das Betriebsrisiko nicht nach der thermischen Leistung eines Atomkraftwerks bemisst, sondern nach der radioaktiven Last, die bei einem Unfall freigesetzt wird, und dass hier von Anfang an militärisch nutzbare Fusionsforschung betrieben wurde und immer noch wird.

Aus alten noch nicht geschönten Geschäftsberichten des Hahn-Meitner-Instituts für Kernforschung Berlin GmbH – Vorgänger des HZB – und der Antwort auf eine Kleine Anfrage der Abgeordneten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (2), geht hervor, dass bis heute u.a. mit den US-Nuklearwaffenschmieden Los Alamos und Oak Ridge National Laboratory zusammengearbeitet wird.

Für Forschung im HZB, aber nicht per Atomreaktor!
Am 7. Mai 2015 hat das HZB einen 20,8 Millionen Euro teuren Hochfeldmagneten mit einer Feldstärke von 26 Tesla (etwa eine Million Mal stärker als das Erdmagnetfeld) eingeweiht. Dieser weltweit stärkste Magnet für die Untersuchungen mit Neutronen wurde in Zusammenarbeit mit dem „National High Magnetic Field Laboratory“ Florida entwickelt. Auf deren Homepage ist nachzulesen, dass die amerikanische Atomwaffenschmiede „Los Alamos Laboratory“ beteiligt ist. Extra für dieses Vorhaben sind Neu- und Erweiterungsbauten errichtet worden. Zusammen mit dem experimentellen Fusionsreaktor in Greifswald, der auch mit hohen Magnetfeldern arbeitet, sind das deutliche Indizien für das Ziel, die Fusionstechnologie weiter voranzutreiben. Da kein irdischer Werkstoff den bei einer Fusion entstehenden Gasen von Millionen Grad Celsius standhält, müssen diese Gase mit starken Magneten eingeschlossen bleiben, und es müssen neuartige Materialien entwickelt werden.

Dass das militärische Interesse an der Fusionstechnologie nach wie vor groß ist, erklären die befassten WissenschaftlerInnen freimütig: „Warum wird die laserinduzierte Fusionsforschung dann so intensiv betrieben? Diese Forschung hat auch eine militärische Komponente. Die Kapseln sind so etwas wie Modelle für kleine Wasserstoffbomben. Das ist auch kein Geheimnis. Dieser Hintergrund macht es verständlich, dass in diese Forschung auch beträchtliche finanzielle Mittel aus dem Militärbereich fließen." (3)

Fusionsreaktoren sind geeignet, Waffenplutonium zu erbrüten
In diesem Zusammenhang stehen auch die Ausführungen des Physikprofessors Wolfgang Liebert: „Fusionsreaktoren sind ... prinzipiell geeignet, um bestes Waffenplutonium (Plutonium-239) zu erbrüten ... Die Experimente erlauben detaillierte Einblicke in den Ablauf der Kernfusion. Waffenforscher/innen und Militärs, z. B. in Frankreich und den USA, sehen darin eine Möglichkeit, ihre Atomwaffen trotz des weltweiten Verbots von Atomtests weiterzuentwickeln.“ (4)

Übrigens sind Fusionsvorgänge auch mit den inzwischen stillgelegten Forschungsreaktoren des Helmholtz-Zentrums Geesthacht erforscht worden. Bei Versuchen, die Eigenschaften von Kernfusion und Kernspaltung zu kombinieren, kam es 1986 zu einem folgenschweren Unfall, der bis heute vertuscht wird. (5)

Bereits in den 1950er Jahren wurde mit der Planung eines Fusionsreaktors begonnen. Der Physiker Erich Bagge (früher am Atomprojekt der Nazis beteiligt) und der Ingenieur Paul Schmidt (er hatte während des Krieges das Triebwerk der V1-Rakete mitentwickelt) sollten schon 1957 ein Fusions-Forschungszentrum gründen. Doch der Einspruch Carl Friedrich von Weizsäckers konnte das verhindern: Es lägen „gesicherte Erfahrungen“ vor, dass „ein Fusionsreaktor für friedliche Zwecke nicht hergestellt werden könne. Allenfalls könnten die Ideen ... im militärischen Bereich nutzbar gemacht werden.“ (6)

Heute nimmt die deutsche Fusionsforschung eine Spitzenstellung in der Welt ein. Von Anfang an wird am Nuklearstandort Wannsee der Fusionsforschung zugearbeitet. Nach den Worten der früheren Wissenschaftsministerin Schavan wird diese Technologie für die Energieversorgung der kommenden Jahrzehnte sicher keine Rolle spielen, aber immerhin handele es sich um ein großes Abenteuer.

Abenteuerlich kann auch die Politik genannt werden, mit der eine tödliche Wissenschaft angetrieben wird.

Im „Notfall“ mit deutschen Atomwaffen
Kurze Zeit nach dem übereilten Anschluss der DDR an die BRD ist die Option auf eigene Entwicklung und Herstellung der völkerrechtlich geächteten Atomwaffen unter der Bedingung gesetzlich verankert worden, dass sie der Verfügungsgewalt des aggressivsten Militärbündnisses der Welt, der NATO, unterstellt würden. (7)

Ende 1995 hat die BRD versucht, ein Gutachten des Internationalen Gerichtshofs über Atomwaffen und Völkerrecht zu verhindern. Die Bundesregierung argumentierte, die Legalität eines Atomwaffeneinsatzes sei eine politische Angelegenheit und müsse daher auf politischer Ebene entschieden werden (8). Zu dieser Zeit verfügte Deutschland mit mindestens 2,5 Tonnen über eine der größten Mengen an waffenfähigem Plutonium in der Welt – genug für den Bau von 250 Atombomben. (9)

Anfang 2006 antwortete Ex-Verteidigungsminister Rupert Scholz (CDU) auf die Frage, wie wir auf eine nukleare Bedrohung durch einen Terrorstaat angemessen reagieren können: „Im Notfall also sogar mit eigenen Atomwaffen“. (10)

Mit Hilfe der Großforschungsinstitute ist Deutschland auf dem Weltmarkt der Militärtechnik teilweise Marktführer. Die vom Vorgänger des HZB entwickelte extrem strahlenresistente Mikroelektronik ermöglicht in einem Nuklearkrieg die Überlebensfähigkeit moderner Waffensysteme. Im Karlsruher Institut für Technologie (KIT) wird an geräuscharmer Reaktorkühlung gearbeitet; mit ihrer Hilfe sind Atom-U-Boote nicht mehr zu orten. (11)

Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) - ein Mitglied der Helmholtz-Gemeinschaft - forscht mit Drittmitteln einer australischen Militärforschungsorganisation an Hyperschallflugkörpern, die sich als Angriffswaffen mit verringerter Vorwarnzeit nutzen lassen, Erstschlagsoptionen eröffnen und geeignet sind, das strategische Gleichgewicht zwischen den Großmächten noch weiter zu Lasten Russlands zu verschieben. (12)

Bei so viel „Fortschritt“ auf militärischem Gebiet ist es nicht verwunderlich, dass es bereits 2006 in dem Vorschlag für ein Weißbuch der europäischen Verteidigung hieß, dass sich die EU für die Verteidigung des Wohlstands dafür rüsten müsse, Kriege zu führen und zu gewinnen. (13) In dem 2008 vorgestellten 150 Seiten umfassenden „Manifest zur Reform des westlichen Militärbündnisses“ stellten General a.D. Klaus Naumann und Kollegen nukleare Präventivschläge auch gegen Nichtatomwaffenstaaten in Aussicht. (14) Unterdessen ist unter deutscher Führung die EU von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt zur zweitstärksten Militärmacht der Welt aufgestiegen. (15)

Hinweise auf einen Atomkrieg
Laut „Die Welt“ vom 12.1.2014 haben AnalystInnen errechnet, dass in den nächsten 30 Jahren die USA die unvorstellbare Summe von 1.000 Milliarden Dollar in Atomwaffen investieren werden.

Am 4. Dezember 2014 wurde vom US-amerikanischen Repräsentantenhaus das Gesetz H.Res. 758 verabschiedet und kurz danach von Obama unterzeichnet. Es gibt dem amerikanischen Präsidenten und den Oberkommandierenden der Streitkräfte grünes Licht, ohne weitere Zustimmung des Kongresses in einen Prozess der militärischen Konfrontation mit Russland einzutreten. Damit ist das seit mehr als zehn Jahren von Planungsabteilungen des Pentagon vorangetriebene Szenario eines Dritten Weltkriegs gegen Russland auf die "operationelle Ebene" gesetzt worden. (16)

Das EU-Parlament zog nach und winkte am 15. Januar 2015 eine 28-Punkte-Resolution zum Thema Ukraine durch. In diesem "Session Document B8-00/2014" (17) verurteilt das EU-Parlament die "terroristischen Akte" in der Ukraine und fordert die EU auf, einen Plan gegen den russischen "Informationskrieg" zu entwickeln sowie der Ukraine bei der Ausweitung ihrer Verteidigungskapazitäten zu helfen.

Die von AtomwissenschaftlerInnen betriebene Weltuntergangsuhr steht seit Januar 2015 auf drei Minuten vor 12.

 

Anmerkungen
1 Lt. Wortprotokoll des Berliner Abgeordnetenhauses, Ausschuss für Stadtentwicklung und Umwelt, 17/6, vom 7.3.2012 besteht bei dem betriebsunsicheren und völlig ungeschützten Reaktor die Gefahr, dass bei einem Unfall eine radioaktive Last von 72 000 Terabecquerel (TBq = eine Billion Bq) an die Umgebung abgegeben wird - ungefähr 10 Prozent der Radioaktivität, die in Fukushima von drei verunglückten AKW`s freigesetzt worden ist.

2 Drucksache 18/2294 "Betriebsunterbrechung am Berliner Forschungsreaktor BER II" vom 8.9.2014.

3 http://www.helmholtz.de/artikel/ein-ersterschritt-auf-dem-weg-zur-zuendu...

4 Broschüre „Bombenrisiko Atomkraft“, Hrsg. IPPNW, INESAP und .ausgestrahlt, S. 19.

5 Junge Welt (jw) vom 3.11.2004: „Da wurde wohl an einer A-Bombe gebaut“ von Sebastian Pflugbeil.

6 Vereinigung Deutscher Wissenschaftler e. V.: „Atomtechnik als Instrument westdeutscher Nachkriegs-Außenpolitik“ von Roland Kollert im Jahr 2000.

7 § 16 des Kriegswaffenkontrollgesetzes in der Bekanntmachung vom 22.11.1990.

8 taz vom 3.11.1995: „Der Gerichtshof soll schweigen“ von Hermann-Josef Tenhagen und Frankfurter Rundschau (FR) vom 3. 11. 1995: „Atomwaffeneinsatz eine Sache der Politik“.

9 FR vom 23. 1. 1995: „Greenpeace, Deutschland als latente Atommacht“.

10 Tagesspiegel: „Ex-Minister: Atomwaffen für Deutschland“ 27. Januar 2006.

11 Neue Rheinische Zeitung vom 3.12.2014: „Gesetzesbruch mit ‚Kriegs’ansage“ von Dietrich Schulze, http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=21053.

12 NDR Info „Das Forum“ vom 3.5.2014.

13 Wissenschaft & Frieden Nr. 27/2007: „Die EU auf dem Weg zur Militärmacht?“.

14 jw vom 24.1.2008: „Atomkrieg als Option“ von Rainer Rupp.

15 NDR Info: „Das Forum“ vom 17.5.2011.

16 Bündnis für Soziale Gerechtigkeit und Menschenwürde e. V. Nr. 14.147 vom 16.12.2014 „Amerika auf dem 'Kriegspfad': Repräsentantenhaus ebnet Krieg mit Russland den Weg“.

17 NRHZ-Online-Flyer vom 28.1.2015: http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=21220

„EU-Parlament vom US-Kriegsvirus infiziert“ von Wolfgang Effenberger

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