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Restaurant im Hotel "Libertas", Dubrovnik
Hoffnung auf einen Wiederaufbau in Dubrovnik
vonDubrovnik wurde während der serbischen Belagerung stark zerstört, die Dörfer ringsum besetzt, geplündert und niedergebrannt, die Menschen vertrieben und terrorisiert. Jeder kennt die Bilder aus den Medien: brennende Häuser, verwüstete Dörfer, Angst in den Gesichtern der Menschen, Verzweiflung. Alle haben viel, viele haben alles verloren.
Durch die neuen Grenzen befindet sich die Stadt mit ihren 60.000 Einwohnern nun am äußersten und nur schwer zu erreichenden Ende Kroatiens. Wir haben dort vom 27.März bis zum 9.April an Wiederaufbauplanungen mitgewirkt und ein Leben im Niemandsland zwischen Krieg und Frieden kennengelernt.
Die Dubrovniker fühlen sich vom eigenen Staat und der allgemeinen Welthilfe im Stich gelassen. Doch neben der verständlichen Depression und Lethargie treffen wir auch Menschen, die gerade in dieser Notsituation eine starke Kraft zum Überleben entwickeln. Diese wird vor allem durch das Bewußtsein genährt, daß Dubrovnik, das bis 1918 Ragusa hieß, eine kulturell hochstehende Stadt ist und aus allen bisherigen Zerstörungen aufgrund von Erdbeben strahlender hervorging. Hinzu kommt die in Wut und Trotz umgeschlagene Angst, sich von den "primitiven Tschetnics" weder die eigene Stadt noch die Hoffnung auf eine Zukunft zerstören lassen zu wollen.
Wir lernen Jany kennen, die mit einigen anderen Frauen ein Forum gegründet hat, das sich um Hilfebedürftige kümmert. So wurde z.B. ein Handarbeitsworkshop für Flüchtlings- und Dubrovniker Frauen ins Leben gerufen, in dem aus untragbaren Kleiderspenden neue Pullover gestrickt, Patchworkdecken genäht oder Flickenteppiche gewebt und anschließend verkauft werden. In einem anderen Fall sammelt das Frauenforum für den 14-jährigen Nikscha, der beim Spielen mit gefundener Munition ein Auge verlor - solche Nachwirkungen wird es leider noch lange geben. Die teure Operation im Ausland bezahlt der Staat nicht und der arbeitslose Vater kann das Geld nicht aufbringen.
Doch in Janys spritziger und kreativer Art nehmen wir auch den Zorn auf die humanitäre Hilfe wahr, von der die einst wohlhabenden und kultivierten Menschen hier jetzt abhängig sind. "Europa hat uns zu Bettlern gemacht," sagt sie: "aber wir haben keine andere Wahl." In einem Brief an den UNHCR schreibt sie zutiefst verletzt und wütend, aber dennoch unterwürfig: "...da wir auf die Gnade der weltweiten Großzügigkeiten angewiesen sind, werden wir dieses freundliche Angebot natürlich nicht abschlagen." Doch diese Verbitterung behält nicht die Oberhand: "Wenn man den Humor verliert, dann ist es nicht zum Aushalten!"
Mit Milan arbeiten wir in der Planungsabteilung der Bank zusammen. Er ist gebürtiger Dubrovniker, der seit 20 Jahren in Kalifornien als Architekt im Tourismusbereich tätig ist. Bei Kriegsbeginn kehrte er in seine Stadt zurück und hat seine Hilfe im touristischen Wiederaufbau zugesichert. Solche Schritte von außen ermutigen ebenso wie der PEN-Kongreß Ende April diejenigen, die trotz hoher Arbeitslosigkeit und ungewisser Perspektive ausharren.
Milan erzählt, daß die Bank mittlerweile einer der größten Grundbesitzer ist, da viele selbstverwaltete Betriebe ihre zur Zeit unbezahlbaren Schulden in Beteiligungen umwandeln. Die Bank braucht zum Wiederaufbau jedoch vor allem internationale Kredite, für die wegen des Krieges enorme Risikozuschläge gezahlt werden und natürlich rentable Konzepte vorliegen müssen.
Besonderes Augenmerk richten wir mit unserer Planung auf den Ort Srebreno (Silberdorf) in der Bucht Zupa Dubrovacka. Dominiert wird dieser Ort durch das 7-stöckige "Hotel Orlando", das wie die meisten Häuser hier nunmehr wie eine Bauruine aussieht. Die Region Dubrovnik hat vor dem Krieg zu 80 % vom Tourismus gelebt, doch ging es wegen zu geringer Angebotsqualität schon seit Mitte der 80er mit Einnahmen und Gästezahlen bergab. Mische, ein ehemaliger Hotelmanager, begreift die Zerstörungen zugleich als Chance, bei der Revitalisierung dieser Gegend die neuen Tourismuskonzepte den modernen Anforderungen an Service und Komfort anzupassen.
Und die Menschen hier sind auf den Tourismus angewiesen, da dies ihre Lebensgrundlage ist, mit der sie auch ihre Häuser wiederaufbauen können. Also ein ganz einfacher Weg: erst die Hotels restaurieren, dann das Dorf? In unserer Vorstellung liegen wir hier bereits mit geschlossenen Augen in der Sonne am Strand, die Wellen rauschen, ein Ausflugsboot tuckert, Kinder spielen, ... Urlaubsidylle! Wir öffnen die Augen und sehen am Hang oberhalb des wunderbar neugestalteten Hotelkomplexes die noch immer zerstörten Dörfer. Die ausgebrannten Häuser mit ihren hohlen, schwarzen Fensterlöchern glotzen auf uns herab wie die toten Blicke einer Puppe mit ausgestochenen Augen. Eine schauerliche Vorstellung, mit der man keine Touristen gewinnen kann.
Also ist die gleichzeitige Wiederbelebung der gesamten Dörfer erforderlich. Einen Ausweg aus dieser Zwickmühle sehen einige Planer darin, die Rückzahlung von Wiederaufbaukrediten über zusätzlich errichtete Touristen-Appartments in den Wohnhäusern zu finanzieren.
Jeder Mensch, jedes Haus, beinahe schon jeder Baum hier hat seine eigene für uns unfassbare Geschichte. Die Serben schießen noch immer in unregelmäßigen Abständen Raketen und Granaten aus Trebinije über den Berg, damit sich die Menschen hier nicht in Sicherheit wiegen können und um den Wiederaufbau zu lähmen. Trotzdem begegnet uns immer wieder diese Kraft, die eigene Zukunft wie auch die von Dubrovnik zu gestalten. So zeigt uns ein Pastor aus dem völlig zerstörten Cilipi mit Tränen in den Augen das Ausmaß der blinden Zerstörungswut in seiner Kirche: die Marienstatur mit ausgestochenen Augen, deren toter Blick kaum zu ertragen ist, Jesuskind und Josef mit abgeschlagenen Köpfen sowie die durch Phosphorbomben geschmolzenen Steine in der Sakristei. Doch im Anschluss sagt er: "Wir überleben von der Hoffnung. Du kannst ohne Hoffnung nicht leben. Ohne Luft vielleicht ein paar Minuten, oder ohne Liebe auch. Aber ohne Hoffnung keine Minute!"