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Hoffnungsschimmer für die nukleare Rüstungskontrolle
Seit George W. Bush US-Präsident ist, sehen Friedensforscher ein "2. Nukleares Zeitalter" im Kommen und die nukleare Rüstungskontrolle "auf der Intensivstation liegen". Doch Ende November passierte etwas Unerwartetes. "Wir haben einen wichtigen Sieg errungen", freut sich Susan Gordon, die Leiterin der ANA (Alliance for Nuclear Accountability), des Zusammenschlusses US-amerikanischer Atomwaffengegner. Kein einziger Dollar ist im US-Haushalt 2005 für die Entwicklung neuer Atomwaffen vorgesehen. Die Pläne zum Bau von "Mini Nukes" und "Bunker Knackern" machen selbst konservativen Republikanern Sorgen.
Im Januar 2002, ein Jahr nach Bushs Amtsantritt, läutete der "Nuclear Posture Review" schwerwiegende Veränderungen ein. Das in Auszügen bekannt gewordene Geheimpapier empfiehlt die Entwicklung neuer flexibler atomarer Waffentechnologien, so genannter "Mini Nukes", und atomare Bunkerbrecher, die tief in die Erde eindringen können, den "Robust Nuclear Earth Penetrator". Das Tabu, Atomwaffen gegen Staaten einzusetzen, die selbst keine besitzen, wurde aufgehoben und präventive Einsätze von nuklearen Waffen ins Kalkül einbezogen.
Der ABM-Vertrag, der die Entwicklung einer umfassenden Raketenabwehr verbot, wurde von Bush gekündigt und auf dem "Müllhaufen der Geschichte" entsorgt. Bush lehnt die Ratifizierung des vollständigen Atomteststoppvertrages (CTBT) ab und will stattdessen die Wiederaufnahme von Atomtests vereinfachen. Um die nukleare Rüstungskontrolle ist es schlecht bestellt.
Mit dem Haushalt 2004 wurde das "Sprat-Furse-Amendement" aufgehoben. Dieser Mitte der Neunziger Jahre verabschiedete Gesetzeszusatz verbot Forschungs- und Entwicklungsarbeiten an Nuklearwaffen mit einer Sprengkraft von weniger als 5 Kilotonnen. Er war das einzige gesetzliche Verbot im Bereich der Atomwaffenentwicklung in den USA.
Seit 1945 produzierten die USA über 70.000 Atomwaffen von der kleinen Atommine bis zur riesigen Wasserstoffbombe. Vier Billionen Dollar haben sie für den Aufbau und den Unterhalt dieses Zerstörungspotentials ausgegeben. Sie besitzen noch über 10.000 nukleare Sprengköpfe, davon sind 8.000 einsatzfähig. Im Haushaltsjahr 2004 werden für Atomwaffen 6,4 Milliarden Dollar ausgegeben, mehr als doppelt so viel wie 1995, als die Aufwendungen auf dem historischen Tiefststand von 3 Milliarden Dollar lagen. Für den gesamten Militärhaushalt sind für das kommende Jahr 422 Milliarden Dollar veranschlagt, täglich weit über 1 Milliarde Dollar.
Die US-Nuklearpolitik steht im Widerspruch zu der Verpflichtung aus dem Atomwaffensperrvertrag von 1970 "Verhandlungen zu führen zur Beendigung des nuklearen Wettrüstens in naher Zukunft und zur nuklearen Abrüstung". Statt dessen provoziert sie Gegenmaßnahmen und entfacht damit ein neues atomares Wettrüsten. Weltweit ist daher die Kritik an diesen Plänen.
"Ich glaube, es entspricht nicht dem Vertrag, den sie unterzeichnet haben.", sagt der Chef der Internationalen Atomenergie Organisation (IAEO) Mohammed al-Baradei. Er kritisiert nicht nur die Schwellenländer, die nach Atomwaffen streben, sondern legt sich auch mit den USA an. Er ist der Bush-Regierung deshalb ein Dorn im Auge, sie lässt ihn bespitzeln und wendet sich gegen seine Wiederwahl. In seiner Einschätzung kommt der UN-Spitzendiplomat zu dem Schluss: "Ein Atomkrieg rückt näher, wenn wir uns nicht auf ein neues internationales Kontrollsystem besinnen."
Der Bürgermeister von Hiroshima, Tadadoshi Akiba, stellt die USA und Nordkorea, das seinen Austritt aus dem Nichtverbreitungsvertrag erklärt hat, auf eine Stufe bezüglich ihres Umgangs mit Atomwaffen. "Die Vereinigten Staaten und Nordkorea haben den Weg der Versöhnung vergessen." Er und sein Amtskollege Itho aus Nagasaki haben zu einer weltweiten Dringlichkeitskampagne der "Mayors for Peace" aufgerufen, in Erinnerung an die Atombombenabwürfe auf ihre Städte, die Hunderttausenden das Leben kostete. 2005 werden es genau 60 Jahre. Aus der Erinnerung sollen Zeichen der Hoffnung wachsen auf die völlige Abschaffung der Atomwaffen. Auf der Überprüfungskonferenz des Atomwaffensperrvertrages, die im Mai in New York stattfindet, soll nun endlich mit Verhandlungen über das Verbot von Atomwaffen durch eine Nuklearwaffenkonvention begonnen werden. Angesichts der Nuklearpolitik von Bush ein kühner Plan!
Doch jetzt bei den Haushaltsberatungen für das Jahr 2005 hat die internationale Kritik und die unermüdliche Lobbyarbeit der US-Friedensgruppen erste Früchte getragen. Selbst der konservative Republikaner David Hobson stimmte in den Chor der Kritiker ein. Der Vorsitzende des Komitees für den Energiehaushalt, unter den die Atomwaffen fallen, äußerte sein Unbehagen an der "provokativen und überaus aggressiven Politik, welche unsere moralische Glaubwürdigkeit verspielt, wenn wir von anderen den Verzicht auf Atomwaffen fordern". In seinen Augen können die USA nicht weltweit für die Nichtverbreitung eintreten und zu Hause an neuen "einsetzbareren" Atomwaffen forschen. Diese Meinung setzte sich durch.
Mit den Haushaltsbeschlüssen fürs neue Jahr wurden 9 Millionen Dollar für die Entwicklung von Mini Nukes komplett gestrichen. Ebenfalls wurden dem Präsidenten 27,6 Millionen Dollar für den Robust Nuclear Earth Penetrator verweigert. Gekürzt von 30 auf 7 Millionen Dollar wurde der Posten für den Bau einer neuen Fabrik zur Produktion von Atomsprengköpfen. Weniger Geld gibt es ebenfalls für Instandhaltung der existierenden Atomsprengköpfe und für das Atomtestgelände in Nevada. Bush will die Vorbereitungszeit von Atomwaffentests von bisher 3 Jahren auf die Hälfte verringern, doch der Kongress lässt nur eine Kürzung auf 2 Jahre zu. Andererseits wurden die Mittel für die Abrüstung von Atomwaffen verdoppelt, von beantragten 38 Millionen Dollar auf 75 Millionen.
Im Vorfeld der Überprüfungskonferenz des Atomwaffensperrvertrages stellen diese Haushaltsbeschlüsse ein wichtiges Signal dar. Sie mindern die Gefahr, dass der Patient nukleare Rüstungskontrolle durch den Bau neuer Atomwaffen von der Intensivstation in die Leichenhalle verlegt werden muss. Die Kürzungen könnten eine wiederbelebende Medizin sein. Zur Genesung bedarf es aber noch enormer Anstrengungen der Friedensgruppen, der Mayors for Peace und engagierter Politiker, damit die Überprüfungskonferenz des Atomwaffensperrvertrages selbst auch ein Erfolg wird.