ICOM - Internationales Treffen der Kriegsdienstverweigerer

von Gerold Hildebrand

Seit Anfang der 80er Jahre treffen sich jährlich Kriegsdienstverweigerer (KDVer), um Informationen auszutauschen, über mögliche Zusam­menarbeit zu beraten und eine Selbstorganisation auf transnationaler Ebene zu versuchen. Für Individuen und KDV-Organisationen besteht dabei die Möglichkeit, gemeinsame Strategien zur Entmilitarisierung der Gesellschaft auszuarbeiten, gemeinsame Forderungen aufzustellen und Solidaritätsaktionen zu koordinieren.

Die Idee des International Conscientious Objector's Meeting ICOM (Internatio­nales Kriegsdienstverweigerer Treffen) entstand auf dem War Resisters Interna­tional (WRI) -Seminar Erwiderungen auf die Wehrpflicht 1981 in Pra­des/Frankreich. 1983 wurde beim Am­sterdamer Treffen ein gemeinsamer Ak­tionstag verabredet: der 15. Mai, der seit 1986 als Internationaler Tag der Kriegsdienstverweigerer immer die Si­tuation von KDVern speziell in einem Land thematisierte. Es waren Griechen­land, Jugoslavischer Staat, Polen, Süd­afrika und Spanien. Die KDV-Bewe­gungen im Spanischen Staat schlugen vor, eher ein gemeinsames Thema zu wählen. So stand der 15.5.90 unter dem Motto: Kampagne gegen die Wehr­pflicht. 1991 lautet das Thema: Für die Abschaffung der Armeen - gegen die Militärisierung der Frauen. Um den 15. Mai gab es also zeitgleich in verschiedenen europäischen Ländern Streiks von Zivildienstleistenden, De­monstrationen vor den entsprechenden Botschaften, Proteste gegen die Inhaftie­rung von KDVern und es gab den Ver­such, Bündnisse mit anderen sozialen Bewegungen oder den Gewerkschaften einzugehen. Ein weiterer wichtiger Aspekt war auch die Entwicklung der blockgrenzendurchbrechenden Zusam­menarbeit, wenn auch die breitere di­rekte Beteiligung von Osteuropäern an den Treffen erst 1990 möglich wurde. 1988 fand das ICOM in Slovenien statt. Bestand Reisemöglichkeit für die pol­nischen und ungarischen KDVer, so mußten Treffen mit DDRlern und Tschechen im kleineren konspirativen Rahmen stattfinden.

Das diesjährige Treffen war extra in ei­nem osteuropäischen Land angesiedelt worden, um KDVern aus dieser Region die Möglichkeit der Beteiligung zu ge­ben. Vom 16. bis 22. Juli 91 waren in Budapest ca. 50 TeilnehmerInnen aus Westeuropa, Ungarn, Slovenien und Südafrika anwesend. KDVern aus Po­len, CSFR, Rumänien, Bulgarien und der Türkei waren leider nicht gekom­men. Die aus Litauen und Moskau er­hielten keine Visa. Der Moskauer KDVer Ale­xander Pronozin war festge­nommen und in eine psychiatrische Kli­nik ver­schleppt worden. Das ICOM organi­sierte spontan eine Protestdemon­stration zur UdSSR-Botschaft. Dabei wurde auch die Abschaffung von Wehr­pflicht, Zwangsdiensten und Militär themati­siert. Bei den vielen Gesprächen mit Touristen war die Sprachenvielfalt von Vorteil.

Günstig war diesmal auch, daß die all­jährlich stattfindene EUROTOUR der KDVer von Wien nach Budapest führte.

In folgenden Arbeitsgruppen wurde dis­kutiert:

  • Kriegsdienstverweigerung und Asyl­politik
  • Strategien und Selbsteinschätzung der KDV-Gruppen
  • Transnationale Solidarität
  • Auswertung 15. Mai (Internationaler Tag der Kriegsdienstverweigerer) und Planung fr 1992
  • Frauen und KDV
  • Nationalismus und ethnische Selbstbe­stimmung
  • Rolle der UNO in internationalen Kon­flikten
  • Zivildienst und Arbeitslosigkeit
  • United Nations Second Assembly (INFUSA)

Als grundlegendes Problem stellte sich diesmal überraschenderweise heraus, daß kein gemeinsamer Konsens über die Abschaffung der Wehrpflicht zu erzie­len war. Besonders die Position der dä­nischen Vertreter drückte Konformität mit den bestehenden Zwangsdienstver­hältnissen aus. Abschaffung der Wehr­pflicht war für sie kein Thema. Es ginge ihnen aber um die Rechte der KDVer. In einer Positionsbestimmung hatte sich das ICOM bereits vor zwei Jahren auf die Ziele:völlige Entmilitarisierung, Abschaffung von Wehrpflicht, Zwangsdiensten und Militär geeinigt.

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