Dokumentation aus dem Kölner Stadtanzeiger

In letzter Instanz ein Sieg für die "atomwaffenfreie Zone"

von Birgit Loff

Die Stadtparlamente in der Bundesrepublik sind nach Ansicht des Bun­desverwaltungsgerichts berechtigt, ihr Gemeindegebiet zur "atomwaf­fenfreien Zone" zu erklären. Das gilt allerdings nur dann, wenn sich die Stadtratsbeschlüsse ausdrücklich auf die örtlichen Verhält­nisse beziehen und wenn sie ganz konkret Fragen der örtlichen Sicher­heit, der Verkehrsanbindung oder der Feuergefahr für ihre Ablehnung ins Feld führen, entschied der 7. Senat des Berliner Bundesgerichts überraschend in letzter Instanz.

Die Vorinstanzen hatten die Klagen der bayerischen Städte München, Nürnberg, Lindau, Schwabach und Fürth gegen den Freistaat Bayern - dessen Auf­sichtsbehörden die Ratsbeschlüsse bean­standet hatten - ausnahmslos mit der Begründung abgewiesen, die Stadtpar­lamente hätte sich zu Unrecht in die Verteidigungspolitik der Bundesregie­rung eingemischt.

Die Bundesverwaltungsrichter ließen dagegen nur die Städte München und Schwabach abblitzen, weil hier resoluti­onsartig, plakativ und ohne Ortsbezug lediglich "eine grundsätzlich ablehnende Haltung gegenüber einer atomaren Be­waffnung der in der Bundesrepublik stationierten Streitkräfte" zum Ausdruck gebracht worden sei. Nürnberg, Lindau und Fürth dagegen seien auf die örtli­chen Gegebenheiten eingegangen. "Die Befugnis zu solchen Beschlüssen ergibt sich aus dem gemeindlichen Selbstver­waltungsrecht", meinten die Richter in ihrer mündlichen Urteilsbegründung.

Anders als die Vorinstanzen war der 7. Senat außerdem der Ansicht, daß sich die Stadträte in ihren Beschlüssen auch "vorbeugend" mit der Stationierung von Atomwaffen auf ihrem Gebiet befassen durften. Schließlich sei ihnen wegen der strikten Geheimhaltung nach dem gene­rellen Nato-Doppelbeschluß zur Auf­stellung weiterer Mittelstreckenwaffen mit atomaren Sprengköpfen in Europa gar nichts anderes übriggeblieben, als "ins Blaue hinein" zu entscheiden.

Die Berliner Richter billigten auch den Beitritt der Städte Fürth und Nürnberg zu der von den japanischen Städten Hiro­schima und Nagasaki - über diesen Städten hatten die Amerikaner 1945 Atombomben abgeworfen - ins Leben gerufenen internationalen Städtepartner­schaft, die unter dem Namen "Solidarität der Städte mit dem Ziel der vollständigen Abrüstung von Atomwaf­fen" weltweit Zuspruch gefunden hat. Es sei mit dem Grundgesetz vereinbar und liege "im eigenen Wirkungskreis der Gemeinden, eine dem Gedanken der Völkerverständigung verbundene und in ihrem Abrüstungsbemühen nicht einsei­tig parteiergreifende internationale Städtepartnerschaft einzugehen", er­klärten die Bundesrichter. In den achtzi­ger Jahren hatten sich bundesweit zahl­reiche Städte und Gemeinden zu "atomwaffenfreien Zonen" erklärt und waren der Anti-Atomwaffen-Städtepartnerschaft beigetreten. Dieser Schritt wurde besonders in Bayern gerügt, wo die staatliche Rechtsaufsicht verpflichtet ist, Ratsbeschlüsse zu beanstanden, die sie nicht für Rechtens hält.

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