Informationen zur Arbeit, zu Zielen des Komitees der Soldatenmütter in Russland

von Barbara Gladysch
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In einem kleinen Büro, etwa 14 qm groß, geht es zu wie in einem Bie­nenschwarm: es ist das Büro der Soldatenmütter in Moskau, zentral gelegen in der Louchnikow-Straße, in einem Gebäude, in dem - neben den Soldatenmüttern - noch 12 andere Menschenrechtsgruppen ihre Adresse haben.

Die Gruppe der Soldatenmütter, die täglich unentgeltlich in diesem Büro ar­beiten, ist ein eingespieltes Team von ungefähr 12 Frauen.

Sie haben nicht alle Platz in dem kleinen Raum; deshalb wird im Flur zusätzlich gearbeitet: sie beraten Mütter, die aus allen Teilen Russlands zu ihnen kom­men, die von den Soldatenmüttern er­fahren möchten, was sie unternehmen sollen, damit ihre jungen Söhne, gerade einmal 18 Jahre alt und erst seit zwei Monaten beim Militär, nicht als Kano­nenfutter in den Tschetschenienkrieg geschickt werden; sie erkundigen sich, ob ihre Söhne, von denen sie schon lange nichts gehört haben, an der Front kämpfen, ob sie noch leben, wo sie sich aufhalten. Diese Beratungsgespräche werden mit Emotionen geführt; die Mütter sind aufgeregt, sie schreien, wei­nen, schimpfen. Die Soldatenmütter ha­ben Verständnis für die Ängste und Sorgen; sie beruhigen, geben Ratschläge, erkundigen sich in allen Fällen; sie geben den Frauen Geld für die Fahrkarten, wenn es sein muß.

Im Büro selbst werden die leiseren Bü­roarbeiten getätigt: zwei Telefonappa­rate sind unentwegt in Aktion; auf einer Schreibmaschine werden Briefe ge­schrieben; Daten werden in einem Computer gespeichert.

Die Söhne der Soldatenmütter haben den Militärdienst schon lange hinter sich. An die Schikanen in der Ausbil­dungszeit erinnern sich die Söhne und Mütter noch sehr gut. Tausende Male passierte es, daß die jungen Rekruten ih­ren Müttern tot zurückgegeben wurden: gefoltert, ermordet in Friedenszeiten von den eigenen Kameraden in den Ka­sernen.

Das war der Anlass, daß sich 1989 Müt­ter von russischen Soldaten zusammen­geschlossen haben, um gegen die Miß­stände in den Kasernen vorzugehen, aufzuklären, mit Politikern und Militärs ins Gespräch zu kommen.

Als dann der Krieg in Tschetschenien begann und die ersten russischen jungen unerfahrenen Soldaten an die Front ge­schickt wurden, bekamen die Soldaten­mütter eine neue Aufgabe: sie wurden die Zentrale für Nachfragen besorgter Mütter aus Russland.

Die Soldatenmütter organisierten und organisieren heute noch Friedens­märsche in das Kriegsgebiet von Tschetschenien. Sie fahren mit Bussen und Zügen soweit sie können und ge­hen dann tagelang zu Fuß weiter. Von den Soldaten ihres eigenen Volkes, von russischen Militärs, werden sie behin­dert, gefangengenommen, geschlagen und wieder nach Moskau zurückge­schickt.

Das hält sie nicht davon ab, immer wie­der aufs Neue mit erfahrenen und "neuen" Müttern sich aufzumachen, um ihre Söhne zu suchen und sie mit nach Hause zu nehmen. Das ist ihnen auch schon häufig gelungen: auf tschetsche­nischer Seite werden sie freundlich be­grüßt. Sie erhalten Zutritt zu Kranken­häusern; sie werden zu den Gefangenen geführt.

Sie erhalten Einblick in die Listen der gefallenen russischen Soldaten, soweit die tschetschenische Seite diese Namen kennt.

Von der russischen Seite werden sie ab­gewiesen; da sie gelernt haben, friedlich Widerstand zu leisten, müssen sie meist mit Gewalt abgeführt werden.

Die Soldatenmütter stören dauernd.

Sie stören von der DUMA (Abgeordnetenhaus) in Moskau an je­dem Mittwoch bei ihrer kleinen Demon­stration.

Sie stören die Militärbehörden durch unentwegte Anfragen.

Sie geben sich nicht mit vagen Verspre­chungen oder inhaltslosen Floskeln zu­frieden; sie intervenieren, lassen nicht locker.

Auch mit den Politikern führen sie einen regen Briefverkehr oder belästigen sie mit Gesprächen.

Ihr Ziel ist: der Krieg in Tschetschenien muß sofort beendet werden!

Man kämpft nicht gegen Brüder.

Die Soldatenmütter setzen sich politisch sehr engagiert dafür ein, daß ein "alternativer Soldatendienst" (Zivildienst) für die jungen Männer möglich sein muß.

Die heraufgesetzte Militärzeit von zwei Jahren muß sofort wieder rückgängig gemacht werden.

Der Militarismus in Russland hat sehr deutlich, spürbar, beängstigend zuge­nommen. Das belegen die Soldaten­mütter an Hand von Beispielen.

Sie haben große Sorgen, daß in Zukunft (und sie hat schon angefangen) nicht Politiker, sondern das Militär Entschei­dungen in und für Russland treffen wer­den.

Die Frauen, die Soldatenmütter stecken mit ihrer Beharrlichkeit, Freundlichkeit, mit ihrem Mut und ihrer Hoffnung an: sie geben ihre Kraft weiter; sie motivie­ren. Diese Bewegung der Frauen gegen den Krieg ist angesichts der unfriedli­chen Welt ein Hoffnungszeichen: es geht, wenn Frauen und Männer sich zu­sammenschließen und mit Mut, Kraft, Überzeugung sich gegen Folter, Mord und Krieg wenden mit friedlichen über­zeugenden Mitteln: mit der Wahrheit, mit der Liebe und mit der Hoffnung.

Das können wir von den Soldatenmüt­tern lernen.

Sie brauchen unsere Unterstützung: wir stehen im Kontakt zu ihnen; wir besu­chen sie, wir schreiben ihnen, wir haben per Telefon und Fax Möglichkeiten, schnell Informationen zu bekommen.

Sie brauchen für ihre wichtige Friedens­arbeit aber auch Geld: viel Geld.

In Russland werden sie nicht unterstützt. Von wem auch? Der Regierung sind sie ein stechender Dorn im Auge. Die Be­völkerung hat kein Interesse an ihrer Arbeit; die Menschen, die Sympathi­santen der Soldatenmütter sind, haben kein Geld.

Das aber brauchen sie dringend, um Miete, Bürokosten, Post-, Telefon- und Faxgebühren zu bezahlen, um Fahrkar­ten für die Mütter zu kaufen, um Druck und Fotokopierkosten zu begleichen usw. usw.

Um SPENDEN für die Soldatenmütter bitten die "Mütter für den Frieden".

Wir versichern, daß jeder Pfennig, der auf unser Konto unter dem Stichwort "Soldatenmütter" eingeht, dem Komitee von uns ausgehändigt wird. Das wird uns von den Soldatenmüttern quittiert.

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Barbara Gladysch, Jahrgang 1940, Begründerin 1981 von „Mütter für den Frieden“, „Kinder von Tschernobyl“ e.V. 1991, früher Projekte in Belarus, Bosnien und Kosovo; jetzt nur noch in Tschetschenien: „Kleiner Stern“; in Deutschland: Beratung und Unterstützung von Flüchtlingen, die von Abschiebung bedroht sind; „save me“-Kampagne in Düsseldorf; pensionierte Sonderschullehrerin, Großmutter von zwei wunderbaren Enkelkindern.