Drei Jahre nach dem NATO-Referendum

Insumison - Für ein Spanien ohne Armee

von Bernt SchnettlerMartin Wurzel

Die breite Volksbewegung für einen Austritt aus der NATO hat Geschichte ge­macht, mit der Niederlage im Referendum 1986 ist sie allerdings auch zur Ge­schichte geworden. Der Widerstand gegen die Militarisierung konzentriert sich nun stärker auf die Wurzel und die Träger des Militärsystems: Die Wehrpflicht steht im Brennpunkt der Kritik, den Militär- und Zivildienst, auch kurz Cam­paña Insumisón genannt, sind wesentlich weitgehender: letztlich geht es darum, die völlige Abschaffung aller Armeen voranzutreiben.

Anstoß zu dem mittlerweile massiven Widerstand gegen die Wehrpflicht gab der MOC (Movimiemto de Objectión de Conciencia), "eine alternative, radi­kale und politische Bewegung, die sich im Besonderen der Kriegsdienstverweigerer und dem Antimilitarismus widmet", so steht es in der ideologi­schen Grundsatzerklärung des MOC aus dem Jahre 1986.

Campaña de Insumisión - Totalver­weigerung gegen die Wehrpflicht

Am 20. Februar 1989 macht die öf­fentliche Präsentation von 57 totalen Kriegsdienstverweigerern den Auftakt zur bisher größten Kampagne gegen Wehrpflicht und Militär im Spanischen Staat. Die Zeilen dieser Kampagne sind ebenso ehrgeizig wie simpel: Es geht um die Abschaffung des Militärs an sich, Grund und Werkzeug von Unge­rechtigkeit, Ausbeutung und Unter­drückung. Als erster Schritt dazu soll die allgemeine Wehrpflicht abgeschafft werden. Die Stärke dieser Kampagne liegt nicht so sehr in der Frage, ob die­ses Ziel schon morgen erreicht wird, sondern darin, was wir heute tun, um aktiv gegen die Formen des Militaris­mus anzukämpfen. Dafür hat sich der MOC seine adäquate Handlungsform ausgewählt: die des kollektiven zivilen Ungehorsams. So weigern sich die Kriegsdienstverweigerer, ihrem Einbe­rufungsbescheid zum Militärdienst Folge zu leisten und machen es dem Staat unmöglich, seine eigenen repres­siven Gesetze auszuführen. Und die Kampagne trägt Früchte: über 280 sind es schon, nahezu 400 werden es Ende dieses Jahres sein, die der Wehrpflicht nicht Folge leisten. Damit müßten sie zu einer Gefängnisstrafe von 16 bis 72 Monaten verurteilt wer­den, doch dem Staat kommt es nicht gelegen, Hunderte von Jugendlichen als Gewissensgefangene in die Ge­fängnisse zu stecken. Darüber hinaus werden diese Verweigerer durch je vier Personen aus den unterschiedlich­sten Bevölkerungsgruppen in ihrer Ablehnung unterstützt. Diese 1.600 Personen allen Alters und beiderlei Geschlechts, Künstler, Priester, Politi­ker haben sich durch das Unterzeich­nen sogenannter Selbstanzeigen wegen Anstiftung zu totaler Verweigerung des Militärdienstes ebenso strafbar gemacht wie die Totalverweigerer selbst. Dadurch wird der politische Druck auf die Regierung noch ver­stärkt, zumal die Totalverweigerungs­kampagne des MOC eine breite ge­sellschaftliche Unterstützung erfährt. Basiskirchliche Gruppen, Gewerk­schaften bis hin zu Parteien tragen das Anliegen der Abschaffung des Wehr­dienstes mit. So ist es auch nicht ver­wunderlich, daß im vorgezogenen Wahlkampf um die Neuwahl der Re­gierung von mehreren Parteien die Abschaffung der Wehrpflicht in ihr Programm mit aufgenommen wurde. Mit der von ihnen eingebrachten Al­ternative einer Berufsarmee kann der MOC natürlich nicht einverstanden sein. Denn die Arbeit des MOC zielt auf die völlige Abschaffung jeglicher Form von Militarismus ab.

Weiter antimilitaristische Initiatven des MOC

Die Arbeitsfelder des MOC sind ebenso breit gefächert wie die unter­schiedlichen Facetten des Militarismus in der Gesellschaft. Es gibt eine Ar­beitsgruppe, die KDV-Beratung durchführt und die aktuelle Kampagne gegen die Wehrpflicht organisiert. Eine Frauengruppe arbeitet zum Thema Feminismus und Militarismus und realisiert Aktionen gegen die Ein­beziehung von Frauen in die Streit­kräfte. Eine andere Gruppe befaßt sich mit der Vorbereitung direkter gewalt­freier Aktionen und führt gewaltfreie Trainings durch. Innerhalb der Kriegs­steuerboykottkampagne ruft der MOC zum Einbehalten des "Verteidigungs"-anteils der Steuern auf und leitet das so gewonnene Geld in friedenspoliti­sche, ökologische und Projekte in der "Dritten Welt". Die Grupo de Prensa kümmert sich um die Kontakte zur Presse. Alternativen zur militärischen Verteidigung auf der Basis Sozialer Verteidigung werden von der Gruppe Defensa Popular Noviolenta erarbei­tet.

Bernt Schnettler und Martin Wurzel machen zur Zeit durch Vermittlung von EIRENE, Internationaler christlicher Friedensdienst, einen einjährigen Frei­willigendienst beim MOC in Madrid und suchen zum Sommer nächsten Jahres dringend einen Nachfolger oder eine Nachfolgerin.

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Bernt Schnettler arbeitet als Freiwilliger von Eirene beim MOC, Spanien.