Internationale Verantwortung von Frauen für Frauen

von Angelika BeerReinhild Hugenroth
Hintergrund
Hintergrund

10 Thesen gegen die Öffnung der Bundeswehr für Frauen und
Bündnis­grüne Alternativen

1.    Der "Bericht des Bundesminister für Verteidigung zum Stand bzw. der geplanten Ausweitung der Einbezie­hung von Frauen in die Bundeswehr" vom 22.02.96, der in dieser Woche im Ausschuss diskutiert wurde, zeigt auf, daß die grundsätzlichen Akzep­tanzprobleme der jetzigen Bundes­wehr, durch eine "Lückenbüßerinnenstrategie", nämlich verstärkt Frauen anzuspre­chen, nicht gelöst werden können. Das Bestreben der FDP sowie einzel­ner Mitglieder der CDU/CSU/SPD und Grünen, den Frauen auch den Dienst an der Waffe zu ermöglichen, ist nur mit einer Grundgesetzände­rung zu erreichen, zu der es derzeit - und hoffentlich auch zukünftig - eine 2/3 Mehrheit im Bundestag nicht gibt.

2.    Das Ende der "Fahnenstange" ist, nach einer ganzen Reihe von Öff­nungsbeschlüssen (1975 bis 1990) für Frauen offensichtlich erreicht. Frauen dürfen nur im Sanitätsdienst oder Musikkorps ihren Dienst ablei­sten. Diese beiden Funktionen inner­halb der Bundeswehr stellen sicher, daß entsprechend dem Kriegsvölker­recht Frauen vom Kriegsgeschehen ausgenommen werden. Sollte man (SPD-CDU-FDP-Koalition) das Ver­bot des "Dienstes an der Waffe" für Frauen durch eine Grundgesetzände­rung ganz aufheben, wie im Bericht als konsequente Möglichkeit vorge­schlagen wird, so ist mit erheblichem Widerstand, nicht nur der Bündnis­grünen, sondern auch der gesamten Gesellschaft zu rechnen: Jede Frau kann sich ausrechnen, daß es dann nicht lange dauert bis die Wehrpflicht auch für Frauen eingeführt würde.

3.    Der 1995 vom Bundesminister der Verteidigung gemachte Vorstoß, die Bundeswehr in der bekannten Salamitaktik ein Stück weiter für Frauen zu öffnen, indem ihnen die Möglichkeit gegeben wird, den Wachdienst auszuführen, wird der­zeit vom Bundesinnenministerium geprüft. Wir lehnen jede weitere Ein­beziehung von Frauen in militärische Strukturen ab. Letztlich dient die an­gestrebte Erhöhung des Anteils der Frauen/Soldatinnen in der Bundes­wehr dazu, die hierarchische Struktur Militär und deren Auftrag, zukünftig weltweit im Rahmen von Krisen, Kriegs- und Kampfeinsätzen einge­setzt zu werden, zu legitimieren und zu verherrlichen. Der Auffassung, daß der Wachdienst eine "polizeiliche" Funktion sei, ist ent­schieden zu widersprechen. Es gibt in Deutschland - wie in jedem Rechtsstaat - aus guten Gründen eine klare Trennung von Polizei und Mi­litär. Die Tatsache, daß privates Wachpersonal anstelle von Soldaten eingesetzt wird, ist schlicht ein Per­sonalproblem und demzufolge ein Akzeptanzproblem der Bundes­wehr. Frauen sollten sich nicht dafür instrumentalisieren lassen, dieses Personalproblem, das insbesondere durch die erfreulich ansteigende An­zahl von Kriegsdienstverweigerern zu begründen ist, auszugleichen. Emanzipation der Frauen und stär­kere Einflussnahme auf die Politikge­staltung ist dagegen anzustreben und wäre z.B. durch die Einführung ei­ner Quotenregelung im Auswärti­gen Amt oder BMZ realisierbar.

4.    Für Auslandseinsätze kommt die Einbeziehung der Frauen zum Wachdienst auch deshalb nicht in Frage, weil nach bisheriger Lage (so auch der Bericht des BMVg), die je­derzeitige Veränderbarkeit des Mandates der UNO von "Konfliktverhütenden Maßnahmen" (Conflict Prevention) bis zu "Friedenserzwingung" (Peace-Enfor­cement) möglich sind. Es wäre den Militärstrategen schlicht zu aufwen­dig, dann die Frauen durch männliche Kombattanten zu ersetzten. Da die ganze Ausweitungsstrategie im Zu­sammenhang mit dem verstärkten Wunsch der Bundesregierung nach aktiver, d.h. militärischer Beteiligung an Auslandseinsätzen gesehen wer­den muß, erübrigen sich die jetzigen Vorschläge aus den genannten Grün­den.

5.    Wir lehnen jede Form von Zwangsdiensten ab. Soziale Verant­wortung und Engagement lassen sich nicht verordnen. Die Einführung ei­nes freiwilligen sozialen ökologi­schen Jahres für Frauen und Männer ist unsere Alternative zu Kriegs- und Zivildienst sowie der immer wieder aufkeimenden Diskussion über eine allgemeine Dienstpflicht.

6.    Internationale Konflikte und Konfliktlösungen sind aber nicht allein "Männersache". Auch wenn die international agierenden Men­schen (Staatschefs, BotschafterInnen, UN-Angehörige usw.) mehrheitlich Männer sind, so betrifft diese Politik immer und auf alle Fälle auch die an­dere Hälfte der Gesellschaft. Darum ist die internationale Stärkung der Beteiligung von Frauen mit Blick auf die Frauen in den Krisengebieten von großer Bedeutung. 

7.    Zahllose in internationalen Zu­sammenhängen entstandene Doku­mente fordern (z.B. zur Vorbereitung der 4. Weltfrauenkonferenz 1995) die Geschlechterparität in der nicht­militärischen Konfliktbearbeitung. Dies ist in der Bundesrepublik weit­gehend unbekannt und muß dringend in eine konkrete Politik umgesetzt werden z.B. in Form von UN-Ausbil­dungszentren so wie Bündnis 90/Die Grünen es im Parteitagsbeschluß von Bremen vorgesehen haben.

8.    Frauen können sich mit ihren Partizipationsansprüchen auf inter­national geltende Normen, die Men­schenrechte, die in unterschiedlichen völkerrechtlichen Dokumenten fixiert sind, berufen.(Allgemeine Erklärung der Menschenrechte von 1948, die Pakte über bürgerliche und politische sowie über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte von 1966; für die OSZE Art. 40 Abs. 1 bis 11 aus dem Dokument des Moskauer KSZE -Treffens vom 03.10.91) Für die Bundesrepublik bedeutet dies, daß diese Ansprüche unabhängig vom Nachweis einer besonderen Eignung von Frauen zur friedlichen Konflik­bewältigung geltend gemacht werden müssen. Werden Frauen nicht ent­sprechend qualifiziert oder strukturell ausreichend gestützt und blieben ihre Partizipationsansprüche "wegen mangelnder Eignung" unbeachtet, ist dies ebenso Unrecht wie jede andere Form der Diskriminierung.

9.    Friedensforscherinnen und Ex­pertinnen wie die "Women's Interna­tional League for Peace and Free­dom" haben in internationaler Koope­ration für die "Agenda of peace" von Boutros Ghali Überarbeitungsvor­schläge erarbeitet. In dem Papier "Gender and the Agenda of peace" werden Handlungsfelder für Frauen in der UN aufgezeigt. (Vertrauensbildung, Fact-Finding, peace-making und peace-keeping im nicht-militärischen Bereich, post-conflict peace building).

10.Die Voraussetzung für eine erfolg­reiche Praxis ist unter anderem eine feministische Friedensforschung. Der Bund muß insgesamt die Friedensfor­schung, überproportional die femini­stische Friedensforschung, fördern. Die "Helfer-Länder" sollten ständig daraufhin beobachtet werden, um festzustellen, ob die Erhöhung des Anteils von Frauen an der Konflikt­lösung effektiver ist. Umgekehrt sollte überprüft werden, ob ein ge­ringerer Anteil von Frauen sich als Problemlösungsdefizit erweist.

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Hintergrund
Angelika Beer ist Verteidigungspolitische Sprecherin der Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen.
Reinhild Hugenroth ist Sprecherin der Bundesarbeitsgemein¬schaft Frieden und Internationale Poli¬tik von Bündnis 90/Die Grünen.