15. Mai

Internationaler Tag der Kriegsdienstverweigerung

von Gernot Lennert
International Conscientious Objection Day in Seoul, 2017, Bild: www.wri-irg.org
International Conscientious Objection Day in Seoul, 2017, Bild: www.wri-irg.org

1985 erklärte das International Conscientious Objectors‘ Meeting (ICOM, Internationales Kriegsdienstverweigerungstreffen) den 15. Mai zum Internationalen Tag der Kriegsdienstverweigerung. (1) Heute koordinieren die War Resisters‘ International (WRI) die weltweiten Aktionen und Veranstaltungen zu diesem Aktionstag. Inhaltlicher Schwerpunkt ist 2018 die Situation in Südkorea.

Der südkoreanische Staat erkennt das Recht auf Kriegsdienstverweigerung (2) in keiner Form an, auch nicht das eingeschränkte Recht auf Verweigerung aus Gewissensgründen mit Ersatzdienstzwang. Es sind ständig Hunderte von Kriegsdienstverweigerern im Gefängnis: 2015 etwa 700, 2017 ungefähr 400, die überwältigende Mehrheit von ihnen Zeugen Jehovas, aber auch einige nicht-religiös motivierte politische Verweigerer. Anderthalb Jahre Haft ist die Standardstrafe.

Sowohl der UN-Menschenrechtsausschuss als auch die südkoreanische Nationale Menschenrechtskommission haben die Einführung eines Ersatzdienstes für Kriegsdienstverweigerer aus Gewissensgründen empfohlen. 2017 wurden einzelne Verweigerer freigesprochen, weil Gerichte ihre Verweigerung als begründet ansahen, solange der Staat keinen Alternativdienst anbietet. Einige der Urteile wurden wieder aufgehoben. Der neu gewählte Präsident Moon Jae-in hatte im Wahlkampf einen Ersatzdienst versprochen. Fürs Recht auf Kriegsdienstverweigerung setzt sich World Without War, die südkoreanische Sektion der War Resisters‘ International, ein.

Zwangsrekrutierung verbreitet sich wieder
Seit den 1990er Jahren haben viele Staaten die sogenannte Wehrpflicht (3) entweder abgeschafft oder ausgesetzt. Dieser Trend hat sich umgekehrt. 2013 hat Norwegen den Kriegsdienstzwang nicht nur nicht abgeschafft, sondern auf Frauen ausgeweitet. Schweden nahm 2018 die Zwangsrekrutierung wieder auf und bezog Frauen ein. Seit 2014 haben die Ukraine, Litauen, Georgien und Kuwait den Militärdienstzwang reaktiviert. Katar und die Vereinigten Arabischen Emirate haben ihn eingeführt.

In Frankreich will Präsident Macron die Rückkehr des Zwangsdiensts. In Deutschland sind laut Wehrpflichtgesetz Männer nach wie vor „wehrpflichtig“. Zwangsmusterungen und Zwangseinberufungen sind nur ausgesetzt, nicht abgeschafft, und können mit einfacher Mehrheit des Bundestags reaktiviert werden. Nicht nur die AfD fordert das.

Aktionstag 15. Mai
2017 gab es z.B. in sechs Städten in Großbritannien Kundgebungen, Mahnwachen, eine Kranzniederlegung sowie Veranstaltungen mit Lesungen, Musik, Theater und Filmvorführung. In Mannheim wurde, organisiert von Connection e.V., in einem Wohnprojekt auf dem Gelände einer ehemaligen US-Kaserne ein Weg nach dem US-Deserteur André Shepherd benannt, der in Deutschland politisches Asyl beantragt hatte. In Würzburg protestierte die DFG-VK gegen ein Bundeswehrkonzert und gedachte an verschiedenen Stellen der Stadt der Geschichte von Pazifismus und Kriegsdienstverweigerung. In der Türkei erklärten drei Kriegsdienstverweigerer öffentlich ihre Verweigerung. In Kolumbien widmete sich ein Webinar den Friedensverhandlungen und der Militarisierung. Es gab eine Fahrradtour in Seoul. Vor der israelischen Botschaft in Helsinki wurde Solidarität mit israelischen KriegsdienstverweigerInnen demonstriert.

2018 will die DFG-VK Würzburg auf die gegenwärtige Verfolgung von Menschen wegen Kriegsdienstverweigerung aufmerksam machen und des vor 120 Jahren geborenen und vor 30 Jahren verstorbenen Friedensaktivisten und Kriegsdienstverweigerungs-Berater Franz Rauhut gedenken. Friedensgruppen und Stadtgeschichtsinitiativen fordern, eine Straße in Würzburg nach ihm zu benennen. Weitere Aktionen der DFG-VK fanden bisher meist im Rhein-Main-Gebiet statt. Auch von Connection ist 2018 wieder eine Aktion zu erwarten.

Anmerkungen
1 Zum Internationalen Tag der Kriegsdienstverweigerung 2018:

https://www.wri-irg.org/en/event/2018-05/international-conscientious-obj...

https://dfgvkwuerzburgdotde.wordpress.com/start-2/

www.dfg-vk-hessen.de/aktuell/15mai18/

https://de.connection-ev.org

2 In Südkorea unterliegen alle jungen Männer der Wehrpflicht, Frauen sind ausgenommen. (Anm. d. Red.)

3 Wehrpflicht und Wehrdienst und davon abgeleitete Begriffe suggerieren bezüglich des zwischenstaatlichen Verhältnisses, dass das Militär der Verteidigung diene. Allerdings haben sog. Wehrdienstleistende schon viele Angriffskriege geführt. Das gilt vor allem für Deutschland. Im Spannungsverhältnis zwischen Individuum und Staat ist der Begriff ebenfalls abwegig. Wehrdienst leisten gerade diejenigen, denen es nicht gelingt, sich gegen die Zwangsrekrutierung zum Militär erfolgreich zu wehren. Deshalb verwende ich diese sachlich unzutreffenden und realitätsverschleiernden Propagandabegriffe nicht oder nicht ohne Anführungszeichen.

Wer in Deutschland etwas dazu macht, ist gebeten, es der DFG-VK Hessen und der WRI mitzuteilen: dfgvkhessen [at] t-online [dot] de

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Rubrik

Friedensbewegung international
Gernot Lennert ist Landesgeschäftsführer der Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen Hessen.