Interview mit Gerd-Rathgeb, Betriebsrat von Daimler-Benz

von Gerd RathgebHolger Rothbauer

Das nachfolgende Interview führte Holger Rothbauer von der "Kampagne gegen Rüstungsexporte“ mit Gerd Rathgeb, Betriebsrat bei Daimler-Benz. Wir entnehmen es gekürzt der Broschüre zur Kampagne "Entrüstet Daimler!"

Gerd Rathgeb ist Mitglied der IG Metall und seit 10 Jahren über die Liste der Plakat-Gruppe im Betriebsrat von Daimler-Benz in Untertürkheim. Die Plakat-Gruppe wurde vor 20 Jahren von IG-Metall-Mitgliedern gegründet, um eine durchschaubarere und offensiverere Betriebsratsarbeit in Untertürkheim durchzusetzen. Nachdem ihre Forderungen von der Betriebsratsmehrheit strikt abgeblockt wurden, kandidierte die Plakat-Gruppe auf einer eigenen Liste für die Betriebsratswahlen. Obwohl daraufhin ihre Mitglieder aus der IG Metall ausgeschlossen wurden, erreichte diese Liste 1972 auf Anhieb knapp 30% der Stimmen.

Schon früh setzte sich die Plakat-Gruppe für neue ökologisch und sozial Verträgliche Produktionstechniken ein und forcierte die Entwicklung von Nahverkehrssystemen als Alternative zum Automobil, sowie die Einstellung des Exports von Militärfahrzeugen durch Daimler-Benz, besonders nach Südafrika.

Vor kurzem wurden die Mitglieder der Plakat-Gruppe wieder In die IG-Metall aufgenommen.

Holger Rothbauer: Gerd Rathgeb, wie hoch ist etwa der Organisationsgrad bei Daimler-Benz?

Gerd Rathgeb: Er liegt bei den Arbeiter/innen bei über 90%, d.h. da ist bald jede/r in der IG-Metall. Bei den Angestellten liegt der Organisationsgrad bei rund 20%.

H.R.: Kann davon gesprochen werden; daß die Identifizierung der Belegschaft gerade bei Daimler besonders hoch ist?

G.R.: Die Identifizierung der Beschäftigten mit der Firma ist, denke ich, bei Daimler-Benz schon größer als bei anderen Firmen. Der klassische schwäbische Metallfacharbeiter ist der, der sein Häuschen im Remstal hat und bei Daimler arbeitet, bei einem relativ guten Lohn und einem sicheren Arbeitsplatz und mit einem von aller Welt bestaunten Produkt. Das prägt natürlich schon das Bewußtsein und das Denken. Gerade in letzter Zeit, als die Diskussion im Zusammenhang mit der Rüstungsproblematik aufkam, wurde auch von vielen wahrgenommen, daß in der Öffentlichkeit das Image dieses leuchtenden Sterns schon etwas angekratzt wurde. Das haben nicht wenige bedauert und dafür plädiert, möglichst schnell von diesem Rüstungsimage wegzukommen, weil das sich ja letztlich sogar in den Auftragseingängen ausgewirkt hat.

HR.: Wie gut sind denn Deiner Ansicht nach Arbeiter/innen über Rüstungsproduktion und -export bei Daimler informiert?

G.R.: Naja, die Arbeiter/innen sind, so würde ich es mal sagen, informiert über das, was sie mehr oder weniger in der Zeitung lesen. Wir haben schon seit Jahren, besonders am Beispiel Südafrika, versucht, dies auch in der Öffentlichkeit, in unseren Publikationen und auf Betriebsversammlungen zu diskutieren und einzubringen. Aber es ist doch insgesamt. sehr erschreckend, wie weit weg diese Probleme von den Problemen der deutschen Arbeiter /innen sind ....

H.R.: Hat der Betriebsrat irgendein eindeutiges Votum zur Fusion abgegeben?

G.R.: ... Eine Stellungnahme abgegeben haben die Arbeitnehmer /innen-Vertreter im Aufsichtsrat, die aber meiner Meinung nach eben mehr mit dem Argument die Fusion ablehnen, daß das Image des Autobaus darunter leidet, als daß sie klar gesagt hätten, wir sind definitiv dagegen.

H.R.: Wie schätzt die Plakat-Gruppe die Zukäufe und die MBB-Übernahme ein?

GR.: Wir sagen seit Jahren schon, daß sich Daimlers Benz um orientieren muß in der Produktion. Wir haben auch aufgrund der Probleme des PKW-Verkehrs, d.h. des Individualverkehrs, aber auch aufgrund der zunehmenden Probleme des LKW-Verkehrs, schon seit langem gesagt, es wird gesamtgesellschaftlich notwendig sein, daß sich der Daimler-Benz, auch wenn er nur PKWs und LKWs produziert, umorientiert. Aus ökologischen und sozialen Gründen ist es nicht mehr möglich, weiterhin Wachstum in diesen Bereichen zu haben. Wir fordern den Einstieg in neue Verkehrssysteme und wollen im öffentlichen Nahverkehr mit anderen zusammen neue Konzepte entwickeln. Die Konzernleitung dagegen betreibt ihre Konversion sozusagen in Richtung Hochtechnologie und Rüstung. Dies haben wir von Anfang an abgelehnt.

H.R.: Gerd, die IG Metall hat sich zwar gegen die Fusion ausgesprochen, es ist aber auffällig, daß sie sich und auch die IG Metall im Betrieb Daimler-Benz mit Äußerungen zum Rüstungskonzern Daimler sehr zurückhält: Wie erklärst Du Dir das?

G.R: Ach; das sind die opportunistischen Gründe der Arbeitsplätze. Natürlich kann man die Beschlußlage akzeptieren. Aber die Frage ist, wo bleibt die Stellungnahme der IG Metall Betriebs- und Aufsichtsräte z.B. zum Export dieser Iran-LKWs? Wo bleibt die Stellungnahme der IG Metall Betriebs- und Aufsichtsräte zu den Lieferungen der Militär-Unimogs nach Südafrika? Ich denke, die Beschlußlage ist schon in vielen Punkten eindeutig, wie vieles, was auf dem Papier steht, eindeutig erscheint. Das hat aber nichts zu tun mit der alltäglichen praktischen Politik. Und da setzt sich nach wie vor das Argument des Arbeitsplatzes durch und das Argument, wenn wir es nicht machen, machen es die anderen. Und da sind führende IG Metall- Vertreter in den Betrieben nicht anders und argumentieren nicht anders wie die Arbeiter /innen an der Maschine.

H.R.: Gerd, zum Schluß noch ein paar Fragen, was konkrete Handlungsmöglichkeiten anbelangt. Hat es überhaupt einen Sinn, so was wie Rüstungskonversion in der Belegschaft bei Daimler anzusprechen oder ist das überhaupt kein Thema?

G.R.: Natürlich ist es ein Thema, von verschiedenen Ebenen her. Das ist ein Thema von der Entwicklung ihrer Arbeit, von der Entwicklung der Arbeitslosigkeit, und von der Entwicklung und der Frage des Produkts her. Das ist nicht erst relevant, seit es die Rüstungsdebatte gibt. Für uns ist es relevant, seit das Produkt Auto in den Schlagzeilen ist. Schon seit damals sagen wir, Daimler wird sich umorientieren müssen, früher oder später oder die Leute werden rausgeschmissen. Oder der Konzern wird sich der Frage öffnen, was ist notwendig und was ist sinnvoll innerhalb dieser Gesellschaft zu produzieren. Also insoweit wird die Frage in der Belegschaft gestellt. Diese Frage wird jetzt natürlich durch die Rüstungsproblematik verschärft.

H.R.: Gibt es irgendwelche Initiativen von Seiten des Betriebsrates, der IG Metall oder der Plakat-Gruppe, um diese Diskussion von Konversion oder Umorientierung etc. weiterhin am Laufen zu halten oder sogar, um konkrete Schritte zu ergreifen?

G.R.: Wir haben dies im Zusammenhang. mit der IMO Studie vor, die schon vor zwei Jahren der Öffentlichkeit vorgelegt wurde. Da wird klar prognostiziert, daß im Raum Stuttgart 30.000 Arbeitsplätze wegfallen werden. In dem Zusammenhang fordern wir, daß Arbeitskreise zu bilden sind, die sich mit diesen Fragen beschäftigen. Wir müssen sagen können, wie soll eine Beschäftigungspolitik, wie soll eine regionale Strukturpolitik aussehen, die in dieser Region die Arbeitsplätze sichert, auf der Basis von anderen Produkten.

 

Ausgabe

Rubrik

Schwerpunkt