Irak Atomanlagen zerstört - Genfer Konvention mißachtet

von Reinhard SpilkerInge Lindemann

Der Generaldirektor der Internationalen Atomenergieorganisation IAEO in Wien erklärte vor der Generalkonferenz seiner Organisation im Sep­tember 1981 nach dem israelischen Bombenangriff auf den Forschungs­reaktor TAMUZ 1 (Osirak) im Irak: "Man schaudert bei dem Gedanken an die Folgen eines militärischen Angriffs auf eine der beste­hende Atom­anlage weltweit".

Was war geschehen?
Bewaffnete Angriffe auf Atomwaffen hatte es auch früher schon gegeben. In Argentinien, Spanien, Südafrika verüb­ten militante Widerstandsgruppen eine ganze Reihe von Anschlägen - allerdings waren diese Anlagen noch im Bau, hatten also noch keinen radioakti­ven Kern.

Bei dem israelischen Luftangriff 1981 ist es nach Aussagen der IAEO zur teil­weisen Beschädigung radioaktiver Quellen gekommen, doch war der soeben fertiggestellt TAMUZ 1 Reaktor noch nicht im Betrieb gesetzt worden

Vergangene Woche hat die Bush-Admi­nistration unter Leitung des US-Gene­rals Norman Schwarzkopf im Golf er­neut Angriffe gegen irakische Atoman­lagen geflogen. Wie die "Herald Tribune" am darauffolgenden Tag verkün­dete, dem 21. 1. 91, habe dieser Angriff der alli­ierten Streitkräfte alle irakischen Reak­toren zerstört.

Wenn dem so ist, handelt es sich um einen gefährlichen Präzedenzfall und um ein Kriegsverbrechen, denn: Be­waffnete Angriffe auf Atomanlagen sind durch die Genfer-Rotkreuz-Konvention geächtet. Der UN-Sicherheitsrat muß sich mit der Situation befassen.

20. Januar 1991, Krieg im Golf. Mit atemberaubender Geschwindigkeit drin­gen alliierte Kampfflugzeuge in iraki­schen Luftraum ein. Ihr Ziel: das Atom­zentrum in Tuwaitha, einer Stadt 25 Kilometer südöstlich von Bagdad. Ihr Auftrag: die Zerstörung der Reaktoren.

Im Atomzentrum Tuwaitha stehen drei Reaktoren: Alle drei sind Forschungsre­aktoren und dienen nicht der Strompro­duktion. Der 40 Megawatt-Reaktor Tammuz-1, von den Franzosen gebaut, wurde beim israelischen Bombenangriff auf die Anlage im Juni 1981 zerstört. Die beiden anderen sind kleiner. Tam­muz-2, ebenfalls ein französisches Mo­dell, verwendet die Brennelemente, die einst für Tammuz-1 gedacht waren und liefert 500-800 Kilowatt. Der seit 20 Jahren laufende und von den Soviets gelieferte IRT-5000 hat immerhin ein  Strahleninventar, das bis zu 1% des In­ventars des Tschernobyl-Reaktors aus­machen könnte. Je nach der Zerstö­rungskraft der auf diese Anlage abge­worfenen Bomben könnte ein weit größerer Anteil dieses radioaktiven Inhalts in die Umwelt gelangen als beim Tschernobylunfall. Im Norden des Iraks liegen große Uranvorkommen, und dort, nahe der Stadt Mosul betreibt der Irak ein "Saad 16" genanntes, teilweise ver­bunkertes Forschungszentrum, dem die Entwicklung von Bomben- und Rake­tentechnologie, sowie von chemischen Kampfstoffen zugeschrieben wird. Im Süden von Bagdad werden Prototypen von Gaszentrifugen zur Urananreiche­rung entwickelt.

Präsident Bush protestiert gegen die Mißhandlung Kriegsgefangener alliier­ter Kampfpiloten durch den Irak. Er be­ruft sich auf die Genfer Konvention.

Dieselbe Konvention sieht aber auch den Schutz von Atomanlagen vor be­waffneten Angriffen selbst im Krieg vor.

Der IAEO-Pressesprecher David Kyd bezieht sich auf den Artikel 56 des Zu­satzprotokolls der Genfer Konvention vom 17. August 1949. Das Protokoll be­stimmt, daß "Bauten oder Anlagen mit gefährlicher innerer Dynamik wie Stau­dämme, Deiche und Kernkraftwerke nicht Angriffsziele sein dürfen. Selbst wenn es sich um militärische Objekte handelt."

Ungeachtet des 1977iger Zusatzproto­kolls waren Atomanlagen schon mehr­fach Ziel militärischer Angriffe.

Die irakische Luftwaffe flog wiederholt Angriffe auf ein an der iranischen Golf­küste nahe Bushir gerade im Bau be­findliches großes Siemens-Atomkraft­werk. Der Iran war auch nicht untätig. Am 30. September 1980 griffen irani­sche Bomber das Atomzentrum bei Bagdad an. Die Anlage blieb intakt. Erst der israelische Luftangriff vom 7. Juni 1981 war erfolgreich: Tammuz-1, der größte der drei Forschungsreaktoren, wurde völlig zerstört.

Die Wiener Internationale Atombehörde IAEO reagierte 1985 mit einer Ent­schließung ihrer Generalversammlung, die jeden Angriff auf zivile Atomanla­gen als Verstoß gegen die UN-Charta und als völkerrechtswidrig ächtet.

Erst am 21. September letzten Jahres wurde dieses Verbot noch verschärft: Selbst im Bau befindliche Atomanlagen sollten vor jeglicher Waffengewalt ge­schützt sein. Im Dezember 1990 appel­lierte der Präsident des Internationalen Komitee des Roten Kreuzes in Genf in einem vertraulichen Schreiben an die Regierungen aller am drohenden Golf­krieg Beteiligten die Genfer Konvention einzuhalten, auch wenn einige der Staaten die einschlägigen Zusatzproto­koll noch nicht ratifiziert haben.

Es hat alles nichts genützt: Ein weiteres Tabu der zivilisierten Menschheit ist gebrochen. Von einer Sondersitzung des Sicherheitsrates ist heute keine Rede und der Generaldirektor der IAEO muß weiter schaudern beim Gedanken an die 400 großen Atomkraftwerke in aller Welt.

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Reinhard Spilker sind freie Journalisten und arbeiten u.a. für die Redaktion "Explosiv" von RTL-Plus in Köln
Inge Lindemann ist freie Journalistin und arbeitet u.a. für die Redaktion "Explosiv" von RTL-Plus in Köln