Irak Peace Team - mit gewaltfreier Aktion gegen den Irak-Krieg

von Kathy Kelly

Im Dezember 1995 trafen sich einige Leute bei mir zuhause, die entweder vor, während oder nach dem Golfkrieg 1991 im Irak waren. In einer Konferenz erlernten wir neue Methoden der Konfliktbearbeitung, bei denen wir simulieren sollten, wie wir einen fiktiven Konflikt lösen würden. Da wir uns alle mit den Belangen des Iraks identifizieren konnten, entschied unsere Gruppe, sich auf den Dialog von US Politikern mit dem Irak zu konzentrieren. Während der Diskussion eines abends nach dem Workshop verspürten wir gemeinsam einen tiefen Verdruss. Den Tag über hatten wir uns vorgestellt, was wir unternehmen würden, FALLS wir jemals etwas gegen die schrecklichen Bedingungen tun würden, die den Irak bedrängten. Aber in Wirklichkeit saßen wir im Abseits.

Die Kriegsführung der USA gegen den Irak hatte niemals aufgehört. Sie hatte sich zu einer ökonomischen Kriegsführung entwickelt, weit brutaler und vernichtender als selbst das schlimmste Bombardement von 1991. Wir, die bereit gewesen waren, unsere Leben zu riskieren, um das US-Bombardement anzufechten, hatten wenig oder nichts gegen die ökonomische Kriegsführung getan, die die Bevölkerung Iraks gequält und erschöpft hatte, die Hunderttausenden Kindern das Leben gekostet hatte. An noch dem gleichen Abend beschlossen wir eine Initiative zu gründen, um die wirtschaftlichen Sanktionen gegen den Irak zu beenden. Einen Monat später hatten wir Voices in the Wilderness (VitW) ins Leben gerufen. Wir machten bekannt, so oft wie möglich in den Irak zu reisen mit Medikamenten und medizinischer Hilfe im Gepäck - in offener Verletzung des Gesetzes, das US-Bürgern verbot den Irak zu besuchen oder in irgendeine Transaktion einzugreifen.

Bis Januar 2003 konnten wir 70 Delegationen organisieren, die den Irak besuchte und den Grundstein für das Iraq Peace Team (IPT) legte - ein VitW-Projekt, das erfahrene Friedensaktivisten in Irak schickte, um sowohl vor als auch nach der "Shock and Awe"-Kampagne zusammen mit der irakischen Bevölkerung zu leben.

Obwohl all unsere gemeinsamen Bemühungen diesen unmittelbaren Krieg nicht verhindern konnten, kam die Antikriegsbewegung sehr nah daran, die kritische Masse zu vereinen, die benötigt wird, um einen Krieg zu stoppen, bevor er beginnt. Es ist möglich, dass die Kriegsführer gezwungen waren, mehr auf Leid und Tod der Zivilbevölkerung zu achten, weil zahlreiche US-amerikanische Körperschaften, im Einklang mit der internationalen öffentlichen Meinung, ihre Regierung davon überzeugten, dass sie Verletzungen der Menschenrechte untersuchen würden.

Auch ist es möglich, dass das Antikriegsnetzwerk, dass vor dem Krieg so schnell gewachsen ist, eine Basis bilden wird, von der aus eine Opposition gegenüber zukünftigem Kriegstreiben gebildet werden kann, sollten die USA eine neue militärische Kampagne gegen ein anderes Land in Betracht ziehen.

Das erste Ziel des Irak Peace Teams war es, während des Krieges ein Sprachrohr für die normale Bevölkerung zu sein, deren Sorgen und Nöte oft von den Mainstream-Medien ausgeschlossen wurden.

Die "media relations"-Berichte des Pentagons sprachen von der Degradierung von Iraki-Truppen durch US-Streitkräfte. Der Ausdruck "Degradierung" vermittelt nicht den echten Horror, der um sich greift, wenn Soldaten, viele von ihnen Wehrpflichtige wider Willen, von US-Bomben zerstückelt, verstümmelt, getötet, sogar "püriert" werden. Der Ausdruck "Degradierung" gibt einen verschönten Eindruck von Blutvergießen und Schlachten. Wir besuchten regelmäßig eine Familie, die erschöpft war vor Angst wegen ihres ältesten Sohnes Ali, der Wehrpflicht bei den irakischen Truppen in der Nähe von Mosul leisten musste. Als die den Himmel durchdringenden Explosionen mir den Magen umdrehten, morgens, mittags und nachts, dachte ich oft an Ali, dessen vergrößertes Bildnis von meinem Balkon hing, und hoffte innigst, er würde irgendwie überleben.

Nach der zweiten Woche des Krieges las ich, dass George Bush ihn als Erfolg bezeichnete, weil es so wenige Opfer gegeben hatte. Kurz zuvor hatte ich zwei irakische Krankenhäuser besucht. Wir saßen auf Bettkanten von Kindern, Teenagern und älteren Menschen, deren Glieder zertrümmert, deren Organe in Stücke gerissen waren und deren Leben für immer verändert wurden von Bomben, die in ihr Zuhause eingeschlagen waren. Wir versuchten mit großem Einsatz, ihre Geschichten der US-Öffentlichkeit nahe zu bringen.

Auch versuchten wir etwas Trost zu solchen Menschen zu bringen, die unter der Kriegsführung, Invasion und Besetzung litten. Einer unserer Versuche nahm die Form einer Geburtstagsparty für den 13jährigen Amal an, gespickt mit Barbecue, Partygenüssen, Liedern, Tanz und Luftballons. Um Alltäglichkeit im Hohn des Krieges zu behaupten, veranstalteten wir die Party draußen am Flussufer, während über uns die Bomben explodierten. Jeder von uns wusste, das kein Ort, ob drinnen oder draußen, einen sicheren Hafen vor den Bomben bieten konnte. Zumindest an diesem Nachmittag hatten Kinder, die wir gelehrt hatten zu lieben, die Möglichkeit zu lachen und zu tanzen, umherzurennen und zu spielen, um die angestaute Spannung zu entlassen und um tief zu fühlen, dass wir alle ein Teil des anderen sind.

Bei der Auswertung merken wir jetzt, dass wir "auf dem Boden" im Irak mehr mit Kameraausrüstung hätten arbeiten sollen. So hätten wir über das Büro in Chicago andere mit mehr Videomaterial versorgen können, dass die alltäglichen Erfahrungen der Irakis während des Bombardements schildert. Wir bemühten uns wie wir konnten, regelmäßig Berichte zu schreiben und zu schicken. Vielleicht hätten wir mehr über Radio senden können, wenn wir den Zugang zu einem Satellitentelefon gehabt hätten. Wie auch immer - bis das irakische Regime bröckelte, konnten wir einfach keine Anrufe über Satellitentelefon annehmen oder tätigen.

Einige hundert Menschen antworteten auf unsere Einladung, an dem Iraq Peace Team teilzunehmen. Vorsichtig siebten wir Bewerber aus, darauf bestehend, dass diese bereits bei einer Friedensinitiative in einem Kriegsgebiet gearbeitet oder ein ähnliches Verständnis dafür hatten, wie sie persönlich unter höchster Belastung funktionieren. Wir suchten Leute, mit denen wir bereits gearbeitet hatten oder die uns Leute empfahlen, mit denen wir in der Vergangenheit kooperiert hatten. Außerdem sollte jeder Teilnehmer selbstbestimmt arbeiten, ein Team zusammenstellen und im Voraus ihre oder seine Medienkontakte und mögliche Medienverpflichtungen bei der Heimkehr präsentieren. Solche strengen Vorschriften begrenzen die Anzahl von TeilnehmerInnen signifikant, die ein solches Projekt akzeptieren kann. Trotzdem blieben wir, in anbetracht der involvierten Risiken, bei diesem sorgfältigen Prozess der Auswahl von IPT-Mitgliedern.

Nach drei Wochen intensiver Bombardements, bei denen allein in der ersten Nacht Sprengstoff im Wert von einer Milliarde verschleudert wurde, haben die USA nun mit einer Besetzung begonnen, die sehr viel mehr darauf aus zu sein scheint, militärische und politische Interessen der USA zu sichern, als auf die Belange der Irakis einzugehen, die vor einer humanitären Katastrophe stehen.

Voices in the Wilderness wird damit fortfahren, den Irak mit ihrer Kampagne ins "Spotlicht" zu rücken und die Wahrheit über diesen Krieg zu erzählen. Wir werden versuchen die Entwicklung zu kontrollieren, die noch nicht hochgegangenen Geschütze (wie Clusterbomben und Landminen) zu zerstören. Wir werden fortfahren, für ein Ende des Gebrauchs von erschöpftem Uranium in der Waffenherstellung zu protestieren und fragen, ob die USA ihre Verantwortung als eine Besetzermacht erfüllen, die nötigen Sicherheitsmaßnahmen im Irak zu treffen.

Wir werden uns weder von unseren irakischen Freunden abwenden noch die Sorgen und Nöte der Bevölkerung dort im Stich lassen. Und da die USA damit fortfährt, Terrorismus als eine Tarnung für ihre Überfälle auf andere Nationen zu verwenden, müssen wir weiterhin Menschen an der Seite stehen die eventuell von zukünftigen US-Attacken gequält und getötet werden.

Wir glauben, dass einer der besten Wege zur Kriegsprävention der ist, der Propaganda, die diesen Krieg begleitete, effektiv entgegenzuwirken. Wir möchten die, die den Krieg für falsch hielten, davon überzeugen, dass sie von Anfang an richtig lagen. Der Krieg war ungerecht, illegal, unmoralisch, umgehbar und kontraproduktiv. Wir werden auf unser Team im Irak bauen, zusammen mit Medienberichten aus alternativen Quellen über die Umstände im Irak zu berichten.

Wir erinnern traurig daran, dass dem ersten Golfkrieg 1991 zufolge 47.000 Kinder an Unterernährung und Krankheit starben, hervorgerufen durch Krieg und Sanktionen. Werden irakische Kinder während der Sommermonate, wenn sie am ehesten riskieren, verseuchtes Wasser zu trinken, weiterhin an Krankheiten wie Cholera, Typhus, Dysenterie und Diarrhöe sterben?

In unserem Denken ständig präsent ist die Notwendigkeit den Wurzeln des Krieges in unseren eigenen Schauplätzen gewaltfrei zu widerstehen. Wir sind dazu gezwungen, unseren Lebensstil zu vereinfachen, so dass wir unabhängiger sind von den US-Versuchen, anderen Leuten ihre wertvollen und nicht erneuerbaren Ressourcen zu billigen Preisen wegzunehmen.

David Dellinger schloss seine Autobiographie "From Yale to Jail" mit den Worten eines Freundes. Als man ihm sagte, was er erreichen wolle, dauere 1000 Jahre, antwortete dieser: "Um so mehr Grund, heute Nachmittag anzufangen."

Übersetzung: Mareike Winter

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Kathy Kelly ist die Ko-Koordinatorin von Voices for Creative Nonviolence und Autorin von „Other Lands Have Dreams: From Baghdad to Peking Prison“ (2005). Sie war Teilnehmerin einer Delegation in Städte und Dörfer in Pakistan.