Ist auch der Protest willkommen?

von Monty Schädel
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( c ) Netzwerk Friedenskooperative

In den Verlautbarungen der Regierungstragenden PolitikerInnen aller Verwaltungsebenen, wird seit der Bekanntgabe des Tagungsortes Heiligendamm für den G8-Gipfel 2007 der wirtschaftliche Aufschwung für die strukturschwache Region Mecklenburg-Vorpommern herbeigeredet. Durch umfangreiche Baumaßnahmen an Zufahrtsstraßen in einem Umkreis von ca. 50 Kilometern um Heiligendamm, finden Suchende dann auch Belege für diesen Aufschwung. Das die in Kühlungsborn, am Standort des geplanten regierungsamtlichen Pressezentrums, errichteten Großzelte für bis zu 4-6000 Journalisten der Aufschwung sind, wird jedoch im Allgemeinen bezweifelt. Die durch IHK, Tourismusverband, Landesregierung und kommunale Träger organisierten Reisen für JournalistInnen mit Kutterfahrt, Strandspaziergang, Betriebsbesichtigung und Wellnessurlaub, weit im Vorfeld, werden sicher eine ganze Reihe von Berichten in der weltweiten Presse zur Folge haben. Mecklenburg-Vorpommern wird sich so mit seinen ganzen Vorzügen (und als Mecklenburger sage auch ich, dass es davon eine ganze Menge gibt) präsentieren.

Um dieses Bild dann auch umfassend zu machen und keine potentielle Touristengruppe auszulassen, werden durch die Landes- und KommunalpolitikerInnen, aber auch Wirtschafts- und Unternehmensrepräsentanten, in salbungsvollen Worten ebenso wie die Regierungschefs der G8-Protest und die ("friedlichen") GlobalisierungskritikerInnen willkommen geheißen.

Für die Menschen in der Region Heiligendamm/Rostock schickt der Gipfel bereits seit einigen Monaten aber auch andere Vorboten; Im sich bewegenden Grün der Uniformen der zunehmend mehr werdenden PolizistInnen in den Straßen, auf Wiesen und in Wäldern ebenso, wie in der starren stetig länger werdenden Aneinanderreihung der ebenso grünen Zaunfelder der so genannten "technischen Sperre" (ein zweieinhalb Meter hoher ca. 80 Zentimeter tiefer und 12,5 Kilometer langer 12 Millionen Euro teurer Zaun rund um Heiligendamm).

Bis zu 17.000 PolizistInnen sollen allein der "Besonderen AufbauOrganisation (BAO) KAVALA" angehören, die für den G8-Gipfel extra gebildet wurde. Dazu kommen dann BKA, Verfassungsschutz und weitere (Un)sicherheitsdienste anderer Länder in unbekannter Stärke. Kontrollen und Datenaufnahme gehören bereits jetzt zur Tagesordnung im Umkreis des Tagungshotels und werden ständig erweitert. Das "Sicherheits- und Ordnungsgesetz M-V" wurde im Frühjahr 2006 extra dafür verschärft, so dass es jetzt möglich ist, dass für einen Zeitraum von bis zu 2 Monaten Platzverweise in/aus bestimmten Regionen möglich sind. Bereits 10 Wochen vor dem Gipfel ist es nur noch unter dem Risiko sofortiger Datenerhebung und Platzverweise möglich den Zaun über längere Strecken abzulaufen.

Dass dieses alles jedoch nur ein Vorspiel für die Zeit der Proteste vom 01. bis zum 08. Juni ist, ist mittlerweile wohl jedem (nicht nur) in der Region bewusst. Die Region Heiligendamm, Bad Doberan (die Stadt zu der Heiligendamm gehört) und Rostock (die größte Stadt Mecklenburg-Vorpommerns nur knapp 25 Kilometer von Heiligendamm entfernt) haben solch eine politische Herausforderung noch nicht wirklich erlebt oder gar gemeistert, weswegen es auch bei der Willkommensheißung des Protestes in der Stadt zum G8-Gipfel einige Schwierigkeiten gibt. In den Verwaltungen bemühen sich die BeamtInnen zwar, machen andererseits jedoch häufig (nachvollziehbar) aber auch den Eindruck der Überforderung.

Die letzten politischen Anlässe bei der die Stadt Rostock wegen politischer Ereignisse in die Schlagzeilen geriet, waren denn ja auch nicht unbedingt Aushängeschilder für Weltoffenheit und demokratischen Verhältnisse in der Hafenstadt. 1992 mussten Asylbewerber vor Nazihorden und deutsch-nationalistischem Mob fliehen, weil ihre Unterkunft angegriffen und in Brand gesteckt wurde. Die Polizei sah dem Pogromen tagelang, unfähig (unwillig?) dagegen einzuschreiten, zu oder agierte planlos. Zum 1. Mai 2006 wurde durch polizeiliche Absperrungen der gesamten Innenstadt wegen eines Naziaufmarsches demokratischer Protest (Aufgerufen hatten der DGB-Landesvorsitzende, die Landtagspräsidentin und der Oberbürgermeister) sabotiert. Tausende Menschen (andere als die "üblichen" antifaschistischen Gruppen) wurden durch die Polizei ausgesperrt oder an der Beteiligung am Protest gegen die Nazis behindert.

Der Umgang mit dieser Herausforderung wird so dann in der Region auch jetzt unterschiedlich angegangen. Während der Oberbürgermeister Rostocks und der Bürgermeister Bad Doberans quasi wie die Maus vor der Schlange sitzen und lediglich hoffen, dass DAS irgendwie an ihnen vorbei geht, versuchen viele (für die Verhältnisse in M-V) Aktive aus unterschiedlichen Gruppen, Verbänden, Initiativen, Vereinen, Parteistrukturen und ohne organisatorischen Zusammenhang im Rostocker Bündnis zur Vorbereitung der Proteste gegen den G8-Gipfel 2007 (http://www.heiligendamm2007.org), diese Proteste vorzubereiten und, vor allem für die weltweit anreisenden DemonstrantInnen, eine Infrastruktur zu organisieren. Mit der Eröffnung eines G8-Protest-Informationsbüros durch die Deutsche Friedensgesellschaft-Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK) für das Rostocker Bündnis zur Information der BürgerInnen der Region und andere Interessierte, wurde im Februar 2007 ein Anlaufpunkt des Protestes geschaffen.

Auch die Reaktionen auf diesen Protest sind unterschiedlich. Während allein die Umsetzung der "Technischen Sperre" zur Schaffung einer demonstrations- und demokratiefreien Zone 12,5 Millionen Euro verschlingt (die Gesamtkosten sollen sich auf 96 bis 120 Millionen Euro belaufen) müssen die gegenteiligen Meinungen der Regierungschefs nicht nur außerhalb des Zaunes bleiben, sondern erhalten auch quasi keinerlei Unterstützung der Verwaltungen (ihrer) Kommunen.

Folglich ist die Vorbereitung zur Absicherung des G8-Gipfels voll im Terminplan und mittlerweile fast abgeschlossen, während die "Willkommensgrüße" der Bundes-, Landes- und Regionalregierungen eher Makulatur und schöne Worte sind. Selbst die bürgerliche Presse (das Blatt mit den Bildern ausgenommen) forderte vor diesem Hintergrund im März nach einigen Wochen öffentlicher Diskussion über die Unterbringung der DemonstrantInnen von den Verantwortlichen: "Gebt dem Protest Campflächen!". Denn während es langfristige Planungen, Absprachen und letztlich Ausgleichszahlungen im Zusammenhang mit dem Bau des "Zaunes" gab, wurden Flächen für die Unterbringung des Protestes nicht einmal in Erwägung gezogen.

Zum jetzigen Zeitpunkt gibt es Flächen für selbstorganisierte Camps in Reddelich (5 km westlich von Bad Doberan, 5 km vom "Zaun") für ca. 4-6000 Personen und in Rostock für ca. 6-8000 Personen. Ein von der Firma VIP angebotenes G8-Gute-Nacht-Camp in Bützow (ca. 40 km südlich von Rostock) bietet Platz für 15.000 DemonstrantInnen. Mit dem voranschreiten der Zeit entspannt sich also die Situation in dieser Frage. Für die Unterbringung zum Wochenende 01.-03. Juni erwägt die Stadt Rostock, nachdem ein entsprechender Antrag noch im Februar diesen Jahres abgelehnt worden war, auch die Öffnung von Sporthallen im Stadtgebiet.

Ein weiterer Anlaufpunkt und Organisationsort des Protestes wurde mit der Übergabe eines für den Abriss vorgesehenen Gebäudes durch die Stadt an den Protest geschaffen. Hier werden die Organisationsmodule des Protestes ihre Büros einrichten und ein Convergence Center Informationenbereit halten.

Die Einwohner Mecklenburg-Vorpommerns beobachten diese Vorgänge eher aus der Entfernung. Zwar gibt es auch Unterstützungsangebote aus der Bevölkerung und Gespräche mit IHK und Gewerbetreibenden, doch die Mehrzahl hofft inständig, dass dieser Gipfel mit all seinen Folgen, recht schnell vorbei geht. Diese besondere Aufmerksamkeit für alles was mensch macht, ist nicht wirklich gern gesehen.

Dass die in M-V im Landtag sitzenden (NPD)-Nazis dieses Interesse für sich nutzen wollen, machen sie mit vermehrten Äußerungen zum Thema Globalisierung in den letzten Monaten deutlich. Für den 02. Juni 2007, parallel zur Internationalen Demonstration in Rostock, wurde in Schwerin eine Nazidemonstration angemeldet zu der durch den Anmelder 1500 Teilnehmende erwatet werden. Eine Störung der Demonstration in Rostrock wird als unwahrscheinlich eingestuft. Grundsätzlich sollte es mit solidarischem, klar antifaschistischem Handeln ohne viel Mühe möglich sein, dass Rechte den demokratischen und legitimen Protestes gegen die Politik der G8 nicht für sich nutzen (gar vereinnahmen) oder aber stören können.

Für unsere Arbeit sind wir dringend auf Unterstützung angewiesen. Neben vielen unterschiedlichen aktionsbezogenen Konten können Unterstützungszahlungen für das regionale Bündnis in Rostock auf das Konto der DFG-VK Mecklenburg-Vorpommern eingezahlt werden.

Darüber hinaus sind wir auf unterschiedlichste andere Unterstützung angewiesen:

Computer, Papier, Druckkapazitäten, Kopierer, Handys, Zelte, Versorgungskapazitäten, Aggregate, Bühnen, ... und auch persönliche handwerkliche und organisatorische Hilfen werden dringend benötigt.

Angebote nehmen wir unter rostock [at] heiligendamm2007 [dot] org oder im Paket und persönlich im G8-Protest Informationsbüro in der (18055) Rostocker Hermannstraße 36 gern entgegen.

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