Antwort auf Peter Strutynskis Gegenvotum zu Kathrin Voglers Artikel "Neue Zeiten erfordern neue Instrumente" im letzten Friedensforum (Leserbr

Ja, Peter, wir wollen endlich "alles, nur keinen neuen Verein"

von Michael Held

Würde die Kooperation für den Frieden ein neuer Verein, wie Du befürchtest, würden viele der kleinen, nur auf ehrenamtlicher Arbeit basierenden Friedensgruppen und -organisationen wie z.B. das Netzwerk Friedenssteuer, das ich in der Kooperation vertrete, nicht mitmachen. Aber, obwohl wir wesentlich kleiner sind als der Ratschlag, für den Du schreibst, war für uns sofort klar, dass wir beitreten und mitarbeiten, weil genau das uns gefehlt hat, wenn jemals unser Anliegen erfolgreich sein soll: eine Vernetzung, in der eine neue Qualität und Kraft für Friedensarbeit entwickelt werden kann und in der eine neue Qualität der Beeinflussung von Realpolitik und deren Strukturen in Richtung Friedenspolitik möglich wird! Das gab es bisher nicht. Aber wir brauchen und wollen es und müssen es zumindest versuchen.

Zum Glück gab es, gibt es viele gute Kongresse, Demos, (symbolische) Aktionen - und es muss sie weiter geben. Aber die es vorbereiteten und die auf den Podien sprachen, verzeih mir, Peter, auch bei den Ratschlägen, wirkten auf mich wie Hauptamtliche, Wissenschaftler oder Funktionäre. Und auf dieser Ebene wird das auch so bleiben (müssen). Es wurde und wird hier den Ereignissen hinterherdemonstriert, -interpretiert, -analysiert und es wurden und werden (notwendigerweise) Gegenaktionen und -Strategien diskutiert und durchgeführt.

Aber es wurde keine Friedensstrategie entwickelt, die in der Lage gewesen wäre, die Realpolitik zu verändern. Erste Ansätze dazu entstanden mit der Arbeit und Ausbildung im Zivilen Friedensdienst: eine echte Alternative zur und Herausforderung der Realpolitik. Ja, wir wollen "alles", wirklich alles: Nationalstaaten, auch die Bundesrepublik Deutschland ohne Armee, eine demokratische UNO mit Polizeivollmacht und Blauhelmen, ein funktionierendes Frühwarnsystem für Konflikte und Konflikt-Fachdiensten. Wer Krieg macht, verfolgt andere als friedliche, gerechte, naturverträgliche und zukunftsfähige Interessen. Es gibt Strategien, Gerechtigkeit, Frieden und die Integrität der Natur zu erhalten. Um das zu erreichen und nicht auf den Sankt Nimmerleinstag immer nur vor uns her zu schieben, brauchen wir eine realpolitisch umsetzbare und von allen Friedensorganisationen gemeinsam vorangetriebene Strategie der Veränderungsschritte unserer zivilgesellschaftlichen und staatspolitischen Verfassung. Und wir brauchen die Vielfalt der Ansätze und Aufgabenstellungen und die Vielfalt der Arbeit daran. Wir brauchen nicht einen Feind, an dem wir uns immer frustrierend abarbeiten, sondern einen Paradigmenwechsel in der Friedensbewegung und -wissenschaft. Das ist ein so weitverzweigtes Programm, dass wirklich alle in der breiten Friedensbewegung und -wissenschaft mitmachen müssten, auch Du und alle, für die Du sprichst.

Eine kleine Gruppe von Friedensaktivisten aus den ökumenischen Netzen und dem Ratschlag der ökumenischen Basisgruppen, in der ich mitarbeiten durfte, hat einen solchen Vorschlag zum Kirchentag vorgelegt unter dem Titel "Nachhaltiger Frieden. Zum Paradigmenwechsel in der Friedensarbeit" (1). Ich hoffe, wir bekommen beim Strategiekongress in Dortmund einen Stand dazu. Und ich hoffe, wir bekommen eine gruppenübergreifende Arbeitsgruppe in Dortmund zustande, die sich an das Rechtssystem unseres Staates traut, das diese Schritte in eine friedliche Zukunft immer noch mit Raffinesse und Tricks, aber von der Macht- und Männerimponierpolitik geschützt, behindert. Das Netzwerk Friedenssteuer wird einen Kampagnenvorschlag machen und es wäre ein Durchbruch in eine andere Friedensbewegung, die realpolitische Veränderungen bewirken kann, wenn diese Kampagne für ein Friedenssteuergesetz von allen Friedensorganisationen unterstützt würde. Und wir sind gespannt auf die Vorschläge, die von anderen kommen!

Du siehst, Peter, es läuft ganz viel, ja es ist eine neue Motivation und Hoffnung entstanden, sich gegenseitig kennenzulernen, wahrzunehmen, auszutauschen und zu unterstützen - und eine neue Kraft zu bekommen! (...)

Es geht nicht um "Vereinheitlichung" (an anderer Stelle verwendest Du das verdächtig-böse Wort "Zentrale") weder von oben noch von unten, sondern um ein verbindliches und kontinuierliches offenes Forum, wo möglichst die ganze und offene Vielfalt vertreten ist und mitdenkt. Akademietagungen, Kongresse und andere Höhepunkte der Friedensbewegung wollen und können das gar nicht leisten. Es ersetzt auch nicht aktuell notwendige Bündnisse wie resist oder x1000-malquer u.a.

Der letzte der von Dir erwähnten "Acht Schwerpunkte für die Friedensarbeit", die der Bundesausschuss Friedensratschlag zusammengestellt hat, formuliert "die verstärkte Zusammenarbeit zwischen Friedensbewegung und anderen sozialen, globalisierungskritischen Bewegungen". Genau das ist gemeint - und nun wirklich logischerweise beginnend mit einer verstärkten Zusammenarbeit in der Friedensbewegung.

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