Jahrestreffen der Internationalen der KriegsgegnerInnen (WRI)

von Michael Lang

Ungefähr 50 TeilnehmerInnen aus 16 Ländern trafen sich in Zürich zum diesjäh­rigen Ratstreffen der War Resisters International (WRI), um die Aktivitäten des letzten Jahres auszuwerten und Programm und Richtlinien für das nächste Jahr festzulegen. Acht DolmetscherInnen, die die ganze Woche über ehrenamtlich ar­beiteten, sorgten dafür, daß die inhaltlichen Auseinandersetzungen nicht an Sprachproblemen scheitern mußten.

Beim diesjährigen Treffen  gab es Ar­beitsgruppen zu den Themen Naher Osten, Ost-West-Kontakte, "3. Welt", Grenzgefangene, WRI-Frauen-Tref­fen, Training in Gewaltfreier Aktion, Kriegsdienstverweigerung und Soziale Verteidigung. Dabei wurden z.T. Konzepte für verschiedene, teilweise mehrsprachige Publikationen erarbei­tet, die in der nächsten Zeit erscheinen werden.

Für einen Vormittag stand bei einer Pressekonferenz die GSoA-Initiative (Gruppe Schweiz ohne Armee) im Mittelpunkt der Diskussion. Andreas Gross und Stella Jegher stellten den bisherigen Verlauf dar und äußerten sich optimistisch, daß sich bis zu 25% der Bevölkerung bei der Abstimmung im November für die Initiative und damit für eine Schweiz ohne Armee aussprechen werden. Ein derartiges Ergebnis würde ihrer Meinung nach auch schon einen großen Erfolg dar­stellen, zeugt es doch davon, daß die Öffentlichkeitsarbeit der letzten Jahre einige Bewußtseinsveränderung in der durch und durch militarisierten Schweiz erreicht hat. Mögliche Folge eines so starken Minderheitsvotums - oder wie Andreas Gross es ausdrückt, "mit 25% haben wir schon knapp die Hälfte der Mehrheit" - wäre z.B., daß die Regierung, um die Wogen etwas zu glätten, sich endlich bereit erklären würde, einen Zivildienst einzurichten. Die Schweiz ist eines der letzten westeuropäischen Länder, die ihren Bür­gern noch kein Recht auf Kriegs­dienstverweigerung gewährt.

Christine Schweitzer von der Födera­tion Gewaltfreier Aktionsgruppen und Vorstandsmitglied im "Bund für So­ziale Verteidigung" informierte über "BoA" (Bundesrepublik ohne Armee), das Gegenstück zur GSoA. Die Volksabstimmung in der Schweiz im No­vember soll zum Startschuß für eine langfristig angelegte BoA-Kampagne werden.

Bei der WRI stehen für 1990 neben verschiedenen kleineren internationa­len Treffen, z. B. einem Vorberei­tungsseminar für eine Süd-Nord-Konferenz in Asien, zwei wichtige in­ternationale Konferenzen an: gegen Ende des Jahres wird - voraussichtlich in Thailand - die dritte WRI-Frauen-Versammlung stattfinden. Durch einen gründlichen Informations- und Erfahrungsaustausch über ihre Ziel­setzungen und Projekte, in weiten Teilen auch mit einer antimilitaristi­schen Orientierung, wollen Frauen aus der ganzen Welt sich in ihrem Kampf für Frauenbefreiung gegenseitig stär­ken.

Für Anfang April organisiert die WRI in der Universität von Bradford, Eng­land, ein fünftägiges Seminar zum Thema "Soziale Verteidigung (SV) und gesellschaftlicher Kampf". Für die 50-100 erwarteten TeilnehmerInnen, die mit den Grundkonzepten der SV vertraut sein sollten, ist ein interessantes Programm vorgesehen. Im Wechsel zwischen Arbeitsgruppen, Kurzreferaten und Plenumsdiskussio­nen wird es z. B. bezüglich von Autonomiebewegungen um die Frage ge­hen "Wann wird eine gesellschaftliche Auseinandersetzung zur Sozialen Verteidigung?" oder "Warum Abrüstungsbewegungen SV in ihre Überle­gungen einbeziehen sollten - und warum das bisher so wenig geschieht". Eine kontroverse Diskussion verspricht die Frage "Wollen wir die SV als Ergänzung oder als Ersatz für eine militärische Verteidigung?". Im weite­ren Verlauf sollen einige konkrete Studien und Projekte aus verschie­denen Ländern vorgestellt werden, u.a. Erfahrungen der internationalen Friedensbrigaden in Nicaragua. Für den im März '89 gegründeten "Bund für Soziale Verteidigung" wird diese Konferenz sicherlich viele Anregungen bieten.

Die nächste Ratstagung der WRI wird in Berlin (West) stattfinden. Die Entscheidung dazu ist vor allem in Hinblick auf die zwei neuen Mitgliedsgruppen aus der DDR und Polen gefallen. Die Dreijah­reskonferenz findet leider nicht, wie von vielen gehofft, in Costa Rica statt - nach Finnland (1988) wäre eigentlich wieder ein außereuropäisches Land als Veranstaltungsort an der Reihe gewe­sen, sondern aus finanziellen und organisatorischen Gründen in Brüssel.

Wer jetzt neugierig geworden ist und über das eine oder andere Thema oder über die Arbeit der WRI generell mehr erfahren möchte, kann sich für weitere Informationen an eine der vier westdeutschen Sektionen (FöGA, DFG-VK, IDK-Hamburg und IDK-Berlin) oder direkt an die WRI in London wenden. Eine regelmäßige Übersicht über internationale pazifisti­sche Entwicklungen und Ereignisse gibt der WRI-Newsletter (in englischer Sprache), aktuelle Informationen lie­fert "Das Zerbrochene Gewehr" (auch in deutsch erhältlich). Außerdem gibt es noch den ebenfalls zweimonatlich erscheinenden Rundbrief "WRI-WO­MEN", der nicht nur für Frauen ge­dacht ist, sondern auch interessante Themen für Männer enthält.

Ausgabe

Rubrik

Initiativen
Michael Lang ist Sozialarbeiter, arbeitet bei der FöGA und der WRI-Vertretung mit.