Eine Bewertung der Ergebnisse der Osloer Minenkonferenz

Jetzt Folgekonferenz einberufen! Anti-Fahrzeugminen international ächten und verbieten!

von Wolfgang Menzel
Initiativen
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Am 18. September 1997 verabschiedeten Delegationen aus 89 Staaten in Oslo die "Konvention über das Verbot des Gebrauchs, der Lagerung, Herstellung und Weitergabe von Antipersonenminen und über ihre Zerstörung". Am 3. Dezember 1997, kurz vor der Verleihung des Friedensnobelpreises an die (nicht-staatliche) Internationale Landminenkampagne, ist der Vertrag in Ottawa feierlich unterzeichnet worden. 6 Monate nach Hinterlegung der 40. Ratifizierungsurkunde tritt der Vertrag in Kraft. Dies wird also frühestens im Sommer 1998, kann aber auch deutlich später sein. Damit ist der 1996 eingeleitete "Ottawa-Prozeß" zu einem unerwartet erfolgreichen Abschluß gekommen.

Befürchteten Vertreter von Hilfs- und Nicht-Regierungsorganisationen anfangs noch, die hohe Zahl der teilnehmenden Länder würde ein radikales und ausnahmsloses Verbot aller Anti-Personenminen unmöglich machen - und damit das eigentliche Konferenzziel verwischen und verfehlen - äußerten sich Delegationsteilnehmer und Beobachter hinterher durchweg zufrieden. Die Konvention wurde als eine wichtige Etappe auf dem Weg in eine humanere Zukunft gepriesen. Kritisiert wurde vor allem die Blockadehaltung der USA, deren Delegationsleiter nicht an der Schlußabstimmung teilnahm.

Ein weiterer Wermutstropfen: Das nach harten Verhandlungen beschlossene umfassende Verbot aller, auch moderner, mit Selbstentschärfungs- oder Selbstvernichtungsmechanismen ausgestatteter Typen von Anti-Personenminen läßt weiterhin Ausnahmen und Sonderregelungen zu. Zum "Kleingedruckten" des Vertragstextes gehören Antipersonenminen oder Sprengfallen, die Teil einer Anti-Fahrzeugmine (z.B. Panzermine), mit ihr verbunden, an ihr befestigt oder unter ihr angebracht sind. Sie fallen nicht unter das Verbot. Es ist also weiterhin gestattet, Anti-Fahrzeugminen mit einem sogenannten "Räumschutz" in Form von Anti-Personenminen auszustatten. Von einem wirklichen Totalverbot der Waffengattung Anti-Personenmine kann also nicht gesprochen werden. Das Verbot bezieht sich zwar auf alle Arten von Anti-Personenminen - und es ist in dieser Hinsicht tatsächlich erfreulich eindeutig und kompromißlos -, nicht aber auf alle Verwendungszwecke und Verwendungsweisen.

Auch aus einem weiteren Grund besteht wenig Anlaß zu Euphorie: Die wichtigsten Minenproduzenten USA, China und Pakistan fehlen, ob Rußland der Konvention beitritt, ist noch offen. Und selbstverständlich sind andere Minengattungen, eben die militärisch zunehmend bedeutender werdenden Panzerminen, Rollbahnminen, Flächenverteidigungsminen, Panzerabwehrrichtminen, kurz alle Anti-Fahrzeugminen, nicht erfaßt.

Die Fraktion der Grünen im Europäischen Parlament erklärte dazu am 18. September 1997: "Da der Vertrag sich auf Anti-Personenminen beschränkt, sind andere Minenkategorien immer noch nicht verboten, unter ihnen Anti-Panzerminen. Die Grünen fordern, daß Verhandlungen über die Ausrottung der anderen Minentypen unverzüglich beginnen müssen. Allerdings sind Die Grünen sich dessen bewußt, daß im Vertrag zumindest alle Anti-Personenminen eingeschlossen sind, einschließlich derjenigen mit modernen Selbst-Neutralisierungsmechanismen."

Und der Initiativkreis Daimler-Minen Stoppen, dem zahlreiche Gruppen der Friedens-, Menschenrechts- und Dritte-Welt-Bewegung angehören, forderte am selben Tag in einer Presseerklärung: "Wenn sich die am Ottawa-Prozeß beteiligten westlichen Industrienationen nicht den Vorwurf der Scheinheiligkeit gefallen lassen wollen, dann sollten sie möglichst bald eine Folgekonferenz zur Ächtung von Panzerminen und Panzerabwehrrichtminen einberufen."

Trotz modernster Elektronik können diese neuen Anti-Fahrzeugminen nicht zwischen militärischen und zivilen Fahrzeugen unterscheiden. Mit ihrer Verwendung, technischen Weiterentwicklung, Produktion und ihrem Export unterlaufen westliche Armeen und Rüstungsindustrien derzeit noch alle internationalen Minenverbote und Verbotsdiskussionen - auch die Ottawa-Konvention.

Positiv ist immerhin, daß die in Oslo beschlossene Konvention in Artikel 6 ein allgemeines Rahmenwerk für zwischenstaatliche Kooperation und Hilfeleistung bei der Minenräumung schafft. Staaten, die dazu in der Lage sind, werden verpflichtet, anderen Staaten bei der Minenräumung zu helfen. Dies heißt nichts anderes, als daß Länder wie die Bundesrepublik Deutschland deutlich mehr Finanzmittel für zivile Minenräumung in den am stärksten betroffenen Ländern zur Verfügung stellen müssen!

 Sollten tatsächlich Länder wie Afghanistan, Angola und Kambodscha die Konvention unterzeichnen, müssen sie innerhalb von 10 Jahren alle verlegten Anti-Personenminen in ihrem Kontrollbereich beseitigt haben. Eine - auch von den Kosten her - gigantische Aufgabe. Erfordert doch allein die Räumung der in einem kleinen Land wie Bosnien-Herzegowina verlegten Anti-Personen- und Panzerminen beim gegenwärtigen Tempo und mit den derzeit zur Verfügung stehenden Geldmitteln mindestens 30 Jahre.

Der Impuls zu einer Einbeziehung der Anti-Fahrzeugminen in die Verbotsverhandlungen muß von unten, von den Basisinitiativen der Friedens-, Menschenrechts- und Dritte-Welt-Bewegung kommen und in den großen Nicht-Regierungsorganisationen wie dem Internationalen Roten Kreuz, UNICEF, sowie kirchlichen Initiativen wie Brot für die Welt und Misereor unterstützt werden. Die Politik und die Staatsdiplomatie wird - unter dem Druck der Rüstungslobby - das Thema nicht von sich aus auf die Tagesordnung setzen. In einem Interview mit der Badischen Zeitung bezeichnete der persönliche Beauftragte des Außenministers, Botschafter a.D. Friedrich Ruth, Minen als weltweites "humanitäres Problem höchster Dringlichkeit", und er sprach sich dafür aus, daß auch Panzerabwehrminen geräumt werden müssen. Doch kritischen Fragen zu Panzerminen, zu ihrer Verwendung durch die Bundeswehr und zu deutschen Minenherstellern wich der Diplomat geschickt aus, indem er immer wieder auf die Anti-Personenminen verwies.

Die Ratifizierung des Osloer Vertrages wird die beteiligten Länder zu einer radikalen Kurskorrektur ihrer Politik zwingen, läuft diese doch bisher den Vorgaben der Konvention zuwider. So plant die Europäische Union, 1998 die Ausgaben für Minenräumung zu kürzen. Die Bundesregierung hat 1997 für Forschung, Entwicklung, Erprobung und Beschaffung sowie militärische Minenräumung 141,2 Millionen Mark ausgegeben, für ziviles, humanitäres Minenräumen dagegen nicht einmal ein Zehntel der Summe: 13 Millionen Mark. Angesichts der weltweit jährlich mindestens benötigten Räumkosten von 8 Milliarden Mark eine geradezu beschämend geringe Summe - für eines der reichsten und wirtschaftlich stärksten Länder der Welt! Und für ein Land, das in den nächsten 20 Jahren für ein inzwischen sogar militärisch unsinnig gewordenes Jagdflugzeug jährlich 2-3 Milliarden Mark ausgeben will.

Mit gutem Grund lautet deshalb unsere Forderung: Einstellung der Minenproduktion und deutlich mehr Geld für Minenräumung! Wer als Produzent bisher kräftig an Minen verdient hat, ist - moralisch - verpflichtet, auch für ihre Beseitigung zu sorgen. Angesprochen sind neben der Bundesregierung (als dem einzigen Auftraggeber nationaler Minenproduktion) auch die deutschen Minenproduzenten von Daimler-Benz über Rheinmetall bis zu Dynamit Nobel. Der Initiativkreis "Daimler-Minen stoppen!" fordert deshalb vom größten deutschen Rüstungskonzern nicht nur den Ausstieg aus der Minenproduktion, sondern die Bereitstellung von Geldmitteln für zivile Minenräumprogramme.

 Wer Millionenbeträge für internationale Tennisturniere und den Formel-1-Zirkus ausgibt, kann auch guten Gewissens bei der humanitären zivilen Minenräumung in die Pflicht genommen werden. Doch dem schwäbischen Konzern geht es nicht um Humanität, sondern nur ums Geschäft. Die Minenproduktion wird beharrlich verleugnet. Man stehe zur "Produktion intelligenter Verteidigungstechnik" und damit zur Produktion von Panzerabwehrrichtminen, ließ Daimler-Chef Schrempp durch seinen Pressesprecher verlauten. Gleichzeitig kassiert der Konzern 20 Millionen Mark von der EU für eine Machbarkeitsstudie zur Entwicklung von Verfahren zur Minenortung.

Die Gelder und die (technische) Kreativität, die bei uns gegenwärtig in Minenentwicklung und Minenbeschaffung fließen, werden in anderen Teilen der Welt dringend benötigt, um Minen aufzuspüren und zivil zu räumen. Ziviles, humanitäres Minenräumen unterscheidet sich von militärischem vor allem durch die Zweck- und Zielsetzung. Beim zivilen Minenräumen geht es darum, möglichst unter Mithilfe einheimischer, gut ausgebildeter Räumtrupps, Gebiete absolut minenfrei und damit wieder begehbar, bewohnbar und landwirtschaftlich nutzbar zu machen. Militärische Minenräumung hingegen soll Durchfahrten und Schneisen schlagen und damit Truppenbewegungen in einem verminten Gebiet ermöglichen. Der Minenräumpanzer "Keiler" der Bundeswehr ist ein für solche, rein militärische Zwecke entwickeltes Großgerät. Selbst Minenexperten der Bundeswehr geben zu, daß der "Keiler" für ziviles Minenräumen ungeeignet ist.

Zahllose Minenopfer sind nur unzureichend medizinisch versorgt; sie benötigen Prothesen und Rehabilitationseinrichtungen. Jede Mark, die hier bei uns (und in der EU) nicht für das zivile Minenräumen und die Versorgung der Opfer, sondern für moderne Minen künftiger Kriege ausgegeben wird, ist ein Schlag ins Gesicht der Menschlichkeit.

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