Büchel

Justizkarussell um Flugblätter gegen Atomwaffen dreht sich weiter

von Hermann Theisen

Im Sommer 2014 und im Frühjahr 2015 wurden vor dem Atomwaffenlager im rheinland-pfälzischen Büchel und vor dem Hauptbahnhof in Koblenz Flugblätter verteilt, um gegen die geplante Modernisierung der in Büchel gelagerten Atomwaffen zu protestieren.

In dem Aufruf heißt es: „Auf dem Fliegerhorst im rheinland-pfälzischen Büchel, dem Taktischen Lufwaffengeschwader 33 der Bundeswehr, sind noch immer etwa 20 Atomsprengköpfe des US-Militärs gelagert, die der NATO zur Verfügung stehen. Kommt es zu einem Einsatzbefehl, würden diese Atomwaffen an Deutschland als Bündnispartner weiter gegeben werden und von Piloten der Bundesluftwaffe mit Bundeswehr-Kampfjets in ihr Ziel geflogen werden – ein Verstoß gegen den Vertrag über die Nichtverbreitung von Atomwaffen und das Völkerrecht. (...) Auf diesem Hintergrund werden Sie hiermit als Soldat und Zivilbeschäftigter des Taktischen Luftwaffengeschwaders 33 (Büchel) öffentlich aufgefordert: (....) Informieren Sie die Öffentlichkeit umfassend über die militärischen Abläufe und Hintergründe der Atomwaffenstationierung auf dem Fliegerhorst Büchel, der damit in Verbindung stehenden nuklearen Teilhabe und der geplanten Atomwaffenmodernisierung sowie die daraus resultierenden Befehle und Dienstanweisungen!“

Staatsanwaltschaft Koblenz beschlagnahmt Flugblätter
Im Juni 2014 wird der Aufruf am Fliegerhorst Büchel an SoldatInnen und MitarbeiterInnen des Luftwaffengeschwaders 33 verteilt und zudem wird er per Post an KommunalpolitikerInnen verschickt. Für Ende Juli 2014 wird bei der Kreisverwaltung Cochem-Zell eine Kundgebung vor dem Fliegerhorst Büchel angemeldet, um den Aufruf zu verteilen.

Die Staatsanwaltschaft Koblenz lässt den Aufruf daraufhin während einer Verteilaktion beschlagnahmen und leitet ein Strafverfahren wegen öffentlicher Aufforderung zu Straftaten (§ 111 StGB) ein, da das Flugblatt zum Verrat von Dienstgeheimnissen auffordere (§ 353b StGB).

Kreisverwaltung Cochem-Zell verbietet Verteilung der Flugblätter
Die Kreisverwaltung Cochem-Zell verbietet daraufhin die Verteilung der Flugblätter und begründet dies so: „Durch den Inhalt des Flugblattes ist der Tatbestand der öffentlichen Aufforderung zu Straftaten gemäß § 111 StGB i.V.m. § 353b StGB erfüllt.“

Verbandsgemeinde Ulmen vernichtet Flugblätter
Ende Juli 2014 erhält die Verbandsgemeinde Ulmen 37 einzeln adressierte und frankierte Briefe an KommunalpolitikerInnen der Verbandsgemeinde, die neben einem Anschreiben auch je ein Flugblatt enthalten. Die Briefe werden jedoch nicht weitergeleitet, sondern in Absprache mit der Polizeiinspektion Cochem vernichtet. Der zuständige Bürgermeister der Verbandsgemeinde Ulmen, Alfred Steimers, erklärt dazu: „Da der Verbandsgemeinde bekannt war, dass die Kreisverwaltung bereits im Juni 2014 den Aufruf an die Bundeswehrsoldaten der Staatsanwaltschaft übersandt hatte und die Kreisverwaltung wegen des strafrechtlich relevanten Inhalts die Verteilung der Flugblätter (Aufruf an die Bundeswehrsoldaten) mit Verfügung vom 09. Juli 2014 verboten hatte, drängte sich der Verdacht auf, dass nunmehr auf diesem Wege die `verbotenen Flugblätter´ an weitere Kommunalpolitiker verteilt werden sollten. (...) Dies ist nicht zumutbar.“

Entscheidungen des Verwaltungsgerichts Koblenz im Januar und April 2015
Am 29.01.2015 entscheidet das Verwaltungsgericht Koblenz, dass das Verbot der Flugblattverteilung durch die Kreisverwaltung Cochem-Zell rechtswidrig gewesen ist (1 K 893/14.KO). In der Urteilsbegründung heißt es: „Das Verbot, das Flugblatt auf der angemeldeten Versammlung zu verteilen, stellt einen erheblichen Eingriff in die grundgesetzlich verbürgte Meinungs- und Versammlungsfreiheit des Klägers aus Art. 5 Abs. 1 und Art. 8 GG dar.“ Am 24.04.2015 entscheidet das Verwaltungsgericht Koblenz, dass die Vernichtung der Briefe und Flugblätter durch die Verbandsgemeinde Ulmen einen Verstoß gegen Art. 10 GG (Briefgeheimnis) und Art. 14 GG (Eigentum) darstellt (2 K 1030/14.KO).

Staatsanwaltschaft Koblenz lässt Flugblatt wieder beschlagnahmen
Im Februar 2015 werden die Flugblätter erneut in Koblenz und Büchel verteilt, worauf sie die Staatsanwaltschaft Koblenz wieder beschlagnahmen lässt. Im Beschlagnahmebeschluss des Amtsgerichts Koblenz v. 02.03.2015 heißt es: „Aufgrund der Verteilung des Flugblatts besteht gegen den Beschuldigten der Verdacht der öffentlichen Aufforderung zum Verrat von Dienstgeheimnissen gem. § 353b StGB.“

Und das Landgericht Koblenz entscheidet am 11.05.2015, dass die Beschlagnahme rechtens gewesen ist: „Die Voraussetzungen für die Beschlagnahme nach § 94 StPO lagen vor. Gegen den Beschuldigten besteht der Anfangsverdacht der öffentlichen Aufforderung zu Straftaten, hier der Verletzung des Dienstgeheimnisses gemäß §§ 111, 353b StGB.“ Somit wird es zu einer weiteren Anklage durch die Staatsanwaltschaft Koblenz kommen. Das Prozesskarussell um die Flugblätter gegen Atomwaffen wird sich weiter drehen.

Ausgabe

Rubrik

Hintergrund