Kampagne gegen "Out-of-Area"

von Kathrin Vogler

Zum Erfahrungs- und Ideenaustausch trafen sich auf Einladung der Ar­beitsgruppe "Out of Area" im Netzwerk Friedenskooperative und des DFG-VK Bildungswerks Hessen Aktive aus Initiativen und Organisatio­nen der Friedensbewegung am 25. Juni in Kassel. Nicht die Pazifismusdebatte hatte man führen wollen, so hatte es in der Einladung ge­heißen. Stattdessen ging es um Koordination und Entwicklung von Aktionen und Kampagnen.

 

"Ein erheblich autoritärerer Staat"

In seinem Einleitungsstatement verglich Uli Beer-Bercher (DFG-VK Baden­ Württemberg) die derzeitigen Ausein­andersetzungen um die künftige Innen- ­und Außenpolitik Deutschlands (Asyl, "innere Sicherheit", Sozialabbau und Militärpolitik) mit der Debatte um die Einführung der Notstandsgesetze. Ihr Ziel sei ein erheblich autoritärerer Staat. Daß die verschiedenen Politikfelder gleichzeitig nach rechts gewendet werden sollen, erschwere den Widerstand.

Gesellschaftliches Klima

Entscheidend für den Erfolg sei aber nicht die Frage, ob Regierung und Par­lament von den Plänen zur Ausweitung der Einsatzmöglichkeiten der Bundes­wehr abgebracht werden könnten, sondern das politische Klima in der Bevölkerung. Hier muß die Friedensbewe­gung nach den jüngsten propagandisti­schen Erfolgen der Bundesregierung versuchen, die Meinungsführerschaft zurückzugewinnen. Eine wichtige Rolle dabei könne die Unterschriftensamm­lung unter den Appell an den Deutschen Bundestag spielen  - nicht mit dem Ziel, durch  hunderttausende von Unter­schriften die Abgeordneten zu überzeu­gen, sondern als Mittel zur Formierung einer außerparlamentarischen Bewegung. Sie       könnte             quasi die "Eintrittskarte“ für den Einzelnen oder die Einzelne darstellen, um sich zu einer Kampagne zu bekennen.

Unterschriften und Verweigerung

Die Anwesenden beschlossen deshalb, den Text der Unterschriftenkampagne zu überarbeiten und damit massiv in die Öffentlichkeit zu gehen. Der Kriegsdienstverweigerung soll nach Meinung der Mehrheit der Anwesenden neue politische Bedeutung zukommen. Laut Uli Beer-Bercher treffe eine Erhö­hung der KDV-Zahlen die Bundeswehr vor allem durch die Verringerung des Potentials zur Anwerbung von Länger­dienenden und Berufssoldaten. Deshalb sei die Bedeutung der KDV als Methode gegen die Ausweitung des Aufgaben­feldes der Bundeswehr nicht zu unter­schätzen. Ein Friedensfreund berichtete aus Hamburg, daß dort erstmals KDVer die Mehrheit eines Musterungsjahrgangs stellten.

Die Dinge beim Namen nennen

Unter dem Motto "was tun! gegen out-­of-area" stellte Kathrin Vogler ver­schiedene mögliche Kampagnenele­mente vor. Von wesentlicher Bedeutung sei die Sprache, die sich nicht auf die Verniedlichung und Beschönigung ein­lassen dürfe, wie sie derzeit von Poli­tikerinnen und Medien betrieben werde:

Es ist notwendig, die Dinge so beim Namen zu nennen, daß ihre Realität begreifbar wird. Nicht humanitäre, frie­densschaffende oder friedenserhaltende Einsätze - sondern Krieg, Intervention, Schlacht und Gemetzel. Im Vordergrund der inhaltlichen Argumentation soll nicht die Angst stehen, deutsche Solda­ten könnten bei Auslandseinsätzen zu Schaden kommen, sondern die Wut und Empörung darüber, daß sie wieder eine weltweite Lizenz zum Töten erhalten sollen. Dabei soll der historische Bezug ebenso hergestellt werden wie die Frage nach den ökonomischen und politischen Interessen gestellt werden muß. Dabei war klar, daß wegen der zum Teil unter­schiedlichen Analyse diese Fragen nicht zur zentralen Klammereiner Bewegung  gegen out-of-area-Kriege werden können. Jede beteiligte Gruppe und Initiative muß daher den bundesweiten "Kampagnenrahmen" mit eigenen In­halten und Ansätzen konkretisieren und damit Zusammenhänge mit anderen brennenden Problemen darstellen, wie Rassismus und Flucht, Gewaltfreiheit, Abschaffung der Bundeswehr oder Rüstungsproduktion und -export usw.

Phantasie an die Macht!

Die derzeitige Situation erfordere phantasievolle lokale Aktionen, die auch von Wenigen durchgeführt werden können, gebündelt durch bundesweite Höhepunkte, da die Situation der Friedensbewegung und der Gruppen vor Ort durch Aktivenmangel und innere Auseinandersetzungen eben die soge­nannte "Pazifismusdebatte" gekennzeichnet ist.

Alternativen aufzeigen...

Alternativen, wie sie theoretisch bereits entwickelt, aber noch zu wenig bekannt sind, müssen über Aktionen für die Be­völkerung begreifbar gemacht werden, zum Beispiel, indem mit einer Waage dargestellt wird, wieviel Saatgut statt eines Maschinengewehrs nach Somalia transportiert werden könnte.

Möglichkeiten zum Handeln

Dazu kommt die Notwendigkeit, den einzelnen Menschen konkrete Hand­lungsmöglichkeiten anzubieten, die vom Tragen eines Stickers über das Sammeln von Unterschriften und die Verweige­rung von Kriegsdiensten bis zur Beteili­gung an gewaltfreien Aktionen zivilen Ungehorsams reichen können, wie sie im Juli aus Anlaß der Entsendung des Hauptkontingents nach Somalia bereits

von verschiedenen lokalen Gruppen ge­plant werden. Ebenfalls aus diesem Anlaß wird von der Kampagne gegen Wehrpflicht, Zwangsdienste und Militär zu einem bundesweiten Streik von Zivildienstleistenden am 5. Juli und zu einer Demonstration am 3. Juli in Berlin aufrufen. Die Einberufungstermine zu Beginn ei­nes jeden Quartals sowie die Wo­chenendheimfahrten können zu Aktio­nen an Bahnhöfen und Kasernen genutzt werden, um mit Wehrpflichtigen ins Gespräch zu kommen.

Eine langfristige Perspektive

Allgemein geteilt wurde die Einschät­zung, daß es sich nicht um eine kurzfristige Kampagne mit dem Ziel handelt, eine Grundgesetzänderung zu verhindern, sondern um eine langfristige poli­tische Perspektivkampagne mit dem Ziel, ein gesamtgesellschaftliches Klima zu erzeugen, das jeden Einsatz unmög­lich macht -unabhängig von den formal­rechtlichen Möglichkeiten.

Antikriegstag 1993

Die TeilnehmerInnen einigten sich auf den Antikriegstag, den 1. September, als bundesweiten Aktionstag. Dazu soll als zentrales Material ein Plakat erstellt werden, auf dem lokale Aktionen und Veranstaltungen angekündigt werden können. Darüber hinaus erarbeitet das Netzwerk Friedenskooperative derzeit einen neuen Aktionsleitfaden für lokale Initiativen. Aktionen und Materialien sollten dem Netzwerks-Büro unbedingt bekanntgemacht werden.

Zweites Treffen geplant

Bei einem weiteren Treffen am 24.Oktober in Bielefeld (im Anschluß an den Kongreß gegen schnelle Eingreif­truppen) sollen eine Auswertung der er­sten Aktivitäten und die Planungen un­ter anderem für das Wahljahr 1994 im Mittelpunkt stehen. Verantwortlich für die Organisation des Treffens ist die DFG-VK Nordrhein-Westfalen.

Die Kontaktadresse für Informationen und Anmeldungen: DFG-VK NRW, Braunschweiger Str. 22, 44145 Dort­mund, Telefon 0231/ 81 80 32, Fax: 81 80 31.

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