6x jährlich erscheint unsere Zeitschrift "FriedensForum" und informiert über Neuigkeiten aus der Friedensbewegung. Gerne schicken wir dir ein kostenfreies Probeheft zu!
Kampagne gegen "Out-of-Area"
vonZum Erfahrungs- und Ideenaustausch trafen sich auf Einladung der Arbeitsgruppe "Out of Area" im Netzwerk Friedenskooperative und des DFG-VK Bildungswerks Hessen Aktive aus Initiativen und Organisationen der Friedensbewegung am 25. Juni in Kassel. Nicht die Pazifismusdebatte hatte man führen wollen, so hatte es in der Einladung geheißen. Stattdessen ging es um Koordination und Entwicklung von Aktionen und Kampagnen.
"Ein erheblich autoritärerer Staat"
In seinem Einleitungsstatement verglich Uli Beer-Bercher (DFG-VK Baden Württemberg) die derzeitigen Auseinandersetzungen um die künftige Innen- und Außenpolitik Deutschlands (Asyl, "innere Sicherheit", Sozialabbau und Militärpolitik) mit der Debatte um die Einführung der Notstandsgesetze. Ihr Ziel sei ein erheblich autoritärerer Staat. Daß die verschiedenen Politikfelder gleichzeitig nach rechts gewendet werden sollen, erschwere den Widerstand.
Gesellschaftliches Klima
Entscheidend für den Erfolg sei aber nicht die Frage, ob Regierung und Parlament von den Plänen zur Ausweitung der Einsatzmöglichkeiten der Bundeswehr abgebracht werden könnten, sondern das politische Klima in der Bevölkerung. Hier muß die Friedensbewegung nach den jüngsten propagandistischen Erfolgen der Bundesregierung versuchen, die Meinungsführerschaft zurückzugewinnen. Eine wichtige Rolle dabei könne die Unterschriftensammlung unter den Appell an den Deutschen Bundestag spielen - nicht mit dem Ziel, durch hunderttausende von Unterschriften die Abgeordneten zu überzeugen, sondern als Mittel zur Formierung einer außerparlamentarischen Bewegung. Sie könnte quasi die "Eintrittskarte“ für den Einzelnen oder die Einzelne darstellen, um sich zu einer Kampagne zu bekennen.
Unterschriften und Verweigerung
Die Anwesenden beschlossen deshalb, den Text der Unterschriftenkampagne zu überarbeiten und damit massiv in die Öffentlichkeit zu gehen. Der Kriegsdienstverweigerung soll nach Meinung der Mehrheit der Anwesenden neue politische Bedeutung zukommen. Laut Uli Beer-Bercher treffe eine Erhöhung der KDV-Zahlen die Bundeswehr vor allem durch die Verringerung des Potentials zur Anwerbung von Längerdienenden und Berufssoldaten. Deshalb sei die Bedeutung der KDV als Methode gegen die Ausweitung des Aufgabenfeldes der Bundeswehr nicht zu unterschätzen. Ein Friedensfreund berichtete aus Hamburg, daß dort erstmals KDVer die Mehrheit eines Musterungsjahrgangs stellten.
Die Dinge beim Namen nennen
Unter dem Motto "was tun! gegen out-of-area" stellte Kathrin Vogler verschiedene mögliche Kampagnenelemente vor. Von wesentlicher Bedeutung sei die Sprache, die sich nicht auf die Verniedlichung und Beschönigung einlassen dürfe, wie sie derzeit von Politikerinnen und Medien betrieben werde:
Es ist notwendig, die Dinge so beim Namen zu nennen, daß ihre Realität begreifbar wird. Nicht humanitäre, friedensschaffende oder friedenserhaltende Einsätze - sondern Krieg, Intervention, Schlacht und Gemetzel. Im Vordergrund der inhaltlichen Argumentation soll nicht die Angst stehen, deutsche Soldaten könnten bei Auslandseinsätzen zu Schaden kommen, sondern die Wut und Empörung darüber, daß sie wieder eine weltweite Lizenz zum Töten erhalten sollen. Dabei soll der historische Bezug ebenso hergestellt werden wie die Frage nach den ökonomischen und politischen Interessen gestellt werden muß. Dabei war klar, daß wegen der zum Teil unterschiedlichen Analyse diese Fragen nicht zur zentralen Klammereiner Bewegung gegen out-of-area-Kriege werden können. Jede beteiligte Gruppe und Initiative muß daher den bundesweiten "Kampagnenrahmen" mit eigenen Inhalten und Ansätzen konkretisieren und damit Zusammenhänge mit anderen brennenden Problemen darstellen, wie Rassismus und Flucht, Gewaltfreiheit, Abschaffung der Bundeswehr oder Rüstungsproduktion und -export usw.
Phantasie an die Macht!
Die derzeitige Situation erfordere phantasievolle lokale Aktionen, die auch von Wenigen durchgeführt werden können, gebündelt durch bundesweite Höhepunkte, da die Situation der Friedensbewegung und der Gruppen vor Ort durch Aktivenmangel und innere Auseinandersetzungen eben die sogenannte "Pazifismusdebatte" gekennzeichnet ist.
Alternativen aufzeigen...
Alternativen, wie sie theoretisch bereits entwickelt, aber noch zu wenig bekannt sind, müssen über Aktionen für die Bevölkerung begreifbar gemacht werden, zum Beispiel, indem mit einer Waage dargestellt wird, wieviel Saatgut statt eines Maschinengewehrs nach Somalia transportiert werden könnte.
Möglichkeiten zum Handeln
Dazu kommt die Notwendigkeit, den einzelnen Menschen konkrete Handlungsmöglichkeiten anzubieten, die vom Tragen eines Stickers über das Sammeln von Unterschriften und die Verweigerung von Kriegsdiensten bis zur Beteiligung an gewaltfreien Aktionen zivilen Ungehorsams reichen können, wie sie im Juli aus Anlaß der Entsendung des Hauptkontingents nach Somalia bereits
von verschiedenen lokalen Gruppen geplant werden. Ebenfalls aus diesem Anlaß wird von der Kampagne gegen Wehrpflicht, Zwangsdienste und Militär zu einem bundesweiten Streik von Zivildienstleistenden am 5. Juli und zu einer Demonstration am 3. Juli in Berlin aufrufen. Die Einberufungstermine zu Beginn eines jeden Quartals sowie die Wochenendheimfahrten können zu Aktionen an Bahnhöfen und Kasernen genutzt werden, um mit Wehrpflichtigen ins Gespräch zu kommen.
Eine langfristige Perspektive
Allgemein geteilt wurde die Einschätzung, daß es sich nicht um eine kurzfristige Kampagne mit dem Ziel handelt, eine Grundgesetzänderung zu verhindern, sondern um eine langfristige politische Perspektivkampagne mit dem Ziel, ein gesamtgesellschaftliches Klima zu erzeugen, das jeden Einsatz unmöglich macht -unabhängig von den formalrechtlichen Möglichkeiten.
Antikriegstag 1993
Die TeilnehmerInnen einigten sich auf den Antikriegstag, den 1. September, als bundesweiten Aktionstag. Dazu soll als zentrales Material ein Plakat erstellt werden, auf dem lokale Aktionen und Veranstaltungen angekündigt werden können. Darüber hinaus erarbeitet das Netzwerk Friedenskooperative derzeit einen neuen Aktionsleitfaden für lokale Initiativen. Aktionen und Materialien sollten dem Netzwerks-Büro unbedingt bekanntgemacht werden.
Zweites Treffen geplant
Bei einem weiteren Treffen am 24.Oktober in Bielefeld (im Anschluß an den Kongreß gegen schnelle Eingreiftruppen) sollen eine Auswertung der ersten Aktivitäten und die Planungen unter anderem für das Wahljahr 1994 im Mittelpunkt stehen. Verantwortlich für die Organisation des Treffens ist die DFG-VK Nordrhein-Westfalen.
Die Kontaktadresse für Informationen und Anmeldungen: DFG-VK NRW, Braunschweiger Str. 22, 44145 Dortmund, Telefon 0231/ 81 80 32, Fax: 81 80 31.