Friedensbildung

Kampagne „Schulfrei für die Bundeswehr – Lernen für den Frieden!“

von Benno Malte Fuchs

Die Kampagne „Schulfrei für die Bundeswehr – Lernen für den Frieden!“ gegen die Militarisierung der Bildung in Baden-Württemberg hat im ersten Schuljahr dieses Jahres für viel Wirbel gesorgt: Durch einen Zuschuss der Bewegungsstiftung konnten Koordinatoren bezahlt werden, die sich professionell darum bemühen, die Kampagne in die Öffentlichkeit zu tragen.

Einer der größten Erfolge, der auch mit auf das Konto der Kampagne ging, war dabei der Presse-Gau der Bundeswehr. Diese hatte am 11. Juni bei einer Propagandaveranstaltung in Stetten am kalten Markt zugelassen, dass kleine Kinder mit Maschinengewehren hantierten. Diese abscheuliche Form von manipulativer Indoktrination zur Anwerbung von KindersoldatInnen (1) ist Teil einer größeren psychologischen Kriegsführung gegen die eigene Bevölkerung. Sie führte zu Recht zu scharfer Kritik in der Presse  in fast 100 unterschiedlichen Medien und zu einem Aufschrei gegen die Rekrutierung von KindersoldatInnen, was leider nach wie vor Praxis bei der Bundeswehr ist.

Genau so viel Aufmerksamkeit hätte der bunte Protest gegen die Werbung der Bundeswehr verdient, an dem unterschiedliche Friedensorganisationen aus der Region teilgenommen hatten. Ohne die intensive Vorarbeit der Kampagne und des „Offenen Treffens gegen Krieg und Militarisierung“ in Stuttgart – einem wichtigen Partner für die Kampagne – wären der Protest und vielleicht auch die Bilder mit den Kindern an den Waffen nicht zustande gekommen. Diese waren ein Strich durch die Rechnung für die Bundeswehr, die an diesem Tag an 16 Standorten in Deutschland versucht hatte, ihr Image aufzupolieren.

Von den Medien wurde jedoch über die Kindeswohlgefährdung hinaus leider nicht der Kern des Protests transportiert: Eine grundsätzliche Kritik an der Existenz der Bundeswehr oder ihren Auslandseinsätzen, die ein zentraler Bestandteil einer antimilitaristischen Friedensbildung sein müsste, blieb aus. In den über zehn direkten Aktionen, die von der Kampagne im letzten Schuljahr vor Schulen und Messen durchgeführt wurden, an denen die Bundeswehr versuchte, für das Töten und Sterben zu werben, waren genau das die Themen gewesen, die von den SchülerInnen besonders intensiv aufgegriffen wurden. Besonders bemerkenswert bei diesen Aktionen der Kampagne, die oft in Kooperation mit lokalen Friedensbewegten durchgeführt wurden, waren Gespräche mit Jugendlichen, die fest entschlossen waren, zur Bundeswehr zu wollen. Für sie war es oft neu und wichtig, auch Gegenpositionen zu hören. Ein gutes Beispiel ist ein intensiver Dialog mit einem 15-Jährigen, dessen Eltern und Verwandte alle bei der Bundeswehr tätig waren. Genau solche Jugendlichen sind eine zentrale Zielgruppe. Man konnte förmlich in den Augen des Schülers und seiner Körpersprache sehen, wie greifbar, spannend und wichtig die Auseinandersetzung mit Friedenspolitik für junge Menschen sein kann, deren Weltbild sich auf Militarismus und Bellizismus beschränkt. Hier muss Friedensarbeit ansetzen und zum Reflektieren und Nachdenken anregen, so dass bessere Lebensperspektiven und alternative Möglichkeiten sich eröffnen.

Es gibt natürlich auch Fälle, in denen die Propaganda der Bundesregierung und Bundeswehr ihre volle Wirkung entfaltet. Es ist nicht hinnehmbar, wie viele Jugendliche an das Feindbild „Internationaler Terrorismus“ glauben, und überzeugt sind, die Bundeswehr sei die einzige Möglichkeit, dagegen vorzugehen und Konflikte in der Welt zu lösen. Die Blindheit dafür, dass der Staatsterrorismus mit der Bundeswehr in mehr als einem Dutzend Ländern dieser Welt gerade die Voraussetzung zu asymmetrischen Antworten bildet, ist dabei oft genau so stark wie die Taubheit dafür, dass Konfliktparteien sich nicht gut als Mediatoren für Konflikte eignen. Genau das ist der Grund, weshalb es so wichtig ist, dass Kampagnen wie „Schulfrei für die Bundeswehr – Lernen für den Frieden!“ viele junge Menschen darüber informieren.

Was Antikriegsarbeit auf diesem Gebiet verstärken könnte, wäre eine bessere bundesweite und internationale Vernetzung gegen die Militarisierung der Jugend. Auch mehr Professionalisierung und weitere Stiftungszuschüsse auf diesem Gebiet können Sand für das Rekrutierungsgetriebe sein. Es ist aber unabdingbar, dass sich noch mehr lokale Gruppen finden, die dieses Thema behandeln. Gewaltfreie direkte Aktionen können Jugendliche darauf aufmerksam machen. Danach ist es wichtig, dass ihnen ein eigener Raum geboten wird, in dem sie sich frei entfalten können. Jugendliche für den Frieden zu begeistern und ihnen Strukturen anzubieten, auf die sie zurückgreifen können und die einen Handlungsspielraum ermöglichen, ohne erdrückend zu wirken, ist eine wichtige Vision. Mit einem Peer-to-Peer Ansatz wird weitaus mehr erreicht werden, als durch noch so viel Anstrengung mit einem Top-Down – Ansatz geschaffen werden könnte. Junge Menschen dazu anzuregen, Menschen aus ihrer Generation zum Frieden zu bewegen, ist ein zentrales Ziel für eine nachhaltige Friedensbewegung.

 

Anmerkung
1 Völkerrechtlich sind KindersoldatInnen alle SoldatInnen unter 18 Jahren. Die Bundeswehr nimmt 17-Jährige auf. Die Red.

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