Die Kriege stoppen – nicht die Flüchtlinge!

Kampagne „Stoppt Air Base Ramstein!“: Aktionswoche 2018

von Renate Wanie
Stopp Ramstein
Stopp Ramstein
(c) Lucas Wirl

Vom 23. bis 30. Juni 2018 fand die 4. Aktionswoche der Kampagne „Stoppt Air Base Ramstein!“ mit vielfältigem Programm statt. Erstmals wurde eine Blockade vor den Toren des US-Militärstützpunkts in Ramstein durchgeführt, dem Hauptquartier der United States Air Forces in Europe und Drehkreuz für Einsatzgebiete in Nordafrika und im Mittleren Osten. Im Zentrum der Kampagne stehen Forderungen an die Bundesregierung, den USA die Nutzung der Air Base Ramstein als Basis zur Drohnenkriegsführung zu verbieten und die von Zentralen in den USA gesteuerte Satellitenrelaisstation zu schließen. Sowie ganz aktuell die Anschaffung von Kampfdrohnen für die Bundeswehr abzulehnen. Über vier Tage hat die Autorin an der Aktionswoche teilgenommen als Aktionstrainerin, Demonstrantin, Moderatorin und Beobachterin.

„Tor-Tor-Tor“ – wurde zum Auftakt der Aktionswoche 2018 mehrfach gerufen. Denn parallel zur Weltmeisterschaft in Russland fand in der Nähe der Air Base Ramstein eine Fußball-Weltmeisterschaft der besonderen Art statt: das „Werner Liebrich – Fußball-Turnier“. Werner Liebrich war Spieler des 1. FC Kaiserslautern, 1954 Spieler der damaligen Weltmeisterelf wie auch überzeugter Kriegsgegner und Antifaschist. In den Nachkriegsjahren engagierte er sich gegen die Remilitarisierung und atomare Hochrüstung. Beim aktuellen Friedensturnier spielten acht Mannschaften mit, wie z.B. eine Camp-Mannschaft, Spieler aus Eritrea und Äthiopien sowie UnterstützerInnen aus der Region. In der Endrunde „siegte der Frieden mit 1:0“. Das Fußballspiel war unter den regionalen Fußballvereinen nicht unumstritten.

Friedenscamp
Ein Element der Aktionswoche war das Friedenscamp, die Fläche zum dritten Mal kostenlos zur Verfügung gestellt von einem Besitzer aus der Region. Demgegenüber stand die Absage eines Kleinbusunternehmens, angefragt für den Transport von CampbewohnerInnen zur Friedenswerkstatt. Hintergrund ist wohl ein Interessenkonflikt mit der US-Army als Auftraggeber. bekannten Weniger bekannte, teilweise umstrittene Initiativen wie „pax terra musica“ und „Street OPs“ stellten sich mit Infoständen vor, aber auch bekannte wie attac, IPPNW oder FIfF (Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung e.V.). Ein großes Zelt mit Mikrofonen und Lautsprecher informierte über Organisatorisches, lud zu kulturellen und politischen Events ein,eine Küche mit Koch von „Rampenplan“ versorgte die AktivistInnen mit Mahlzeiten. Atmosphäre und Kleidung erinnerten an alternative Festivals.

Friedenswerkstatt
Unter dem Motto „Politisches Wissen und Handwerkszeug“ eröffnete Conny Burkert-Schmitz,  Ko-Kreismitglied aus der Region, die Friedenswerkstatt, ein neues Element der Aktionswoche. Über vier Tage wurden etwa dreißig Workshops mit einem breit gefächerten Themenspektrum angeboten, u.a. zur NATO, zu feministischen Themen, Syrien, Neoliberalismus oder zur Friedensbewegung in den USA oder auch zu Kampfdrohnen der Bundeswehr. Besonders gefragt war u.a. das Thema „Verschwörungstheorien – Realitäten und Diffamierungen“. Ob die Anzahl der Workshops, angeboten mitten in der Woche, beibehalten werden sollte, wird die Auswertung im Herbst zeigen. Die Räumlichkeiten wurden erneut von der St. Franziskus-Schule zur Verfügung gestellt.

International Meeting against foreign military bases
„Die Internationalität, die internationale Zusammenarbeit und Solidarität sollten und müssen angesichts einer wahnwitzigen Aufrüstungs- und Konfrontationspolitik weiter ausgebaut und gestärkt werden.“ So lautete 2017 der Appell von Reiner Braun, einer der InitiatorInnen der internationalen Konferenz gegen ausländische Militärbasen. Sie fand in diesem Jahr ihre Fortsetzung. Etwa eintausend ausländische Militärbasen machen weltweit Vernetzung und mehr Kooperation notwendig. In Deutschland wissen wir wenig über den täglichen Militarismus und die Kriege, die von dort ausgehen, ebenso wenig über den Widerstand dagegen. Auf dem Meeting 2018 in Kaiserslautern waren AktivistInnen aus elf Ländern vertreten, z.B. aus Spanien, Irland, den USA, Südkorea, Großbritannien, Griechenland und Italien, um Erfahrungen auszutauschen. Verabschiedet wurde eine gemeinsame Resolution mit der Forderung: „Die Kriege stoppen, nicht die Flüchtlinge!“ Besonders beeindruckend war der Bericht von Hoyhon Choi aus Südkorea über die breiten Widerstandsbewegungen gegen die Militarisierung im Land.  

RednerInnen
Für die Abendveranstaltung in der überfüllten Versöhnungskirche in Kaiserslautern musste die ehemalige ARD-Korrespondentin Gabriele Krone-Schmalz aus persönlichen Gründen absagen, sie schickte per skype ein Grußwort in den überfüllten Saal und betonte, dass Frieden nicht selbstverständlich sei, sondern harte Arbeit. Die Basis für Frieden sei, die Interessen des anderen zur Kenntnis und ernst zu nehmen. Mit Blick auf Russland würde dieser Grundsatz nicht ernst genommen und die russischen Interessen würden oft als illegitim beiseitegeschoben. Eingeladen war auch der Journalist Ekkehard Sieker. Sieker ist Mitarbeiter der Sendung „Die Anstalt“. Er sprach über gezielte Desinformationsstrategien, denen wir täglich ausgesetzt seien. Das sei ein Rückfall in die „Nichtaufklärung“. Großer Beifall aus dem Publikum, überwiegend aus der Region. Sieker stellte u.a. die Frage, wie, wann und warum das Narrativ „böser Russe, guter Westen“ konstruiert werde und welche Personen und Interessen dahinter steckten.

„Schließt Air Base Ramstein, öffnet Eure Herzen!“, lautete der leidenschaftliche Appell von Eugen Drewermann, Theologe und Psychoanalytiker, auf der Abschlusskundgebung vor der Air Base. Er kritisierte die Empfindungslosigkeit der Politikerinnen Merkel und von der Leyen und wies auf die zentrale Rolle der U.S. Air Base Ramstein für den weltweiten Drohnenkrieg hin. „Wir sind nicht länger willens, der Flugzeugträger der Amerikaner zu sein.“ Die ganze Welt sei von hier aus ein Angriffsziel. Tosender Beifall. Die Linken-Politikerin Sarah Wagenknecht warnte vor einem möglichen Angriff auf den Iran, für den die Air Base eine Schlüsselstellung habe. Laut Grundgesetz sei es überhaupt nicht erlaubt, Angriffskriege von deutschem Boden aus zu führen. Das sei ein Verfassungsbruch, hier könne der Verfassungsschutz sinnvoll agieren. Kritische Einwände bei Diskussionen im Vorfeld erreichten, dass der  Journalist Ken Jebsen nicht als Redner eingeladen wurde.

Zwei Demonstrationszüge führten von den Auftaktkundgebungsorten in Landau und Ramstein-Miesenbach am letzten Tag der Aktionswoche zu der Abschlusskundgebung vor der Air Base Ramstein. Jeweils sieben RednerInnen aus der Friedensbewegung waren dort zu kurzen Beiträgen eingeladen. Wegen der großen Hitze an diesem Tag wurde ebenso für den Durst der Demonstrierenden vorgesorgt. Ein großer Anhänger, beladen mit Wasserflaschen, stand bereit. Zur Erinnerung an die 70 Opfer und 1000 Verletzte der Flugzeugkatastrophe in Ramstein im Jahr 1988 wurde eine Zwischenkundgebung am Gedenkstein eingelegt. Sehr eindrücklich sprach der Arzt und Psychotherapeut Hartmut Jatzko von der Stiftung „Katastrophen-Nachsorge“ über die späten Folgen und Traumata des Unglücks.
In diesem Jahr haben mit ca. 2.500 weniger DemonstrantInnen  teilgenommen als im Jahr 2017.

Ziviler Ungehorsam
Erstmals fand am Ende der Aktionswoche 2018 eine Sitzblockade vor den Toren der Air Base statt. Es war eine Steigerungsstufe in der Palette der bisherigen Aktionsformen der Kampagne. Gut vorbereitet mit einem Aufruf, auch an Prominente, einem vorhergehenden Schnuppertraining und nach Absprachen in zwei abendlichen Plenen, entschieden sich etwa 200 Menschen, an der Sitzblockade teilzunehmen. Auch spontan, um das politische Anliegen sichtbar zu unterstützen, entschieden Menschen aus der Bevölkerung, sich dazu zu setzen. Fröhliche Aufbruchstimmung machte sich breit, altbekannte Friedenslieder wurden gesungen. Nach drei Aufforderungen der Polizei wurde die Blockade von Seiten des Blockadeteams, Pedram Shahyar und Hedi Sauer-Gürth, aufgelöst. Einzelne DemonstrantInnen blieben entschlossen sitzen und wurden von der Polizei zur Personalaufnahme weggetragen.

Zwei Aktionstrainings bereiteten fünfzig Menschen auf die Sitzblockade vor, angeleitet von der Autorin dieses Artikels. Die Themen: Verständnis von Zivilem Ungehorsam, Bildung von Bezugsgruppen, Konsensentscheidungsfindung sowie der Dialog als Grundpfeiler gewaltfreien Widerstands. Ein wichtiges Element ist das Einüben von Kommunikation und Verhaltensweisen in zu erwarteten Situationen während einer Blockade. Motivation und Stimmung während des Trainings waren großartig. Die meisten der Teilnehmenden hatten wenig Erfahrung mit politischen Aktionen. Doch Empörung über die derzeitige Kriegs- und Drohneninterventionspolitik treibt sie an.

Perspektiven
Die Kampagne besteht jetzt im vierten Jahr. Im Herbst wird in einer Klausur und auf der Aktionskonferenz gemeinsam ausgewertet, werden Fragen zur zukünftigen Programmgestaltung, Mobilisierung und politischen Zielsetzung gestellt werden. Neu hinzukommen werden Themen wie Konversion und Umweltpolitik in der Region.

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