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Es gibt keinen Grundgesetz-Doppelbeschluß!
Keine deutschen Soldaten an den Golf!
vonMan kann es drehen und wenden wie man will, die Bereitstellung deutscher Truppen unter UNO-Kommando steht in engem Zusammenhang mit den Forderungen der Vereinigten Staaten von Amerika zur "siegreichen" Beendigung des Golf-Konflikts. Die im Grundgesetz vorgesehenen Einschränkungen über den potentiellen Einsatz von Bundeswehrsoldaten und die im Gelöbnis oder Fahneneid abgegebene Selbstverpflichtung ("... das deutsche Volk tapfer zu verteidigen") haben bewußt mit einer Selbstbeschränkung deutscher Außen- und Sicherheitspolitik zu tun, die man nicht unter dem Druck internationaler Spannungen und Stimmungen einfach aufs Spiel setzen sollte.
Der Vorschlag, das Grundgesetz mit dem Einsatz der Bundeswehr "im Rahmen der UNO-Satzung und aufgrund von UNO-Beschlüssen" zu ergänzen, läßt Tür und Tor offen für Manipulationen und für den von der Bundesregierung beabsichtigten Einsatz der Bundeswehr "out of area". Denn man muss wissen, daß z.B. die Entsendung von US-Streitkräften unterstützt von britischen, australischen und anderen Verbänden Anfang der 50er Jahre in Südkorea "im Rahmen der UNO-Satzung" erfolgte und daß der UN-Weltsicherheitsrat damals die verbündeten Streitkräfte dem US-Oberkommando unterstellte. Eine ähnliche Situation ist für den Golfkonflikt nicht auszuschließen. Bekanntermaßen hat der Truppenaufmarsch mit dem einen Auftrag an UN-Friedenstruppen nichts zu tun. Wer deutsche Soldaten explizit den Vereinten Nationen für Operationen der Friedenstruppen unter UN-Kommando zur Verfügung stellen wissen, sollte dies auch so formulieren. Dann gäbe es auch nur die Möglichkeit, ähnlich wie beim Einsatz von Angehörigen des Bundesgrenzschutzes als Beobachter bei den ersten freien Wahlen in Namibia im Frühjahr dieses Jahres, entweder unbewaffnet oder mit leichten Waffen zur Streitschlichtung und Konflikteindämmung eingesetzt und nicht für den massiven Kriegseinsatz mißbraucht zu werden.
Auch die wiederholt vorgetragene Alternative - Vereinte Nationen oder NATO - ist eher absurd. Es gibt kein Beispiel dafür, daß Streitkräfte im vollen Umfang den Vereinten Nationen unterstellt sind. Dies wird von den Vereinten Nationen auch überhaupt nicht gewünscht. Es liegt auf der Hand, daß die Auseinandersetzung mit der noch gültigen, auf Abschreckung und Massenvernichtungswaffen basierenden NATO-Strategie politisch zu führen ist, und, falls die NATO sich als unfähig erweist, auf die Veränderungen in Europa zu reagieren, auf größere Distanz zu ihr zu gehen. Da hilft uns die Diskussion um die UN-Friedenstruppe überhaupt nichts.
Die von Norbert Gansel vorgestellte Kopplung einer Grundgesetzänderung als Doppelbeschluß ist bei näherem Hinsehen ebenfalls nicht besonders effektiv. Die Forderung, ein verfassungsrechtlich abgesichertes Verbot von Waffenexporten von Staaten außerhalb unseres eigenen Bündnisses als Preis für eine entsprechende Ergänzung des Grundgesetzes für den Einsatz der Bundeswehr außerhalb des bisherigen Rahmens durchzusetzen, ändert praktisch nichts. Ein wichtiges Problem bei Rüstungsexport und Waffenhandel liegt ja wohl darin, daß Waffensysteme in der Co-Produktion mit Verbündeten ohne jede Schwierigkeit an jeden beliebigen Platz der Erde verbracht werden können, wenn dies die Co-Produzenten wollen. Daran wird auch eine Verfassungsänderung nichts ändern. Es kommt also schon eher darauf an, rechtliche Bestimmungen herbeizuführen, die die Beteiligung an der Rüstungsproduktion unserer Industrie nur gestattet, wenn vertraglich und rechtlich abgesichert ist, daß die mit deutscher Beteiligung hergestellten Waffen nicht außerhalb der beteiligten Länder verwendet werden. Dies wäre eine Forderung, die sich auch an die Kommission der Europäischen Gemeinschaft richtet und Konsens zwischen den Mitgliedsländern der EG erforderlich macht, damit dies rechtlich durchsetzbar ist.
Deshalb ist die Diskussion über die Einschränkung von Rüstungsexporten angesichts der skandalösen Erfahrungen der letzten Jahre nicht mehr nur halbherzig zu führen: Wer wirklich will, daß deutsche Waffen nicht in künftigen Ressourcen-Kriegen zwischen Nord und Süd zum Einsatz kommen, deutsche Techniker nicht am Aufbau gewaltiger Rüstungsunternehmen in von Diktatoren regierten Ländern beteiligt sind, Fabriken für Massenvernichtungswaffen nicht mit deutscher Hilfe erbaut werden, der muß auch nationale Alleingänge riskieren und auf Waffenproduktion verzichten. Beim Rüstungsexport ist es wie bei den Raketen: Nur eine Null-Lösung bringt uns zum Ziel.
Wenn wir wirklich aus den Umbrüchen der Gegenwart unsere Schlußfolgerung ziehen wollen, dann sollten wir uns darauf konzentrieren, die gewachsene politische und ökonomische Bedeutung Deutschland im wahrsten Sinne des Wortes friedenserhaltend in die internationale Waagschale zu werfen. Das heißt aber: Diplomaten und nicht Soldaten an die Front! Das heißt auch: keinerlei staatliche Subventionierung und Unterstützung von Industrien, die mit Waffen Geld verdienen wollen! Und das heißt last not least: sich für den Aufbau einer gerechten Ordnung in den Ländern der Regionen einzusetzen, die am meisten unter dem massiven wirtschaftlichen Ungleichgewicht zwischen Nord und Süd zu leiden haben, durch Schuldenabbau, durch die Streichung von Einfuhrzöllen für Produkte aus diesen Regionen, für eine konsequente Einsparung beim Energieverbrauch und für eine massive Verstärkung der Entwicklungshilfe zur Selbsthilfe. Auf diesem Gebiet werden zwar viele mutige Beschlüsse auch durch Gliederungen der SPD gefaßt, aber bisher wenig getan, um sie in der Bundestagsfraktion oder in den Ländern praktisch zu verwirklichen. Hier liegt der eigentliche Konflikt der Zukunft auch mit den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern und Gewerkschaften im eigenen Land, denn man muß ihnen auch sagen, daß eine gerechtere Weltwirtschaftsordnung auch zu Lasten von Arbeitsplätzen und Einkommen in unseren Breiten führen kann.
Die Lösung dieser Frage ist wichtiger als die Formulierung vager und manipulierbarer Formeln für den potentiellen Einsatz deutscher Soldaten und leider längst realen Einsatz deutscher Waffen in der Welt.