Konflikt und Klima

Drohen uns Klimakriege?

von Michael Brzoska
Schwerpunkt
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Die Warnungen vor zukünftigen Klimakriegen sind laut und vielfältig. Gleichzeitig ist die empirische Evidenz dafür, dass eine wärmere Umwelt zu mehr bewaffneten Konflikten führt, zumindest bisher, eher dünn. Nun könnte eine Zukunft mit mehr Klimawandel deutlich anders aussehen als die Gegenwart. Aber auch die genauere Betrachtung der möglichen Wege, wie Klimawandel zu Kriegen führen könnte, deutet eher darauf hin, dass Kriege zwischen Staaten wenig wahrscheinlich sind. Hingegen sind Befürchtungen berechtigt, dass niedrigschwellige und lokale Gewalt zunehmen werden.

Gewarnt wird vor allem vor zukünftigen Kriegen um Wasser. Wasser ist bereits heute in vielen Regionen knapp, und mit dem Klimawandel sind auch an vielen Orten massiveVeränderungen bei Niederschlägen verbunden – sowohl was die Mengen als auch die saisonale Verteilung angeht. Mit großer Wahrscheinlichkeit werden unter anderem der Südwesten der USA, das Südliche Afrika und der Mittelmeerraum von deutlich weniger Niederschlägen betroffen sein. Weniger klar ist, was im Sahel- und Sahararaum geschehen wird, hier kommen Vorhersagemodelle zu unterschiedlichen Aussagen. Wasser kann aber auch knapp werden, wo es ausreichend regnet, aber die Vorsorge für saisonale Schwankungen ein Problem ist. So wird etwa die Gletscherschmelze im Andenraum die gegenwärtig gesicherte durchgängige Versorgung großer Städte in der Region, wie Lima, gefährden.

Aber führt Wasserknappheit notwendig zu bewaffneten Konflikten? Die Forschung zum Thema Wasserkonflikte lässt erhebliche Zweifel aufkommen. So hat etwa eine Forschungsgruppe um den US-amerikanischen Wissenschaftler Aaron Wolf herausgefunden, dass es nur in einer vergleichsweise kleinen Zahl von Fällen zu Auseinandersetzungen zwischen Staaten um Wasser zu Gewalt kam. Von den 37 Fällen über einen Zeitraum von 50 Jahren betrafen 30 den Israel-Palästina Konflikt. Dem standen 1735 Fälle gegenüber, in denen dies nicht der Fall war (1). Dabei ist auch zu bedenken, dass militante Palästinenser viele Gründe für Gewaltanwendung haben, die Wasserverteilung, die von Israel kontrolliert wird, ist nur einer, so dass es schwer ist, die Bedeutung der palästinensischen Wasserknappheit einzuschätzen. Aktuell verliert zudem dieser Wasserkonflikt an Bedeutung, da die Bereitschaft der israelischen Regierung zu Kompromissen auf Grund durch Meerwasserentsalzung zunehmend zur Verfügung stehenden Wasserdargebots gewachsen ist.

Innerstaatliche Konflikte
Etwas kritischer sieht es aus, wenn es um innerstaatliche bewaffnete Konflikte geht. Auch hier gilt, dass es schwierig ist, Wasser als Konfliktursache von anderen zu trennen. Das gilt etwa für bewaffnete Konflikte in Darfur und Somalia in den 2000er Jahren oder aktuell in Syrien, Jemen und um den Tschad-See in Westafrika. Alle diese Regionen werden periodisch von Dürren heimgesucht. Allerdings ist es keineswegs so, dass die genannten bewaffneten Auseinandersetzungen vor allem während solcher Dürreperioden stattfanden. Im Gegenteil – die blutigen Auseinandersetzungen in Darfur etwa begannen in einer Zeit ausreichender Regenfälle, und auch der Ausbruch des Krieges in Syrien erfolge mehrere Jahre nach einer größeren Dürre. Trotzdem dürfte Wasserknappheit ein, wenn auch nur indirekter und nicht entscheidender, Faktor für den Ausbruch dieser beiden bewaffneten Konflikte gewesen sein. Denn sie nahm zahlreichen Menschen die Lebensgrundlage, führte zu Binnenmigration und untergrub das Vertrauen in staatliche Institutionen. Auslöser der Kriege war dann jeweils das Verhalten der Herrschenden: Die Regierung in Khartoum, die mit Gewalt versuchte, sich die bis dahin wenig beachtete Region Darfur zu unterwerfen, und die Führung in Damaskus, die friedliche Proteste brutal niederschlagen ließ.

Wasserknappheit und Gewalt
Am klarsten ist der Zusammenhang Wasserknappheit und Gewalt auf lokaler Ebene. Es gibt zahlreiche Berichte über Konflikte um Wasser, die zwar nicht in bewaffneten Konflikten zwischen bewaffneten Verbänden ausgetragen werden, aber zu Gewaltausbrüchen führen (2). Solche Konflikte bleiben, was die Zahl der Opfer angeht, meist begrenzt. Auch eskalieren sie selten zu Bürgerkriegen. Hinreichendes Wasserdargebot ist zwar lebenswichtig, und insbesondere in viehzüchtenden und landbauernden Gesellschaften Existenzgrundlage, aber es ist kein klassischer Konfliktrohstoff, dessen internationale Vermarktung sich als Grundlage für Kriegführung nutzen lässt, wie dies etwa für Rohöl oder Diamanten der Fall ist.

Ein wichtiger Grund dafür, dass in empirischen Untersuchungen Wasser vor allem lokal aber selten in nationalen oder gar internationalen Konflikten als entscheidender Faktor angesehen wird, liegt im Mangel an Institutionen und Instrumenten, um mit Wasserkonflikten umzugehen. Hierfür sind insbesondere auf internationale Ebene zahlreiche Vorkehrungen getroffen worden, insbesondere Verträge über die gemeinsame Nutzung von Wasser zwischen Staaten. Solche Verträge haben sich als wirksam und belastbar erwiesen, wie etwa eine Forschergruppe der Universität Zürich gezeigt hat (3). Aber sie sind als ausgehandelte Kompromisse auch von der politischen Großwetterlage abhängig. Das zeigt etwa der aktuelle Streit über die Nutzung des Nilwassers, insbesondere zwischen Äthiopien, wo mehrere Staudämme entstehen, und Ägypten. Die Führung in Kairo droht damit, nicht hinnehmen zu wollen, wenn nicht hinreichend Nilwasser Ägypten erreicht. Parallel wird aber auch über eine friedliche Wasserteilung verhandelt.

Klimakriege werden aber nicht nur durch Wasserknappheit erwartet. Eine weitere Auswirkung des Klimawandels ist der Anstieg des Meereswasserspiegels. Er dürfte zwar in diesem Jahrhundert selbst bei ausbleibenden drastischen Maßnahmen gegen den Klimawandel bei unter einem Meer bleiben, aber auch das reicht schon, um einige Inseln, insbesondere im Pazifik, sowie Flussdeltas, insbesondere in Süd- und Ostasien, periodisch zu überfluten. Das gefährdet die Bewohnbarkeit einiger Inseln und Meeres- und Flussränder. Darüber hinaus führt der Anstieg des Meeresspiegels zur Versalzung von Böden insbesondere in Flussdeltas. Allerdings gilt für Landverluste, was auch für Wasserknappheit gilt: bewaffnete Konflikte, insbesondere auf internationaler Ebene sind eher selten zu erwarten, hingegen steigt mit dem Verlust landwirtschaftlich nutzbarer Flächen und dem Anstieg von Nahrungsmittelpreisen die Wahrscheinlichkeit lokaler Gewalt.

Besonders schwerwiegend ist Landverlust dort, wo er die Existenz von Staaten gefährdet. Das ist für einige pazifische Staaten durchaus schon in diesem Jahrhundert Realität. Der Staat Kiribati etwa besteht nur aus Inseln, die überwiegend weniger als zwei Meter aus dem Meer ragen. Noch vor dem Ende dieses Jahrhunderts dürfte Kiribati sein Staatsterritorium weitgehend verloren haben. Allerdings ist schwer vorstellbar, dass betroffene Inselstaaten deswegen Kriege beginnen – sie sind alle klein, und einige haben überhaupt keine Streitkräfte.

Kriege oder zumindest Gewaltausbrüche werden gelegentlich auch nach Katastrophen erwartet. Und in der Tat lassen sich Fälle anführen, wo das Chaos nach Konflikten Gewalt gefördert hat. Auf den Philippinen etwa haben Taifune es bewaffneten Gruppen leichter gemacht, bewaffnete Auseinandersetzungen mit der geschwächten Staatsmacht zu führen. Klimawandel, so die meisten Prognosen, wird zu mehr und intensiveren Katastrophen wie Überflutungen, Stürmen, Hitzewellen, Waldbränden und Dürren führen. Allerdings sind auch die internationalen Bemühungen zur Eindämmung von Katastrophen gewachsen, durch Vorbeugung, Katastrophenhilfe und Stärkung von Resilienz. Die Anzahl der Todesopfer wetterbedingter Katastrophen etwa hat, trotz zunehmender Zahl an Katastrophen, abgenommen. Es ist daher offen, ob mit weiterem Klimawandel die Folgen von Katastrophen, die möglicherweise Bedeutung für Ausbruch und Führung bewaffneter Konflikte haben, auch zunehmen werden.

Do no harm
Katastrophenhilfe ist zwar von der Absicht her gewaltfrei, sie kann aber in Extremfällen auch gewaltfördernd sein. Möglicherweise entstehen daher in Zukunft Klimakriege aus gutgemeinter Absicht. Ein Fall aus der Vergangenheit, wo es kurz davor stand, dass humanitäre Hilfe zu einem Kriegsgrund wurde, betrifft den Zyklon Nargis, der 2008 Myanmar traf und mehr als einhundert Tausend Todesopfer forderte. Die Militärregierung des Landes wollte keine internationale Hilfe zulassen, sie fürchtete einen Kontrollverlust durch das Hereinlassen ausländischer Hilfskräfte. Die Regierungen mehrerer Staaten, darunter Frankreichs, drohten daraufhin mit dem Einsatz von militärischer Gewalt, um Hilfe bringen zu können, was die Militärregierung zum Einlenken brachte. Wenn in einer zukünftigen Katastrophe eine Regierung nicht nachgibt, könnte es tatsächlich zum Militäreinsatz kommen. Eine intellektuelle Grundlage dafür ist mit der internationalen „Schutzverantwortung“ („Responsibility to Protect“ gelegt, die nach dem Willen ihrer Schöpfer auch für Katastrophen gelten soll, in denen nur mit Hilfe von Interventionen das Leben von vielen Menschen gerettet werden kann.

Abschließend soll auch kurz noch ein anderes Szenario erwähnt werden. Mit dem Ausbleiben drastischer Maßnahmen gegen den Klimawandel gewinnt in manchen Kreisen die Idee des „Climate“ oder „Geoengineering“ an Attraktivität, etwa durch großskalige Abscheidung von CO2 aus der Luft und Lagerung im Boden oder die Verteilung von Partikeln in der Atmosphäre um die Sonneneinstrahlung zu vermindern. Zwar ließe sich wohl mit Geoengineering die globale Erwärmung begrenzen, aber die Auswirkungen etwa auf Niederschläge wären nicht überall gleich. Zudem sind Auseinandersetzungen darüber denkbar, welche globale Durchschnittstemperatur denn mit Geoengineering „eingestellt“ werden soll.

Die zuletzt genannten denkbaren Zusammenhänge zwischen Klimaveränderung und Krieg machen die Vielfältigkeit der Gefahren des Klimawandels deutlich. Sie zeigen aber auch, dass nicht der Klimawandel selbst, sondern der politische Umgang mit seinen Folgen entscheidend dafür ist, ob es zu organisierter Großgewalt kommt.

Anmerkungen
1 https://www.wilsoncenter.org/sites/default/files/NavigatingPeaceIssue1.pdf
2 Eine Statistik von Wasserkonflikten wird vom Pacific Institute geführt, siehe https://www.worldwater.org/water-conflict/
3 https://www.tandfonline.com/doi/abs/10.1080/03050629.2012.697428

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Michael Brzoska ist Direktor des Instituts für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg (IFSH).