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Der ökologische Kollaps ist absehbar
Koalition trotz Copernicus-Bericht ohne Klima-Plan
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Die Weltgemeinschaft bewegt sich auf den ökologischen Kollaps zu. Der aus dem EU-Haushalt finanzierte Copernicus Climate Change Service, der von der Europäischen Kommission als Teil des Copernicus-Programms ins Leben gerufen wurde und die Weltorganisation für Meteorologie (WMO), eine UN-Sonderorganisation, stellen in ihrem kürzlich veröffentlichten Bericht (1) fest: 2024 war weltweit das wärmste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen und das erste mit einer Durchschnittstemperatur von mehr als 1,5 Grad über dem vorindustriellen Niveau. Die letzten zehn Jahre waren die wärmsten zehn Jahre seit Beginn der Aufzeichnungen. Die Konzentrationen der Treibhausgase Kohlendioxid und Methan nehmen weiter zu. Seit den 1980er Jahren hat sich Europa doppelt so schnell erwärmt wie der globale Durchschnitt und ist damit der sich am schnellsten erwärmende Kontinent. Extreme Regenfälle führen zu katastrophalen Überschwemmungen, und Hitzewellen, die immer häufiger und heftiger auftreten. In Südeuropa kommt es zu weit verbreiteten Dürreperioden.
Einmal mehr erfahren wir aus hochoffiziellen Quellen, was uns bevorsteht. Eine weltweite Durchschnittstemperatur von 1,5 Grad, bei der auch die kühlenden Ozeane zu Buche schlagen, führt in Ländern wie Deutschland zu einer doppelt so hohen Erwärmung auf 3 Grad. Wenn die gegenwärtigen Klimaschutzzusagen der Staaten in aller Welt komplett umgesetzt würden, bewegt sich die Erde auf eine Erwärmung von knapp 3 Grad bis zum Jahr 2100 zu, so u.a. der Emissions Gap Report 2024 des United Nations Environment Programme mit dem treffenden Titel No more hot air … please! (2) 3 Grad weltweite Klimaerwärmung bedeutet für Länder wie Deutschland bis zu 6 Grad! (3) Nebenbei bemerkt: Ferner sind sechs der neun planetarischen Grenzen bereits deutlich überschritten. (4)
Wissenschaftlich steht fest, dass 6 Grad existenzbedrohend sind. Als kleine Auswahl der zu erwartenden Folgen: Hitzewellen (40 Grad im Sommer), mehr Hitzetote, Austrocknen der Böden, Zunahme der Schädlinge (erhöhter Pestizideinsatz), sinkende Grundwasserspiegel, Waldbrände, Biodiversitätsverluste, Infrastrukturschäden (Schienenverformungen, Stromausfälle) und natürlich Verteilungskonflikte bis hin zu Kriegen und klimabedingter Massenmigration. Selbst in angesehenen Fachzeitschriften finden sich Untersuchungen zu einer Endspielsituation, bei der sich verschiedene Faktoren zu einer aufschaukelnden Rückkoppelungsschleife verbinden. (5) Gemeint ist, dass sich der Anstieg des Meeresspiegels, extreme Wetterereignisse, ökonomische Ungleichheit, Krankheitserreger, Biodiversitätsverluste, geringere Ökosystemdienstleistungen, Wasser- und Lebensmittelknappheiten, Vertreibungen, internationale und lokale Konflikte und die Zunahme von scheiternden Staaten (failed states) in ein permanentes Krisen- und Kriegsszenario führen.
Und wie reagiert die neue deutsche Bundesregierung?
Werfen wir einen Blick in den Koalitionsvertrag. Erfreulich ist das allgemeine Bekenntnis zum entschlossenen Ausbau der erneuerbaren Energien. Aber von früheren Bekundungen zur Verlagerung des Verkehrs von der Straße auf die Schiene ist nichts zu lesen. Das „Heizungsgesetz“ soll abgeschafft werden. Es gibt kein Tempolimit und kein Klimageld. Der für 2030 anvisierte Ausstieg aus der Kohle wird auf 2038 wieder nach hinten verschoben. Es soll deutliche Investitionen in neue Gaskraftwerke geben (nicht in Stromspeicher) und das Potential konventioneller Gasförderung im Inland gefördert werden. Die Pendlerpauschale gibt es in voller Höhe ab dem ersten Kilometer. Das Dieselprivileg gilt wieder für Landwirte und generell weiterhin für Dieselfahrzeuge. Die Anrechnung „glaubwürdiger“ Emissionsminderungen im Ausland zur Erfüllung der europäischen Ziele soll bis zu 3% erlaubt und die Stromsteuer auf das von der EU vorgeschriebene Minimum reduziert werden.
Die Autobahn GmbH darf Kredite aufnehmen. Die LKW-Maut fließt vollständig in den Straßenbau. Damit Fliegen billiger wird, soll die Luftverkehrssteuer reduziert, die Beimischungsquoten nachhaltiger Kraftstoffe auf das EU-vorgeschriebene Minimum und Gebühren und Abgaben generell gesenkt werden. An die defizitären Regionalflughäfen wird auch gedacht, sie sollen gefördert werden. Von Frankfurt nach Athen buchbare und pünktliche Züge, wie es vor Jahrzehnten üblich war, ist natürlich auch auf europäischer Ebene keines Gedankens wert.
Nur kurz sei an das in Deutschland nach oben unbeschränkte Budget für den Militärbereich und die Hunderten Milliarden für Infrastrukturprojekte erinnert, die auf erhebliche Emissions- und Ressourcenbelastungen hinauslaufen. Bei den 100 Milliarden für grüne Anliegen im Klima- und Transformationsfonds ist fraglich, ob diese zusätzlich und zweckgebunden verwendet werden. Fazit: Die Vereinbarungen laufen, ähnlich wie auf europäischer und internationaler Ebene, auf eine katastrophale umweltpolitische Retropolitik hinaus, obwohl es 2025 bereits erneut eine Frühjahrstrockenheit gab.
Anmerkungen
1 https://climate.copernicus.eu/esotc/2024.
2 Siehe https://www.unep.org/resources/emissions-gap-report-2024.
3 So auch der Klimawissenschaftler Stefan Rahmstorf: „Wenn wir global tatsächlich bei drei Grad landen werden, drohen Deutschland etwa sechs Grad Erwärmung.“ https://www.l-iz.de/leben/gesellschaft/2023/09/vollbremsung-oder-klimacr....
4 Zu den planetarischen Grenzen siehe Planetary Health Check. Report 2024 (https://www.planetaryhealthcheck.org/storyblok-cdn/f/301438/x/a4efc3f6d5....
5 Kemp, L et al. “Climate Endgame: Exploring catastrophic climate change scenarios”. PNAS, 2022. https://www.pnas.org/doi/epub/10.1073/pnas.2108146119.