Kommunale Friedensarbeit in Düsseldorf: Der Stein des Weisen?

von Klaus Kurtz

Trotz gewisser Erfolge plagt auch einen Teil der Düsseldorfer Friedensinitiativen das 'Problem nachlassender Aktivenzahlen. Ist die kommunale Friedensarbeit ein Mittel für neue Mobilisierungen?
Über 2 000 Exemplare unserer Broschüre "Stadt & Frieden" haben wir seit April des Jahres abgesetzt. Für eine Broschüre zum Thema kommunale Friedensarbeit ein erstaunlich großes Interesse, das wir zwar erhofft aber so nicht erwartet hatten. Denn unsere zu besten Zeiten aus über 20 Stadtteil-, Betriebs- und Berufsinitiativen bestehende Bürgerinitiative ist ähnlich wie andere Friedensinitiativen auch von Schrumpfungsprozessen und nachlassendem Engagement beeinträchtigt.

Erfolge langfristiger Arbeit
Aber auch in diesem Jahr stellen sich Erfolge unserer langfristigen kommu-  nalpolitischen Arbeit ein:
* Der Düsseldorf er Stadtrat hat in diesem Jahr endlich den längst fälligen Beschluß gegen den Bau von Atombunkern in öffentlichen Gebäuden gefaßt. Die Bundestagsparteien werden aufgefordert, gegen den Entwurf des Zivilschutzgesetzes, speziell gegen Bunkerbau- und Zivilschutzdienspflicht zu stimmen.
* Gedenktafeln für die  KZ-Außenstelle in Düsseldorf-Stoffeln und für antifaschistische Widerstandskämpfer wurden enthüllt.
* Endlich beginnen Kommunalpolitiker und Verwaltung sich' auch um den Skandal eines immer. noch bestehenden. Nazidenkmals zu kümmern.
* Auf dem nach der Friedensnobelpreisträgerin Bertha von Suttner benannten Platz wird in Kürze die verlangte Gedenktafel eingeweiht.
* Der Düsseldorfer Stadtrat hat nun auch die langgeforderte Städtepartnerschaft mit einer Stadt in der DDR - hier Karl-Marx-Stadt - besiegelt. Im März 1989 wird im Rahmen des Part-nerschaftsvertrags ein Friedensforum in Karl-Marx-Stadt durchgeführt.
Haben wir den Stein des Weisen gefunden, das Thema, das alte Aktivisten mobilisieren und der Friedensbewegung neue Perspektiven und Kräfte er.schließen kann? Sicher nicht! Trotz unbestreitbarer Erfolge haben sich u.a. ganze · Stadtteilinitiativen aufgelöst. Allerdings hat die langfristige kommunalpolitische Arbeit die Bürgerinitiative stabilisiert, und die BI ist auch heute noch ein wichtiger politischer Faktor in Düsseldorf.

Von ·der Kampagne Atomwaffenfreie Zone zum Konzept kommunale Friedensarbeit Angefangen haben wir 1982 wie in vielen Orten mit der Kampagne Atomwaffenfreie Zone. Zwei Jahre Arbeit und 30.000 Unterschriften waren nötig, um den Stadtrat zu dem symbolischen Beschluß zu bewegen.

Ein ungeheurer Aufwand, dessen Früchte wir erst in den folgenden Jahren zu ernten begonnen haben. Der Stadtrats beschluß markiert eine Wende der Kommunalpolitik: Erstmals seit 1958 äußerte sich der Stadtrat wieder zu Frieden und Abrüstung. Der Stadtratsbeschluß konnte natürlich nur ein Anfang sein. Im April 1985 meldeten wir uns mit unseren "Empfehlungen zur kommunalen Friedenspolitik an die Stadt Düsseldorf" erneut zu Wort. In dieser Broschüre begründeten wir ausführlich die Notwendigkeit kommunaler Friedenspolitik.

1986 - im internationalen Jahr des Friedens - präzisierten wir in einem Briefwechsel mit dem Oberbürgermeister Unsere Vorschläge für kommunale Friedensarbeit. 1988 folgte die Broschüre "Stadt & Frieden", die wir anläßlich des 700jährigen Stadtjubiläums publizierten. "Stadt & Frieden" spiegelt unser bisher erarbeitetes Konzept kommunaler Friedensarbeit in einer - wie wir meinen - für die öffentliche Diskussion geeigneten Form wider.

Die konzeptionelle Arbeit konnte sich nur auf dem Hintergrund vielfältiger Aktivitäten der Düsseldorfer Friedensund anderer Bewegungen vor Ort entwickeln: Aktionen gegen die militäri-sche Nutzung des Düsseldorfer Flughafens, gegen den Bau einer Panzerstraße, gegen Atombunker, für die Einrichtung einer Mahn- und Gedenkstätte für die Opfer der nationalsoziali-stischen. Gewaltherrschaft, für Städtepartnerschaften, für Solidarität mit Nicaragua usw. "Stadt und Frieden" versteht sich in diesem Sinne auch als Angebot, das Konzept kommunale Frie-densarbeit durch Diskussion und Aktion weiterzuentwickeln.

Keine Rezepte, aber ...
Lange Zeit gab es in der Bürgerinitiative Widerstände gegen die Beschäftigung mit dem "l~kalen Kleinkram", die Kräfte von den "wirklich wichtigen globalen Themen'' ablenke. Inzwischen ist kommunale Friedensarbeit ein mit konkreten Erfahrungen untermauertes akzeptiertes Arbeitsfeld in der Düsseldorfer Friedensbewegung:
* Die Beziehungen zwischen Aufrüstungsmaßnahmen und anderen politischen 'Bereichen sind auf der kommunalpolitischen Ebene sehr anschaulich: Umweltzerstörung durch den Bau einer Panzerstraße, Atombunker in Tiefgaragen und Verkehrspolitik, Rockbunkerinitiative und städtische Kulturpolitik, ...
* Anknüpfend an die konkreten Problem vor Ort läßt sich nach unseren Erfahrungen Betroffenheit wirkungsvoll zu Wissen um größere (globale) Zusammenhänge und politischem Handeln entwickeln.
* Die allgemeine Akzeptanz der Friedensinitiativen in der Bevölkerung steigt weiter mit der wachsenden (und vor Ort leichter nachzuprüfenden) Glaubwürdigkeit des politischen Handelns der FI-Mitglieder.
* Kontakte, Vernetzung von Initiativen und weitere Bündnismöglichkeiten vor Ort haben sich aufgrund der vielfältigen Zugänge zu diesen Themen herausgebildet.
* Diese Interessenbündelung erhöhte die Durchsetzungschancen und führte zu einer Reihe V<>n beachtenswerten Erfolgen. 

Widerspuchsfrei verläuft eine solche Arbeit natürlich nicht. Mißerfolge sind einzukalkulieren, und ein langer Atem ist unbedingt erforderlich. Kurzfristiger Aktionismus schadet nach unseren Erfahrungen eher.

Rezepte können wir nicht verteilen, aber Euch ermuntern, kommunale Friedensarbeit zu beginnen, wieder aufzunehmen oder weiterzuführen. Wer sich über Ansatzpunkte, Möglichkeiten und Grenzen kommunaler Friedensarbeit umfassender informieren will, dem empfehlen wir: Günther Gugel, Uli Jäger (hg.): Handbuch kommunale Friedensarbeit, Verein für Friedenspädagogik Tübingen 1988, 14 DM; dort viele weitere Literaturempfehlungen und Adressen.
 

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