Kongo-Einsatz - was soll das?

von Andreas Buro

Uns gelingt es nur selten, rechtzeitig einen Blick hinter die Kulissen der Politikdramen zu werfen. So beginne ich treuherzig: Die Vereinten Nationen haben die EU um eine zeitlich befristete Unterstützung der UN-Friedenstruppen MONUC zur Absicherung der Parlaments- und Präsidentschaftswahlen im Kongo gebeten. Die Truppen sollen mit 250 französischen Soldaten in der Hauptstadt Kinshasa stationiert werden. Die restlichen 1.250 - also auch die deutschen - außerhalb des Landes. Im Hinterkopf kommt mir der Gedanke, sollte es vor der Bitte nicht Gespräche gegeben haben, so dass man nicht weiß, wer wirklich den Vorschlag machte?

Da es in der Öffentlichkeit unklar ist, was deutsche und andere EU-Soldaten eigentlich im Kongo machen sollen, erklärt uns Kerstin Müller, außenpolitische Sprecherin der grünen Bundestagsfraktion, dass die Stärkung der UN zu den vorrangigen Zielen der EU und insbesondere Deutschlands zähle. Es ginge also um die Glaubwürdigkeit der EU als ernst zu nehmender Friedensmacht und Partner der UN. ,,Bereits mit der Aufstellung ihrer battle-groups Anfang 2004 hatte sich die EU für ein stärkeres, sicherheitspolitisches Engagement in Afrika entschieden". Die battle-groups sollten bei zusammenbrechenden Staaten in Afrika eingesetzt werden, da diese zur Basis für islamistische Terrornetzwerke werden könnten. (taz 17.3.2006)

Müllers Schlussfolgerung: ,, Wenn wir also verhindern wollen, dass Afrika Terrorismus, organisierte Kriminalität und Flüchtlingsströme nach Europa exportiert, dann muss sich die EU an der Befriedung afrikanischer Krisen aktiv beteiligen-schon aus ureigensten Sicherheitsinteressen''. „Die Kongomission hätte der erste Realitätstest sein können." Friede durch Militäreinsätze der EU. Erinnere ich mich falsch? Gab es in Afrika nicht über lange Zeit einen terroristischen Kolonialismus?

Als Gründe für den Militäreinsatz werden ferner die Sicherung der Wahl in der Hauptstadt Kinshasa und der Schutz des Wahlsiegers genannt. Sieger wird mit großer Wahrscheinlichkeit der jetzige Präsident Kabila junior sein, der selbst über die beste Militärtruppe verfügt. Ferner ginge es um die Unterstützung der MONUC Truppen, die jedoch zu einem großen Teil im Inneren des Landes eingesetzt sind. Dann sollten die Truppen für die Evakuierung der 200 europäischen Wahlbeobachter sorgen, sollte es brenzlig werden. Eigentlich ist das jedoch eine Aufgabe von MONUC. Außerdem - die Phantasie kennt keine Grenzen - sollen künftige Flüchtlingsströme aus Afrika verhindert werden. Doch trotz des 5-jährigen Krieges kommen bisher fast keine Flüchtlinge aus dem Kongo. Der politische Direktor der UN-Misssion im Kongo, Albrecht Conze, meint, die EU-Truppen seien nur eine zeitlich befristete Zusatzversicherung von etwa 4 Monaten bis auch der zweite Wahlgang beendet sei.(FR 24. 3. 2006) Ist das alles wirklich eine ausreichende Begründung für einen EU-internationalen Militäreinsatz?

Demokratisierung durch Wahlen?
Die für den 18. Juni vorgesehenen Wahlen, die jüngst ohne neues Datum verschoben wurden; beruhen auf der neuen Verfassung des Kongo, die mit Hilfe der UN durch Volksabstimmung angenommen wurde. Sicher haben viele Menschen die Hoffnung, durch freie Wahlen würde endlich den Interessen der vom Krieg verelendeten Massen der Bevölkerung Rechnung getragen werden. Doch ist das wahrscheinlich und sind wirklich freie Wahlen im Kongo möglich?

  • Der Friedensprozess ist gescheitert.

Die Bürgerkriegsarmeen wurden nicht aufgelöst. Im Lande herrschen War Lords und Stammesführer mit eigenen Armeen, die die Menschen ausplündern-und terrorisieren, woran sich anscheinend auch die neu gebildeten nationalen Streitkräfte beteiligen. Sie alle werden die Wahlen nutzen, um ihre regionalen Herrschaftsbereiche zu legalisieren. Dabei wird es voraussichtlich auch zu Kämpfen zwischen rivalisierenden Gruppierungen kommen. Vertreibungen stehen schon jetzt auf der Tagesordnung.

  • Oftmals stehen hinter den regionalen Gewaltherrschern ausländische Interessen, die Waffen importieren, Schmiergelder zahlen und sich Konzessionen dafür geben lassen. Da wäscht eine Hand die andere - ideale Voraussetzung für Korruption.
  • Die größte Oppositionspartei, die UDPS, „deren historischer Chef Etienne Tshisekedi in den 90er-Jahren den gewaltfreien Widerstand gegen die Mobutu-Diktatur symbolisierte, ist die einzige Kraft von nationaler Bedeutung, die es mit dem Machtapparat des amtierenden Präsidenten Joseph Kabila aufnehmen könnte" (Dominic Johnson, taz 1.4.2006). Sie wollte erst nicht und kann heute wegen abgelaufener Fristen nicht mehr an den Wahlen teilnehmen. Ihre Hochburgen liegen in Kasai, dem wichtigen Gebiet der Diamantenförderung. Konflikte sind vorprogrammiert.

Zu erwarten ist, dass die Wahlen zu einem dezentralisierten Staat der Ausplünderung der Menschen und Ressourcen führen werden. Beobachter vermuten ferner, ,,gelungene Wahlen" würden für die UN-Truppen das Signal zum Abzug aus dem Kongo geben, weil dann die gewählten Institutionen die Verantwortung übernehmen könnten. Diese Annahme dürfte vor allem auf Wunschdenken beruhen, denn wichtige Strukturentscheidungen wird die Regierung in Kinshasa in einem Land der legalisierten War Lords und der privaten Unternehmensreiche nicht durchsetzen können, sofern sie dies überhaupt vorhaben sollte. Gegenwärtig fließen zwischen 80 und 85% der Erlöse des Landes in die Millionen-Metropole Kinshasa. Zu erwarten ist, dass sich neue Konflikte um die Verteilung dieser Finanzströme entwickeln werden. Angesichts der ungeheuren sozialen, wirtschaftlichen und strukturellen Probleme des Landes, die weder durch Wahlen noch durch europäische Soldaten gelöst werden können, wird der Sinn des geplanten EU-Militäreinsatzes noch nebulöser: Übrigens wurden die im Vergleich zum Militäreinsatz äußerst billigen Projekte des Zivilen Friedensdienstes im Kongo seit 2003 zurückgestellt.

Die wirklichen Motive für den geplanten Einsatz der EU battle-group

  •  Nach der von Kerstin Müller erwähnten EU-Afrika-Strategie will die EU sich in Afrika militärisch einmischen. Dazu muss ihr Interventionspotential in Übungen erprobt werden. Das hat Vorläufer aus dem Jahre 2003. Damals wurden EU-Soldaten in Bunia in der Provinz Ituri im Kongo ebenfalls kurzfristig und ohne großes Risiko eingesetzt. Dadurch wurden die Kämpfe aus Bunia auf das Land verlagert. Eine wirkliche Veränderung der Situation wurde nicht angestrebt. Manöver müssen eben sein!
  • Die deutsche Bevölkerung, die immer noch glaubt, die Bundeswehr sei zur Verteidigung da, soll an Militärinterventionen im Ausland gewöhnt werden. Dies kann umso leichter erfolgen, wenn scheinbar edle Motive des Einsatzes (humanitäre Interventionen) zur Legitimation dienen und wenn die Einsätze ohne erhebliche Verluste verlaufen. Daraus soll dann der Mythos von der Friedensmacht Deutschland/EU geboren werden.
  • Das an Rohstoffen arme EU-Europa und Deutschland sind an der Sicherung von Einfluss auf Länder mit großen Rohstoffvorkommen, sowie an Märkten für ihre hoch entwickelten Industrieprodukte interessiert. Der Kongo ist ein riesiges Land mit großen Rohstoffvorkommen, in dem ausländische Unternehmungen um Konzessionen miteinander kämpfen. Dort Präsenz zu zeigen, fördert die Voraussetzungen für wirtschaftliche Verbindungen.
  • Frankreich ist der engste Verbündete des jetzigen Präsidenten Kabila. Ihn zu stützen und zu schützen liegt deshalb im Interesse von Paris. Ließe sich mit ihm nicht wiederum ein System der indirekten europäischen Herrschaft wie mit seinem Vor-Vorgänger Mobuto installieren? Diese Vermutung erscheint nicht unberechtigt. Schon warnt die zivile Oppositionspartei UDPS eindringlich vor einem EU-Einsatz zur Absicherung der Kabila-Herrschaft.

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